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Wie Spotify und Co. die Musik beeinflussen

Schon früh am Morgen beim Zähneputzen, hin zum Mittag an der Uni, über den Nachmittag beim Lernen bis zum Abend beim Treffen mit Freunden: Musik ist für viele von uns ein ständiger Begleiter und trägt uns durch den Tag. Diese allwährende Anwesenheit wäre ohne Musik-Streamingplattformen wohl kaum denkbar. Doch der eigentlich gute Gedanke, Musik für alle und zu jeder Zeit zugänglich zu machen, weist auch seine Schattenseiten auf.

Noch bevor es Musik-Streamingdienste gab, war es üblich, dass die Eintrittskarte für ein Konzert bereits für kleines Geld erhältlich war. Sogar solche Tickets für Auftritte weltbekannter Musiker*innen, beispielsweise die der Beatles, waren dabei keine Ausnahme. Grund dafür war, dass die Künstler*innen ihr Hauptgeschäft früher mit dem Verkauf von Tonträgern wie Schallplatten oder CDs vollzogen. Heutzutage ist das Gegenteil der Fall. Inzwischen kosten viele Eintrittskarten mehrere hundert oder gar tausend Euro, um mitunter den Mangel an verkauften Tonträgern zu kompensieren. So verirrt sich nur noch selten jemand in die verstaubte CD-Abteilung der Läden. Stattdessen nutzt ein Großteil der Hörer*innen Musik-Streamingdienste. Warum auch eine Platte kaufen, wenn man für das gleiche Geld so ziemlich alle Lieder dieser Welt online hören kann?

Das Problem mit Musik-Streamingdiensten

Grundsätzlich spricht einiges für Musik-Streamingplattformen. Der Haken dabei ist jedoch, dass die Interpret*innen selbst nur einen kleinen Betrag erhalten, wenn ihr Lied abgespielt wird. Auf Spotify gilt ein Lied erst als aufgerufen, wenn es mindestens 30 Sekunden gehört wird. Pro Aufruf werden dann etwa 0,003 Dollar an den Musikverlag vergeben, dem die Rechte des jeweiligen Stückes gehören. Die nun erhaltenen Tantiemen, so heißen die Löhne für Musikschaffende, werden schließlich zwischen dem Musiklabel und den Beteiligten am Lied aufgeteilt. Um sich mit Spotify den Lebensunterhalt zu verdienen, müssen die Interpret*innen also enorm viele Aufrufe generieren. Dieser Druck wird dadurch erhöht, dass Musiker*innen, die innerhalb eines Jahres weniger als 1 000 Aufrufe für ein Lied erhalten, für dieses gar nicht erst bezahlt werden. Dabei wird es ihnen schwer gemacht, ihr Lied bekannter zu machen. Denn die von Spotify eigens erstellten Playlists beinhalten meistens nur die Stücke, die im Moment besonders häufig aufgerufen werden. Dies verschafft bereits oft gehörten Musiker*innen eine noch größere Bühne, während kleinere Künstler*innen weiter in den Tiefen der Musik-Streamingplattform verschwinden.

Der Einfluss des Streamings auf die Entstehung von Liedern

Wenn man also Geld mittels Musik-Streamingplattformen verdienen möchte, müssen möglichst viele Klicks her. Deshalb gibt es einige Praktiken, die bei vielen Stücken angewendet werden, um dies zu erreichen. So wird häufig schon am Anfang des Liedes Spannung aufgebaut, damit die Hörer*innen es möglichst nicht sofort überspringen und es somit als Aufruf gewertet werden kann. Auch die Länge der Stücke hat sich geändert. Neuere Lieder dauern im Schnitt nicht so lange wie früher, damit sie mehrfach gehört werden. Dabei können prägnante Melodien und Texte dafür sorgen, dass das Lied besonders gut im Ohr bleibt und so öfter abgespielt wird. Auch die sozialen Medien, wie TikTok, spielen eine wichtige Rolle. Plattformen wie diese werden von Künstler*innen genutzt, um für ihre Lieder zu werben. So sollte das Stück auch in Kurzvideos einprägsam sein, damit die Nutzer*innen neugierig auf das gesamte Lied werden. All diese Faktoren sorgen dafür, dass sich Musikstücke scheinbar immer ähnlicher anhören. Das betrifft vor allem Lieder in den Charts, welche insbesondere von Popmusik geprägt sind. Nischen-Genres wie zum Beispiel Heavy Metal oder auch Jazz haben es also abermals schwerer, erfolgreich zu sein.Es steckt also einiges mehr an Strategie und wirtschaftlichem Gedanken hinter einigen Stücken. Dabei geht auch die Vielfalt und die Persönlichkeit hinter neueren Liedern ein Stück weit verloren. Die Musik wird nicht ohne Grund als eigene Industrie betrachtet: Schnell neue Hits produzieren, die möglichst viel Geld in die Kassen spülen. Da bleibt nur wenig Raum für eigene Ideen. Wenn bloß noch die Theorie und Zahlen von Bedeutung sind, passiert es nicht selten, dass der Spaß am Musizieren verloren geht. Häufig müssen sich Künstler*innen entscheiden, ob sie lieber Musik machen wollen, die sie begeistert, oder solche, die gut auf Streamingdiensten ankommt. Neben dieser Zerreißprobe leiden viele Berufsmusiker*innen unter dem Zwang, ständig auf der Bühne zu stehen. Denn dies scheint eine der wenigen Möglichkeiten zu sein, mit Musik ausreichend Geld zu verdienen. Doch für viele kann es einer Tortur gleichen, die immer wiederkehrt. Dies kann sogar die Gesundheit der Interpret*innen belasten. Streamingdienste können sich also nicht nur auf die Musik selber, sondern auch auf die Menschen, die hinter ihr stecken, negativ auswirken. Doch was können wir als Endkonsument*innen dagegen tun?  Zum Beispiel können wir Lieder, welche uns zunächst weniger gefallen, nicht augenblicklich überspringen. Stattdessen lohnt es sich häufig, dem Stück eine Chance zu geben und mal länger reinzuhören. Außerdem können wir der Musik bewusster lauschen: Ein leiser, sich aber immer steigender Synthesizer, ein dumpfer Basston, dramatische Streicher, das Zupfen der einzelnen Gitarrensaiten, das Zirpen einer Mundharmonika oder auch eine schlichte Akkordfolge auf dem Klavier. All das und noch mehr macht ein Lied erst zu dem, was es ist: Ein Unikat, das es wert ist, gehört zu werden.

Katharina studiert Biologie an der CAU und ist seit dem Oktober 2024 beim ALBRECHT

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