Three-Women-Stück »Modern Mermates«:
Hau-Drauf-Nixen im Kampf gegen die Klimakrise
Meerjungfrauen zu prüde, Sirenen zu unheilvoll: Die Nixen Amphinome (Isabel Baumert) und Thetis (Tiffany Köberich) distanzieren sich vom antiquierten Meerjungfrauen-Mythos und bezeichnen sich selbst als »Mermates«. Was bilden sich die Menschen schließlich ein, alle Wasserwesen über einen Kamm zu scheren? Überhaupt sind die Menschen den beiden ein Dorn im Auge: Ein uneinsichtiger Hotelmogul verpestet von seinem Privatstrand aus den vor einiger Zeit noch so schönen Lebensraum der »Flössler«. Berge aus Plastikmüll, Tüten, Flaschen, Netzen und Zigarettenstummeln türmen sich auf dem Meeresgrund der Ostsee auf.
»Amph« und »Thetsi« wollen ein Zeichen setzen und verklagen den Hotelbesitzer. Dabei unterstützt sie der depressive Alkoholiker-Delfin Dirk (Yvonne Ruprecht) durch seine Connections zur Überwasserwelt, die er durch seinen Nebenjob als Therapiedelfin stetig pflegt. Doch als die Klage abgewiesen wird, wissen die zwei Protagonistinnen keinen Ausweg außer den friedlichen, jedoch unwirksamen Protest oder den bewaffneten Klassenkampf von unten nach oben. Von unter Wasser bis in die Schlagzeilen.
»Füßler« am Pranger
Das am 26. Januar 2025 in Kiel uraufgeführte Stück von Simone Saftig – Jahrgang 1993 aus Dortmund und Literaturwissenschaftlerin, Kulturjournalistin sowie freie Autorin – belegte den ersten Platz beim erstmalig ausgeschriebenen Wettbewerb ›Textflimmern‹ des Theaters Kiel. Auf Initiative des Generalintendanten Daniel Karasek, dem der Kulturpreis der Berenberg Bank Stiftung verliehen wurde, schrieb das Theater in Kooperation mit dem Literaturhaus Schleswig-Holstein einen Wettbewerb für junge Autor*innen aus.
Eine fünfköpfige Jury entschied sich für Simone Saftigs Stück, das »auf überraschende, überzeugende und amüsante Weise mit dem Wettbewerbs-Thema ›Klimawandel‹ spielt«, so die Jury in ihrer Begründung. »Laury« und »Harry« – ein unbekümmertes Sockenfiguren-Ehepaar, dem von Yvonne Ruprecht Leben eingehaucht wird und das sich lieber vom Poolboy einen neuen Drink servieren lässt, statt die Bauchmuskulatur zum Erreichen des Beistelltischchens zu ertüchtigen – äffen die Gemütlichkeit der Menschheit in Puncto Klimakatastrophe in Saftigs Werk spitzzüngig nach und befördern das Stück aus einer überzeichnet-dystopischen Unterwasserwelt in eine erschreckend naheliegende Realität.
»Morgen beweg’ ich mich, Harry.«
»Laury«, faul in ihrer Strandliege
Trash, Tempo, Theater
Isabel Baumert, Tiffany Köberich und Yvonne Ruprecht sind ein eingespieltes Team auf der kleinen Bühne des Studios im Kieler Schauspielhaus. Emotional geladen entführen sie die Zuschauer*innen in unterschiedlichsten Tempi in die verschiedenen Stadien des Kampfes gegen die Zerstörung des Lebensraumes der Protagonist*innen. Sie fühlen sich sichtlich wohl in der modernen, schnellen Inszenierung, die Regisseur Johannes Ender ausgearbeitet hat. Hannah Landes verleiht dem Schauplatz von »Modern Mermates« mit ihrer Ausstattung den schon angesprochenen herrlich-trashigen Look der vermüllten Ostseebucht. Das Publikum im ausverkauften kleinen Saal war bei der Premiere außer sich vor Begeisterung. Ein humorgeladener Theaterabend, der Substanz beweist.
Tickets sind für den 26.02. (20:00 Uhr) sowie den 02.03. und 09.03. (je 19:30 Uhr) online und an der Theaterkasse erhältlich. Schnell sein lohnt sich. Studis gehen für acht Euro oder mit dem im Semesterbeitrag enthaltenen Kulturticket sogar kostenlos ins Theater!
Finn ist seit Februar 2024 Chefredakteur des ALBRECHTs. Zuvor hat er ein Jahr lang das Kulturressort geleitet. Für unser Blatt sitzt er häufig in der Oper, im Theater oder im Konzertsaal. Er studiert Englisch und Geographie auf Lehramt und ist seit dem WiSe 22/23 Teil der Redaktion.