Apsilons neues Album
Googelt man die Metapher ›dickes Fell‹, bekommt man folgende Antwort: »Tiere mit einem dicken Fell sind unempfindlicher gegen Kälte und gut geschützt vor Angreifern.« Dem Menschen mit dickem Fell wird nachgesagt, er würde viel aushalten und es würde schwierig sein, ihr Inneres zu erreichen. Heutzutage als Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland zu leben, kann belastend sein. Man braucht eine dicke Haut, dickes Fell, um gegen Angreifer*innen, sei es verbal oder physisch, gewappnet zu sein. Man braucht Haut wie Pelz. Gleichzeitig ist man fremd in dieser Haut, denn man hat sie sich nicht selbst ausgesucht. In seinem neuen Album rappt Apsilon, bürgerlich Arda, über Biografien deutsch-türkischer Menschen mit Wurzeln in der Generation der türkischen Gastarbeiter*innen, Leben in Berlin, Männlichkeit, junges Verliebtsein, Freundschaft, Trauer und Unzufriedenheit.
Obwohl die Deutschrap-Szene eher von Personen wie BonezMC, Luciano oder Olexesh dominiert wird und man eher an frauenfeindliche und von Drogenkonsum gezeichnete Texte denkt, gibt es in letzter Zeit einen Aufstieg der sentimentalen Seite der Szene. Apsilon kommt auf 819 000 monatliche Hörer*innen, GReeeN auf 2,4 Millionen, makko auf 3,3 Millionen. Alle drei haben gemeinsam, dass es nicht auf die Fresse Rap ist, sondern direkt ins Herz geht und die Lines nicht aus Kokain, sondern voller Liebe sind.
»Schlechtes Wetter macht erfinderisch«
Haut wie Pelz ist das erste richtige Album von Apsilon – vorher gab es ausschließlich EP´s. Und dieses erste Album ist nicht eins von denen, die glücklich machen – und das macht es so gut. Es macht rührselig, traurig und löst Frust aus, Apsilon zuzuhören. Wenn er zum Beispiel singt: »In ein’n Koffer passt kein Leben – In ein’n Koffer passt nicht meine Welt«, sich damit auf jene Menschenfeinde bezieht, die großkotzig im Internet unterwegs sind und meinen, alle Nicht-Deutschen müssten anfangen, ›ihre Koffer zu packen.‹ »Deine Rentner sammeln trotzdem Pfandflaschen aus den Tonnen und die Straßen bleiben kalt hier.«
In einem Interview, das er vor kurzem mit dem Spiegel geführt hat, meint er, er sei ein politischer Mensch und dass eigentlich das gesamte Album von den Erfahrungen junger Ausländer*innen in Deutschland handelt. Dass Apsilon politisch ist, merkt man, wenn man seine Texte hört, aber auch wenn man ihn auf Demos reden hört. Vor zwei Jahren wurde er sogar von der Universität Mannheim zu einem Ted-Talk eingeladen, der Titel war Rassistische Normalität.
Seit 2020 arbeitet er häufig mit Bazzazian zusammen – das ist der Hauptproduzent von Haftbefehl und das merkt man dem ersten Lied der beiden auch an. Der Beat und die Melodie sind nah an Haftbefehl, haben aber trotzdem ihren eigenen musikalischen Charakter und ihren Platz eindeutig im Deutschrap oder im ›deutschen Straßen-Rap.‹
»Ich wünschte, er würde nicht immer rennen und sich dabei die Beine brechen«
In dem Album wurde auch eine Menge Familiengeschichte aufgearbeitet. Baba thematisiert die Beziehung zu seinem Vater, der sich für Männlichkeit statt Verletzlichkeit entschieden hat. Diese Männlichkeit ist toxisch und verhindert, Gefühle zuzulassen. Die Beats und den Text für Baba schrieb er zusammen mit seinem Bruder, Arman, der mittlerweile in vielen von Apsilons Liedern eine Rolle spielt und mitproduziert. Das Musikvideo von Koffer zeigt die Geschichte seines Großonkels, der bei seiner Arbeit als Taxifahrer erschossen wurde. Im Spiegel-Interview erzählt er, es wäre ihm wichtig, wenn Hörer*innen das Album am Stück hören könnten, es auch tun. Es lohnt sich sehr, sich mit dem Album und den Videos auseinanderzusetzen – auch, wenn man Deutschrap eigentlich gar nicht so gerne mag.
Svea studiert Geschichte und Politikwissenschaft im Profil Fachergänzung. Sie ist seit November 2023 Teil des Albrechts und seit Januar 2024 übernimmt sie die Leitung für den Gesellschaftsteil. Neben Texten über aktuelle Politik, schreibt sie auch sehr gerne über historische Themen.