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Anzeigen erstatten über die Online-Wache der Polizei

Bist du schon einmal Zeug*in einer Straftat geworden oder warst du selbst schon Opfer einer solchen? Möglicherweise hast du dir noch nie Gedanken darüber gemacht, etwas anzuzeigen, mehrere Anzeigen bereits gestellt oder vielleicht auch schon bewusst auf die Erstattung einer Anzeige verzichtet.  

Egal bei welcher der oben genannten Aussagen du dich angesprochen fühlst, kann es hilfreich sein – vor der Konfrontation mit einer Straftat oder nachdem der erste Überrumpelungseffekt abgeklungen ist – sich der Handlungsoptionen bewusst zu werden. Eine dieser Optionen: die Online-Wache. 

Kriminalität: Betrifft mich das überhaupt? 

Laut der Schätzung des Deutschen Viktimisierungssurvey (DVS) 2020 liegt die Lebenszeitprävalenz der Deutschen, Opfer eines strafbaren Sachverhaltes zu werden, zwischen 30 und 40 Prozent. Das bedeutet, dass circa ein Drittel aller Deutschen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer einer Straftat werden; ungeachtet der Art der Straftat. Viele der begangenen strafbaren Handlungen bleiben jedoch unentdeckt und können demnach nicht verfolgt werden. Eine der häufigsten Ursachen dafür ist, dass Opfer diese nicht anzeigen. Das bedeutet, dass das sogenannte Dunkelfeld – also der Bereich der nicht angezeigten, aber begangenen Straftaten – vermutlich viel größer ist. 

Die Online- oder Internetwachen, wie sie in manchen Bundesländern auch heißen, wurden Anfang des aktuellen Jahrtausends in Deutschlands Landespolizeien nach und nach eingeführt und sollen dem entgegenwirken, indem sie die Stellung einer Strafanzeige erleichtern. Seither ist es möglich, 24/7 einfache, strafbare Sachverhalte mittels eines Online-Formulars anzuzeigen. Dies gilt allerdings nur für Delikte, die keine Notfälle sind (hier bitte immer die 110 anrufen!). Zu den nicht als Notfall einzuordnenden Taten können zum Beispiel Betrug, Diebstahl, Hass im Netz oder Belästigungen gehören.  

Online Wache SH 

In Schleswig-Holstein lässt sich in den Jahren 2019 bis 2022 ein exponentielles Wachstum der online gestellten Anzeigen erkennen. Insbesondere stieg die Zahl, mit einer mehr als Verdopplung der Onlineanzeigen, von 2019 (12 770) auf 2020 (30 741) besonders stark an[1]. Dieser Umstand lässt sich unter anderem durch die COVID-19-Pandemie und die damit verhängten Lockdowns erklären, wodurch seitdem mehr Menschen auf Onlinedienste in verschiedensten Bereichen zurückgreifen.  

In den darauffolgenden Jahren ist die Nutzung der Online-Wache zur Strafanzeigenerstattung in Schleswig-Holstein weitestgehend konstant geblieben (2021: 32 868; 2022: 35 002; 01.01.2023 bis 12.01.2024: 30 844)1. Für eine grobe Annährung der Nutzung der Online-Wache SH lässt sich der Anteil der online registrierten Straftaten im benannten, für 2023 veranschlagten Zeitraum, an der Gesamtanzahl erfasster Straftaten der Polizei SH im Jahr 2023, nämlich 196 289 Fälle2, auf ca. 15,7 Prozent schätzen. 

Einfach ≠ unwichtig 

Um eine Anzeige gegen wen auch immer – bekannt oder unbekannt – zu erstatten, brauchen Menschen also nicht zu einer Polizeidienststelle zu gehen. Viele schreckt nämlich genau das ab, besonders, wenn es sich um eine einfache Straftat handelt. Einfach soll in diesem Kontext keineswegs bedeuten, dass das Erlebte einem nicht minder zugesetzt hat. Ängste, ein erlebtes, vermindertes Sicherheitsgefühl oder Scham können Folgen jener sein. Allein deshalb ist jeder Eingriff in oder Übertritt einer persönlichen Grenze, der durch einen strafbaren Sachverhalt ausgelöst wird, einer Anzeige würdig; und vor allem so unglaublich wichtig. Denn, wie bereits beschrieben, leistet jede*r dadurch einen Beitrag zur Vergrößerung der Sichtbarkeit von kriminellen Handlungen und trägt damit zur Verkleinerung des Dunkelfelds bei. 

Besonders die Komponente der Steigerung der Selbstwirksamkeit, die durch das Stellen einer Anzeige geschaffen wird, kann eine empowernde Wirkung haben und damit zu einer besseren Verarbeitung der Straftat führen. Zudem kann das Umkehren der Hilflosigkeit, die die Opfer häufig während und nach einer Tat erleben, indem über das Handeln der Täter*innen gesprochen und dieses angezeigt wird, dazu führen, die Macht zu reduzieren, die sie über ihre Opfer haben.  

Chiara studiert seit dem Wintersemester 23/24 Psychologie im Master. Seit dem Sommersemester 2024 ist sie Teil der ALBRECHT-Redaktion und des Social Media Teams.

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Anzeigen erstatten über die Online-Wache der Polizei

Bist du schon einmal Zeug*in einer Straftat geworden oder warst du selbst schon Opfer einer solchen? Möglicherweise hast du dir noch nie Gedanken darüber gemacht, etwas anzuzeigen, mehrere Anzeigen bereits gestellt oder vielleicht auch schon bewusst auf die Erstattung einer Anzeige verzichtet.  

Egal bei welcher der oben genannten Aussagen du dich angesprochen fühlst, kann es hilfreich sein – vor der Konfrontation mit einer Straftat oder nachdem der erste Überrumpelungseffekt abgeklungen ist – sich der Handlungsoptionen bewusst zu werden. Eine dieser Optionen: die Online-Wache. 

Kriminalität: Betrifft mich das überhaupt? 

Laut der Schätzung des Deutschen Viktimisierungssurvey (DVS) 2020 liegt die Lebenszeitprävalenz der Deutschen, Opfer eines strafbaren Sachverhaltes zu werden, zwischen 30 und 40 Prozent. Das bedeutet, dass circa ein Drittel aller Deutschen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer einer Straftat werden; ungeachtet der Art der Straftat. Viele der begangenen strafbaren Handlungen bleiben jedoch unentdeckt und können demnach nicht verfolgt werden. Eine der häufigsten Ursachen dafür ist, dass Opfer diese nicht anzeigen. Das bedeutet, dass das sogenannte Dunkelfeld – also der Bereich der nicht angezeigten, aber begangenen Straftaten – vermutlich viel größer ist. 

Die Online- oder Internetwachen, wie sie in manchen Bundesländern auch heißen, wurden Anfang des aktuellen Jahrtausends in Deutschlands Landespolizeien nach und nach eingeführt und sollen dem entgegenwirken, indem sie die Stellung einer Strafanzeige erleichtern. Seither ist es möglich, 24/7 einfache, strafbare Sachverhalte mittels eines Online-Formulars anzuzeigen. Dies gilt allerdings nur für Delikte, die keine Notfälle sind (hier bitte immer die 110 anrufen!). Zu den nicht als Notfall einzuordnenden Taten können zum Beispiel Betrug, Diebstahl, Hass im Netz oder Belästigungen gehören.  

Online Wache SH 

In Schleswig-Holstein lässt sich in den Jahren 2019 bis 2022 ein exponentielles Wachstum der online gestellten Anzeigen erkennen. Insbesondere stieg die Zahl, mit einer mehr als Verdopplung der Onlineanzeigen, von 2019 (12 770) auf 2020 (30 741) besonders stark an[1]. Dieser Umstand lässt sich unter anderem durch die COVID-19-Pandemie und die damit verhängten Lockdowns erklären, wodurch seitdem mehr Menschen auf Onlinedienste in verschiedensten Bereichen zurückgreifen.  

In den darauffolgenden Jahren ist die Nutzung der Online-Wache zur Strafanzeigenerstattung in Schleswig-Holstein weitestgehend konstant geblieben (2021: 32 868; 2022: 35 002; 01.01.2023 bis 12.01.2024: 30 844)1. Für eine grobe Annährung der Nutzung der Online-Wache SH lässt sich der Anteil der online registrierten Straftaten im benannten, für 2023 veranschlagten Zeitraum, an der Gesamtanzahl erfasster Straftaten der Polizei SH im Jahr 2023, nämlich 196 289 Fälle2, auf ca. 15,7 Prozent schätzen. 

Einfach ≠ unwichtig 

Um eine Anzeige gegen wen auch immer – bekannt oder unbekannt – zu erstatten, brauchen Menschen also nicht zu einer Polizeidienststelle zu gehen. Viele schreckt nämlich genau das ab, besonders, wenn es sich um eine einfache Straftat handelt. Einfach soll in diesem Kontext keineswegs bedeuten, dass das Erlebte einem nicht minder zugesetzt hat. Ängste, ein erlebtes, vermindertes Sicherheitsgefühl oder Scham können Folgen jener sein. Allein deshalb ist jeder Eingriff in oder Übertritt einer persönlichen Grenze, der durch einen strafbaren Sachverhalt ausgelöst wird, einer Anzeige würdig; und vor allem so unglaublich wichtig. Denn, wie bereits beschrieben, leistet jede*r dadurch einen Beitrag zur Vergrößerung der Sichtbarkeit von kriminellen Handlungen und trägt damit zur Verkleinerung des Dunkelfelds bei. 

Besonders die Komponente der Steigerung der Selbstwirksamkeit, die durch das Stellen einer Anzeige geschaffen wird, kann eine empowernde Wirkung haben und damit zu einer besseren Verarbeitung der Straftat führen. Zudem kann das Umkehren der Hilflosigkeit, die die Opfer häufig während und nach einer Tat erleben, indem über das Handeln der Täter*innen gesprochen und dieses angezeigt wird, dazu führen, die Macht zu reduzieren, die sie über ihre Opfer haben.  

Chiara studiert seit dem Wintersemester 23/24 Psychologie im Master. Seit dem Sommersemester 2024 ist sie Teil der ALBRECHT-Redaktion und des Social Media Teams.