Verschwundene Stolpersteine, Demokratiegegner*innen und eine Menge Falschbehauptungen
Geschichte ist ein Fach, das vielen in der Schulzeit leider nicht gefallen hat – manchmal lag es an der Lehrkraft, manchmal war es der Inhalt, manchmal war der Grund auch ganz anders oder nicht ganz klar. Dass das Fach bei vielen Schüler*innen so unbeliebt war, könnte auch an den Lehrplänen des jeweiligen Bundeslandes liegen; wenn ich an meine Schulzeit denke, hatte der Unterricht einen starken Fokus auf deutscher Geschichte, insbesondere auf dem Nationalsozialismus und auf der Zeit der deutschen Teilung. Wenn ich mit Freund*innen aus anderen Bundesländern spreche, lag der Fokus weniger in der Neuzeit, sondern auch in der Antike oder im Mittelalter – einmal meinte jemand sogar zu mir, diese Person hätte im Geschichtsunterricht nie etwas zur deutschen Geschichte gemacht. Stimmt das oder wurde da einfach im Geschichtsunterricht gepennt?
Deutsche Geschichte
Der Lehrplan von den meisten Schulen aus Schleswig-Holstein sieht vor allem das Thema des Nationalsozialismus vor. Ein bisschen Weimarer Republik, ein großer Teil NS und – wenn man so lange zur Schule geht – in der zehnten Klasse ein Part der Geschichte der deutschen Teilung.
Im November gibt es eine Menge Ereignisse, die prägend für die deutsche Geschichte waren; allen voran wird der 9. November unter Historiker*innen als »der deutsche Schicksalstag« diskutiert. Im Folgenden ein paar Ereignisse, die alle am 9. November passierten: 1918 dankt Kaiser Wilhelm II. ab und ebnet so den Weg für die erste deutschsprachige Republik. 1923 startete eine rechts-konservative Gruppe, angeführt unter anderem von Adolf Hitler, den Röhm-Putsch mit dem Ziel, die Macht zu übernehmen – erfolglos. In der Nacht vom 8. auf den 9. November 1938 war die Reichspogromnacht, bei der die Nationalsozialist*innen jüdische Einrichtungen und Synagogen zerstörten und anzündeten. Als Ergebnis der friedlichen Proteste in ganz Berlin wurden 1989 die Grenzen zwischen Ost- und Westberlin geöffnet.
Jede*r sollte wissen, wer Hitler und Goebbels waren, was der sogenannte Stalinpakt war und was es für Juden*Jüdinnen hieß, ab 1930 in Deutschland zu ›leben‹, und auch, was es bedeutete, gegen das Regime und gegen die Partei zu sein. Wer gut in dem Thema ist, kennt auch die Namen einiger Konzentrationslager inklusive ihrer Außenlager. Doch wie nötig ist es, sich in dem Thema auszukennen?
Geht uns das noch was an?
Die Menschen werden unsensibler. Von Tag zu Tag, mit jedem Instagram-Kommentar ein bisschen mehr. Die Lager, in denen eine unglaublich hohe Anzahl an Menschen aufgrund von politischer Ideologie umgebracht wurden, werden für Fotos auf Telegram oder X benutzt. ›Das wäre doch ein tolles, provozierendes Foto‹, denkt der Mann sich, der sich mit eindeutiger Neo-Nazi-Mode auf die Liege des Krematoriums legt, auf der die Juden*Jüdinnen, Sinti*zze und Rom*nja und die politischen Gegner des Nationalsozialismus bereits tot oder halbtot gelegen haben.
Der Leiter des Museums, der das ehemalige Konzentrationslager in ein Museum umgewandelt hat, bekommt regelmäßig Morddrohungen. Stolpersteine werden gestohlen. Menschen, deren politische Denkweise sich an Rechtsextremen anlehnt und sie befeuert, schießen ihre Falschbehauptungen ins Internet. Altparteien, die nicht so gut ankommen, und auch der Bundeskanzler wettern gegen einen nicht-existenten Linksdruck, sind der Meinung, man müsse »im großen Stil abschieben« und treiben damit viele Menschen den neuen, nicht zu unterschätzenden, rechten Parteien, Vereinen und Gruppen direkt in die Arme.
Ah shit, here we go again
Und dann schafft es eine Partei, in deren TikTok-Follower-Liste man vermehrt den Namen Niklas und Lars findet, ergänzt mit einem Adler und einem Deutschland-Flaggen Emoji, auf dreißig Prozent bei der Europa-Wahl. Eine Partei, die sich selbst »Alternative« schimpft, aber keine umsetzbaren, logischen, menschenfreundlichen und alternativen Lösungen für Probleme findet, sondern nur darauf plädiert, alle ausländischen Menschen abzuschieben. Ist schließlich nicht das Problem der Partei und seiner Wähler*innen, wenn sie in ihrem Heimatland verfolgt, gefoltert und getötet werden. Eine Partei, die ihre ›Lösungen‹ von der NSDAP abschreibt, aber die NSDAP hat gesagt: »Ja, aber mach unauffällig, damit es der Lehrerin nicht auffällt.«
Diese Partei und seine Anhänger*innen sagen, für alles, was gerade schiefläuft, liegt die Erklärung bei den Grünen. Dabei ist nicht immer nur die Partei gemeint, sondern auch die Leute, die sich ›grün‹ benehmen. ›Grün sein‹ wird auf einmal zum Synonym zu ›gegen rechts sein‹, ›naiv und ein Schlafschaf sein‹ sowie ›für Menschenrechte sein‹.
Putzkräfte fürs Gehirn
Der Rest, der weiß, dass diese Partei Quatsch erzählt, muss diesen Quatsch jedes Mal klarstellen. Sie müssen damit aufräumen, dass die Demokratie für das Volk ist und die bisher beste Form eines Staates ist, dass die Antifa (kurz für Antifaschismus) nicht rechts ist, sondern gegen Faschismus und für Menschenrechte aktiv werden, und sie müssen erklären, was Antifaschismus und Menschenrechte sind. Der Rest versucht, wie eine Putzkraft, das Gehirn jener Personen aufzuräumen – meistens ohne Erfolg, denn alles was zurückkommt sind Kommentare oder Scheinargumente, die klar machen, was für starke Scheuklappen diese Personen tragen.
Svea studiert Geschichte und Politikwissenschaft im Profil Fachergänzung. Sie ist seit November 2023 Teil des Albrechts und seit Januar 2024 übernimmt sie die Leitung für den Gesellschaftsteil. Neben Texten über aktuelle Politik, schreibt sie auch sehr gerne über historische Themen.