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»Burn Baby Burn«: Intensives Kammerspiel zwischen Überlebenskunst und Annäherung

Knallende Sonne, flirrende Sommerhitze und die junge Violette (Rebekka Wurst) strandet mit ihrem Mofa an einer verlassenen Tankstelle irgendwo im Nirgendwo. Dort haust Erla (Eva Kewer), die mit ihrer Knarre das letzte bisschen unzerstörtes Hab und Gut an diesem Ort beschützt. Ansonsten ist in dieser heißen Hölle aus Blech alles Zerstörbare bereits zerstört. Über das Feilschen um Benzin, Wasser, ein Schokocroissant und einen Blick in Violettes geheimnisvolle große Reisetasche spinnen die Protagonistinnen eine verwobene Geschichte irgendwo zwischen Lüge und Wahrheit, Selbstschutz und Annäherung. Das Kammerspiel Burn Baby Burn von Carine Lacroix feierte Ende März im Studio im Schauspielhaus Kiel unter tosendem Applaus seine Premiere.  

Laute Stimmen, leise Verletzlichkeit 

Aufbrausend intensiv, viele Male eindrucksvoll laut und dennoch von einer unüberwindbaren Verletzlichkeit durchsetzt, so lernen wir Violette kennen. Die Rolle scheint Rebekka Wurst auf den Leib geschneidert zu sein. Ganz in schwarz, in Springerstiefeln und Lederjacke strahlt sie eine Präsenz aus, die viele Fremde wohl zurückschrecken lassen würde. Nur ein blaues Scrunchie lässt ein wenig Hoffnung in Violettes dunklem Auftreten erahnen. Doch Erla lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie hat es faustdick hinter den Ohren, kommt aber im ersten Moment gutgläubig-kindlich daher und fürchtet sich vor lauter Übermut eigentlich vor nichts – warum auch, mit einer Baretta im Holster. Eva Kewer spielt nuanciert mit dieser emotionalen und intellektuellen Überlegenheit. 

Erla nervt Violette durch ununterbrochenes Gefrage und neue Ideen, dabei liebt Violette die Stille so sehr, das macht sie schnell klar. Immer wieder unterbrechen Erla und Violette ihren Dialog, um monologisch ihr Innerstes nach außen zu kehren und das Publikum in ihre Gedanken und Gefühle eintauchen zu lassen. Langsam, aber sicher nähern die beiden Frauen sich an und Erlas Wesen beginnt auf Violette abzufärben – im wahrsten Sinne des Wortes. 

Blaues Band der Verbundenheit 

Ende gut, alles gut? Das muss sich zwischen Violette (Rebekka Wurst) und Erla (Eva Kewer) noch zeigen. © Olaf Struck

Die Kulisse aus hellem Wellblech und Schrott von Bühnenbildnerin Kira Carstensen überzeugt durch ihre Vielseitigkeit: Klettern, Kriechen, Kaputttreten. Sie dient auch immer wieder als Projektionsfläche für Einspielungen von Texten und Nahaufnahmen der Schauspielerinnen (Video: Frank Böttcher). Requisiten sind reduziert und stilecht. Lea Willburger hält die Kostüme in dunklen Blautönen und Schwarz. Doch dann kommt etwas mehr Farbe ins Spiel.  

Regisseurin Pia Koop, lässt blaue Farbe spritzen, schmieren und durch ›unsanfte Gesten‹ auftragen. Immer mehr vereinen sich Violette und Erla zu einem unschlagbaren Team. Koop, die an der CAU studierte und nun als Regieassistentin am Theater Kiel festangestellt ist, legte in der aktuellen Spielzeit mit Eine Art Liebeserklärung ihr Regiedebüt im Format ›Reihe 17‹ vor und konnte ihr Können nun in ihrer ersten Studio-Produktion unter Beweis stellen. Dies ist ihr fabelhaft gelungen. Violettes und Erlas Charakterzüge sind fein und verschmitzt herausgearbeitet. Irgendwie ›auf die Fresse‹, aber doch unscheinbar. Tristan Taubert ist erst zum Ende hin mit von der Partie. Als gutmütiger Pizzabote Issa muss er heftig einstecken, gerät am Ende gar zwischen die Fronten. Auch Taubert überzeugt durch zerbrechliche Verzweiflung, die ihm – gefesselt an einem Stahlpfosten – ins Gesicht geschrieben steht.  

Vom Grand Finale des Abends sichtlich gerädert und unter Tränen holten sich die Darsteller*innen gemeinsam mit dem Produktionsteam den redlich verdienten Applaus vom Publikum im ausverkauften kleinen Saal an der Holtenauer Straße ab. Mit Burn Baby Burn bietet das junge Team auf und hinter der Bühne einen mitreißenden Theaterabend, der auch im großen Saal zu Hause sein könnte. 


Tickets sind für Termine im April und Mai online und an der Theaterkasse erhältlich. Studis gehen für acht Euro oder bei Buchung erst drei Tage vor der Veranstaltung mit dem im Semesterbeitrag enthaltenen Kulturticket sogar kostenlos ins Theater! 

Chefredakteur

Finn ist seit Februar 2024 Chefredakteur des ALBRECHTs. Zuvor hat er ein Jahr lang das Kulturressort geleitet. Für unser Blatt sitzt er häufig in der Oper, im Theater oder im Konzertsaal. Er studiert Englisch und Geographie auf Lehramt und ist seit dem WiSe 22/23 Teil der Redaktion.

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