Eine Führung über die Baustelle in der Leibnizstraße
Der aufgestapelte Bauschutt versperrt die Sicht auf das dahinterliegende Bauloch. In der Ferne lässt sich das Verwaltungshochhaus der Uni vermuten. Mitten auf der Baustelle der Fakultätenblöcke stehen wir im Erdgeschoss der Leibnizstraße 6 (LS 6). Oder besser gesagt: das, was davon noch übrig ist. Mittlerweile stehen hier nur noch die Außenwände und Teile der durchlöcherten Decke. »In dem Fahrstuhlschacht gab es einen Wasserschaden. Da muss nochmal eine Firma ran«, erklärt Matthias Pagel die nassen Spanholzplatten unter den Plastikplanen in der Ecke. Er ist Leiter und Baumanager der Baustelle für das Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH). Die Überbleibsel von LS 6 stehen nicht ohne Grund noch, führt er aus. Die Last von Bus- und LKW-Verkehr auf der höher liegenden Leibnizstraße würde sonst die Erde wegdrücken. Einer Taube in der Ecke kommt das gelegen. In einem Vorsprung unter der Decke hat sie ihr Nest gebaut.

Sanieren statt Neubauen
Im unteren Teil des Universitätsgeländes wird aktuell viel gebaut. Gegenüber von der Olshausenstraße 75 wird das erste Gebäude für den Bremerskamp hochgezogen. Vor kurzem fand dort das Richtfest statt. Für die Leibnizstraße kam das nicht infrage. »Wir haben das vorher prüfen lassen«, meint Matthias Pagel. »Zusammen mit unseren Erfahrungen vom Bau des Juridicums und den wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten ist ein Neubau nicht nachhaltiger und günstiger als die Sanierung!« Seit 2023 werden das Gebäude der Leibnizstraße 6 sowie ein Teil der Fassade von Leibnizstraße 8 saniert. Noch bis 2035 soll hier gebaut werden. Eingeplant sind Kosten in Höhe von knapp über 100 Millionen Euro.
Auf der Rückseite des Fakultätenblocks sehen die Fortschritte der Bauarbeiten anders aus. Hier lässt sich am besten erkennen, wie viel schon abgerissen wurde. Hinter dem Bauzaun ist nur noch ein sandiges Loch zu sehen. Hier soll die Agora später entstehen, erläutert der Baumanger die Zukunftsvision. Sie soll ein zentrales Forum für Studierende bilden und die beiden Gebäude miteinander verbinden. »Vorstellen kann man sich das als Mehrzweckraum: eine Mischung aus Bibliotheks- und Veranstaltungsflächen«, erklärt Pagel. Die Agora , in der sich Studis und Dozierende gleichermaßen aufhalten können, soll zum Verweilen einladen. Auch Vorträge und Filmvorstellungen sind denkbar. Das Studentenwerk plant ein italienisches Café im Erdgeschoss.
Schon 2028 soll dieser erste Bauabschnitt fertig saniert werden. Dazu gehören neben der Agora auch das Gebäude der Leibnizstraße 6 sowie das Unter- und Erdgeschoss der Leibnizstraße 8. Wenn alles saniert wurde, sollen auch die Fachbibliotheken zurückkehren. Während der Arbeiten sind die meisten Bestände in die Zentralbibliothek oder, im Falle der Rechtswissenschaft, teils ins Juridicum umgezogen. Die einzelnen Fachbibliotheken bekommen im Erdgeschoss einen neuen Platz. Alle zusammen in einem großen Raum, welcher sich durch die Gebäude erstreckt.
Nie ganz ohne Probleme
»Das Bauen im Bestand stellt uns immer wieder vor Herausforderungen«, betont der Baumanager, »Die Baupläne aus den siebziger Jahren sind nicht aussagekräftig genug, um immer mit voller Sicherheit planen zu können.« Das sei auch der Grund für den Wasserschaden im Fahrstuhlschacht gewesen: »Es kann immer etwas auftauchen, womit wir nicht gerechnet haben.« Dazu kommen die anderen Arbeiten im Gebiet. Mit den geplanten Bauten vom Studentenwerk auf dem Bremerskamp musste auch die Entwässerungsanlage neu gedacht werden. Für die Umgestaltung sperrte das GMSH den Fußweg auf der Leibnizstraße, etwas, das zuerst nicht geplant war. In Zukunft kann es öfter zu Hindernissen für Studierende kommen, warnt der Bauleiter. »Es wird auch noch eine Herausforderung, was die Leibnizstraße angeht. Das ein oder andere Mal werden die Busse woanders lang fahren müssen, wenn hier parallel mehrere Arbeiten stattfinden.« Wann die Leibnizstraße gesperrt wird, ist aber noch nicht bekannt.
Das Alter der Gebäude war ein weiteres Problem. Gebaut in der 70er Jahren, fand das GMSH Asbest im Gebäude verbaut. Die Untersuchungen ergaben, dass es in der Dichtung der Heizungskörper, im Kleber im Fußboden und in der Spachtelmasse vorhanden war. Eine Schadstoffsanierung war somit der erste Schritt. Zur Sicherheit klebte die beauftragte Firma die betroffenen Bereiche ab, damit sich der Asbest nicht durch den Staub verteilt. Nach einer Freimessung konnte die Staubbelastung beim harten Abriss jedoch nicht vollständig verhindert werden.
Investitionen in kommende Generationen
Geprägt wird die Sanierung durch eine Besonderheit: den ›Urban Mining Ansatz‹. Dabei dient das Gebäude selbst als »Mine«. Viele der bereits verbauten Elemente werden wiederverwendet. Das gilt vor allem für den bereits abgerissenen Beton und diverse Stapel abgetragener Kalksandsteine, die wir bei der Begehung der Baustelle im Erdgeschoss von LS 6 sehen. Auf Europaletten stapeln sich die weiß-grauen Steine, die als nicht-tragende Innenwände verbaut werden sollen. Matthias Pagel erklärt, dass die Steine an der Fachhochschule Kiel auf Dichte und Festigkeit getestet wurden und in sehr gutem Zustand sind. »Es konnten sogar mehr Kalksandsteine abgetragen werden, als wir erwartet haben.« Auch einige Türen wurden eingelagert und sollen, nachdem sie aufbereitet wurden, wieder verbaut werden. Die bekommen wir allerdings nicht zu sehen. Neu gemacht werden neben Toiletten und Elektronik auch Heizkörper und die Fassade. Eine weiß-graue Musterkonstruktion aus Holz und Alu, die ein bisschen an Wellblech erinnert, können wir an der Außenwand auch aus dem Bauloch heraus betrachten. »Die Fassade ist Teil des ›Urban Mining Designs«, erklärt uns der Baumanager, »Das bedeutet, dass die Materialien, die wir jetzt verbauen, auch bei einer erneuten Sanierung in der Zukunft wiederverwertet werden können.« Das Gebäude dient also nicht nur im Moment als Mine, sondern kann es auch irgendwann wieder werden.
Rein ökonomisch betrachtet ist das Urban Mining der Kalksteine unwirtschaftlicher als die Verwendung neuer Steine, schont aber Ressourcen. Das hat wirtschaftliche Vorteile für kommende Generationen. Zudem ist die Sanierung der Fakultätsblöcke ein bisher einmaliges Projekt, an dem das Land Schleswig-Holstein Urban Mining gerade testet. »Auf dieser Baustelle können wir uns austoben und testen, was nachhaltig möglich ist«, erklärt Pagel. So könnten auch andere Baumaßnahmen des Landes profitieren. Auch über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinweg wird das Vorhaben genaustens beobachtet. »In der Hinsicht handelt es sich schon um ein Vorreiterprojekt!«.

Schlagbohrer im Zoom-Meeting
Bis dahin ist der Weg allerdings noch weit. Trotz der Baumaßnahmen werden Teile der umstehenden Gebäude aktuell als Lehr- und Büroräume genutzt, denn die CAU hat darum gebeten, den Lehrbetrieb im Gebäude aufrechterhalten zu können. Einige der Büros seien schon in andere Räumlichkeiten umgezogen, erklärt Tim Lüdrichsen aus dem Team Gebäudemanagement der CAU. Zusammen mit dem GMSH waren sie an der Planung der Sanierung beteiligt. »Planung nur in Absprache mit Nutzer*innen«, erläutert Pagel den Vorgang. Gewählt wurde ein partizipativer Ansatz, so Lüdrichsen. Seit 2017 gab es Workshops, auch mit studentischer Beteiligung, führt er weiter aus. Daraus erarbeitete das Gebäudemanagement in verschiedenen Gremien und Gruppen innerhalb der Uni die Anforderungen.
Ab Mitte nächsten Jahres empfiehlt das GMSH der Uni aber, die Mitarbeitenden und Studierenden wegen Staub- und Lärmbelastung umzuquartieren. Campusweit gäbe es genug Räumlichkeiten zum Umquartieren, sagt Lüdrichsen. Seminarräume seien dann nur noch auf eigene Gefahr nutzbar. Wegen der Bauarbeiten sei eine leise Umgebung nicht sicherzustellen. Die Taube in der Ecke der Baugrube scheint sich daran noch nicht zu stören. Wahrscheinlich wäre ein Umzug aber auch für sie die beste Option.
Fabienne ist 22 und seit Oktober 2024 Teil der Albrecht-Redaktion. Sie studiert Politik und Anglistik, schreibt gerne über politische Themen und kümmert sich seit Anfang 2025 um die Online-Redaktion.
Joschka studiert seit dem Wintersemester 20/21 Soziologie und Politikwissenschaft und ist seit Ende 2022 Teil des Albrechtsteams. Dazu leitet er seit dem März 2023 das Layoutteam und ist seit Februar 2024 stellvertretende Chefredaktion.