Wie eine populistisch aufgeladene Debatte das Portal zerstörte
»Das Regenbogenportal klärt auf, baut Vorurteile ab und kann dazu beitragen, Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität entgegenzutreten.« Dieser Satz steht in einem auffälligen, violetten Kasten in dem Artikel von 2019, der das Regenbogenportal ankündigte. Man könnte meinen, dass die deutsche Regierung auf einem guten Weg in die Richtung zu einer aufgeklärten und diskriminierungsfreien Politik ist. Naja, das Portal wurde letzten Dezember abgeschaltet.
Schiefe Schubladen erklärt im Regenbogenportal
Es gibt gleichgeschlechtliche Paare und Beziehungen ohne Sex, es gibt Trans*- Frauen, die auf Trans*-Männer stehen und trotzdem nicht in einer heteronormativen Beziehung sind. Kurz: es gibt Menschen, die nicht in unsere einfachen Schubladen passen, in die wir sonst jeden Menschen mit mehr oder weniger Bedacht stecken. Dass es diese Menschen gibt, ist nichts Neues – es gibt sie schon immer. Ihre Lebensweise sollte eigentlich nur diejenigen interessieren, die es betrifft, aber leider gibt es – gerade in den sozialen Medien – auch diejenigen, die es ungefragt kommentieren müssen und dabei ihre eigenen Schubladen im Hinterkopf haben. Das sind Menschen, die in den meisten Fällen unaufgeklärt sind und vielleicht nie die Zeit oder das Interesse hatten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Und für sie gründete das Familienministerium das Regenbogenportal. Es war dazu gedacht, zu sensibilisieren und aufzuklären, aber auch, um queere Personen zu repräsentieren. Mit informativen Artikeln wie »Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf Geschlechtseintrag« oder einem anonymen Kummerkasten und diversen Informationsbroschüren war das Regenbogenportal vor allem an junge Menschen gerichtet. Es war eher in einem neutralen und wissenschaftlichen Stil geschrieben, aber so, dass es alle verstehen – schließlich wurde es auch vom Bund gefördert. Die Website hat bis zur Schließung nicht alles aufgreifen können, weder jede Sexualität, noch jede Geschlechtsidentität. Aber es sollte ein Schritt in diese Richtung sein und hatte das Potential, noch viel größer zu werden.
Pubertäts-Blocker, Kindeswohlgefährdung und Populismus
Neben Artikeln, die Sexualität thematisieren, gab es auch welche, die die Lebenswelten queerer Jugendlicher aufgriffen. So gab es einen Artikel, der erklärte, wie Pubertäts-Blocker funktionieren. Der Wortlaut war in etwa: wenn du noch jung seist und dir sehr unsicher in deiner Identität bist, könntest du die Blocker nehmen. Es würde verhindern, dass du dich weder zum Mann, noch zur Frau entwickelst. Also gäbe es da eine Möglichkeit, deine Pubertät erstmal pausieren zu können, zu blockieren, das gäbe mehr Zeit zum Nachdenken. Ein Kommentar, genauer gesagt ein Tweet, der dazu gemacht wurde, lautete folgendermaßen: »Das ist doch irre – sollte das kein Fake sein: Bundesregierung empfiehlt sehr jungen, unsicheren Menschen Pubertäts-Blocker«. Von wem der Post stammt? Nein, nicht aus den Reihen der AfD. Sondern von der heutigen Bundestagspräsidentin, der Stimme der Exekutive, Julia Klöckner.
Die ganze Debatte um die Pubertäts-Blocker schaukelte sich sehr auf, andere Stimmen aus Kreisen der CDU/CSU und besonders der AfD plädierten für ein Verbot des Regenbogenportals. Das Familienministerium sah sich dann Ende 2022 gezwungen, einen Artikel mit zwei Absätzen zu veröffentlichen: »Die Bundesregierung empfiehlt nicht die Einnahme von Pubertätsblockern.« Der Artikel des Regenbogenportals wurde vielfach umgedeutet, er wurde so beschrieben, als ob der unsere Jugend und Kinder gefährden würde. In einem Interview mit der BILD sagte Klöckner, die Bundesregierung würde die Medikamente mit Hustenbonbons gleichsetzen. Eine typische Masche von Populist*innen: ein Thema wird mit Thesen gefüllt, die eigentlich gar nicht dem Kern der Sache entsprechen und nur an der Oberfläche kratzen. Gleichzeitig ist das, was gesagt wird, hoch emotional und um jeden Preis zu verhindern.
Im Dezember 2024 kam es zur Abstellung des Regenbogenportals. Das hatte angeblich wirtschaftliche Gründe, man wollte sparen, aber dass der Tweet und die gesamten Postings von Seiten der AfD und CDU/CSU dazu nichts beigetragen haben, ist doch sehr unwahrscheinlich. Den Tweet von Klöckner gibt es immer noch.
Wir sind trotzdem noch da
Die Abschaltung der Website war für die queere Community ein Schlag in die Magengrube. Der Funken Hoffnung, dass sich zumindest ein Teil der Bundesregierung progressiv entwickelt, ist einfach unter einer Menge Hass und Hetze erstickt worden. Zwar informiert die Website jetzt nicht mehr darüber, aber Menschen in den verschiedensten Lebenswelten und -formen gibt es immer noch. Das Regenbogenportal kann vielleicht einfach aufhören zu existieren, aber die Menschen dahinter und diejenigen, die es nutzten, nicht. Website der Bundesregierung hin oder her: progressive Journalist*innen, Influencer*innen, Lehrer*innen und Autor*innen können immer noch frei über das Thema reden und in den meisten Fällen sind die Aussagen, die sie treffen, auch zuverlässig – da gilt einfach: kritisch bleiben.
Svea studiert Geschichte und Politikwissenschaft im Profil Fachergänzung. Sie ist seit November 2023 Teil des ALBRECHTs und seit Januar 2024 übernimmt sie die Leitung für den Gesellschaftsteil. Neben Texten über aktuelle Politik, schreibt sie auch sehr gerne über historische Themen.