Unabhängige Hochschulzeitung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Das Queer African Book Festival Berlin 2024 präsentierte: Queere Liebe und Diversität at its best

English version below

Eine Momentaufnahme: Ein literaturverzückter Mensch streckt nach und nach seine Gliedmaßen in eine Handlung, allen voran den Kopf mit pupillengeweiteten Augen. Diesmal ist nicht die Rede von einer prosaischen Handlung. Es geht um die Handlung in ihrer einfachsten und zugleich, für Lesebegeisterte, lebensgrundlegendsten Form: Die Buchhandlung. 

Was auch immer es ist, was Mensch hier hinein bewegt hat, sei es der Geruch der Tinte, das Rascheln aufeinander reibender Buchseiten oder die umherwabernde Gemütlichkeit hölzerner, deckenhoher Regale, die die dicht aneinandergereihten Kostbarkeiten beherbergen. 

Doch was die meisten dieser Orte – schwarz auf weiß, weniger weiß auf schwarz – ganz offensichtlich gemeinsam haben: Sie präsentieren dem mitteleuropäischen Otto-Normal-Bücherwurm fast ausnahmslos Literatur weißer Autor*innen, reproduzieren und führen damit Jahrhunderte von kolonialistisch geprägter Unterdrückung Black Indigenous People of Color (BIPoC) fort. 

Auch wenn in den vergangenen Jahren Werke von Autor*innen unterdrückter Bevölkerungsgruppen mehr Sichtbarkeit erlangen, sind sie immer noch deutlich unterrepräsentiert. 

InterKontinental

Dem entgegenzuwirken und den Perspektiven, Erfahrungen und Texten besonders von afrikanischen und afrodiasporischen Autor*innen in Deutschland einen Raum zu bieten, ist eines der Ziele des durch Stefanie Hirsbrunner gegründeten Literaturverlags InterKontinental sowie der dazugehörigen Interkontinental Buchhandlung in Berlin-Friedrichshain.  

Zusätzlich zur täglichen Arbeit für mehr Diversität und Sichtbarkeit von afrikanischen Publikationen im Literaturbetrieb besteht, neben der InterKontinental Buchhandlung und des Verlags ebenfalls der Verein InterKontinental e.V., durch welchen Lesungen, Workshops sowie Buchpremieren organisiert werden. 

Zudem veranstaltet InterKontinental e. V. seit sechs Jahren jeden Sommer das African Book Festival, welches dieses Jahr vom 28. bis 30. Juni erstmalig in der queeren Edition stattfand. Das diesjährige Festival stand ganz im Zeichen der Liebe und der Sensibilisierung gegenüber Verfolgung von queergeschlechtlichen und -sexuellen Menschen weltweit. Hier wurden afrikanische Autor*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen der LGBTQIA+ Community gefeiert und ihnen eine multimediale Bühne geboten. 

Zwischen vielen verschiedenen Panels, die Lesungen, Diskussionen, Poetry Perfomances und Livemusik beinhielten, konnten Besucher*innen auf dem Outdoormarkt im Innenhof Essen und Getränke aus verschiedenen Ländern und Kulturen Afrikas genießen, gleichzeitig angebotene Waren kaufen und anschließend im innengelegenen Bookstore u.a. die auf den Panels besprochenen Bücher erwerben. Autor*innen wie Francesca Ekwuyasi, Jude Dibia, Mecca Jamilah Sullivan, Musih Tedji Xaviere, Nora Bendzko, Kim Windvogel, Siya Khumalo, A. Igoni Barrett, Sami Ellis und Khanyisa Mnayaka gestalteten live die vielfältigen Panels mit. 

Diversität gelebt, geliebt, gefeiert

Das Festival startete am Freitag, den 28. Juni. Abwechslungsreich, beispielsweise mit dem Book Speed Dating, bei dem die Besucher*innen die Autor*innen und ihre Werke kennenlernen konnten und dem anschließenden Konzert von Noah Slee. Ebenso endete es, nach vielen spannenden Panels, schließlich nicht weniger mitreißend am Sonntag, 30. Juni. mit dem Dokumentarfilm über James Baldwin I‘m not your negro von Raoul Peck, der Baldwins Perspektive auf die Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 60er Jahre in den USA darstellt. 

Zuvor hatten die Besucher*innen die Möglichkeit am Diskussionspanel 100 Jahre James Baldwin: Von der Kunst die Liebe zu übersetzen teilzunehmen. Die am Diskurs teilnehmenden Gäst*innen Aminata Cissé Schleicher, Miriam Mandelkow und René Aguigah wurden vom Host Chiponda Chimbelu durch das Panel geleitet. Wobei diese sich zu Beginn des Panels darauf einigten, dass Baldwin in seinen Publikationen Rassismus weniger direkt thematisiert, sondern dieser vielmehr durch die von ihm beschriebenen Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft zu Tage tritt. 

Zugleich hielten die Gäste neben dem melodischen, vom Sprachrhythmus geprägten Schreibstil Baldwins und den existenziellen Worten am Satzende fest, dass Lesende bei Baldwins Texten immer wieder mit der Frage konfrontiert seien, an wen genau sich seine einzelnen Sätze richten würden. 

Im weiteren Verlauf beschrieb René die Ursache der Wiederentdeckung und des Popularitätsaufschwungs Baldwins auf Social Media durch sein ikonisches Auftreten sowie sein »zitables Kalenderspruchmaterial«, was zugleich durch Baldwin als begnadeten Schriftsteller zu untermauern sei.  

Mandelkow, die bereits viele Werke Baldwins ins Deutsche übersetzt, sich dadurch sehr intensiv mit seiner Person auseinandergesetzt hat und mit ihm in einen engen Näheverhältnis zu stehen scheint, zitierte ihn mit den Worten: »Gay is a verb. It’s something what I do, not who I am.« Sie beschrieb Baldwin in Bezug auf seine eigene Homosexualität als jemanden, der weniger damit gerungen zu haben scheint, vielmehr seine sexuelle Orientierung als selbstverständlich angenommen hat. 

Ihm sei es vielmehr darum gegangen, Liebe zu Menschen zu verdeutlichen und den Mut aktiv zu lieben darzustellen. 

Und so gingen die Besucher*innen des Panels vermutlich noch ein bisschen mehr als Fans Baldwins, des Schriftstellers und Aktivisten für Freiheit und Gleichberechtigung. 

Abschließend verließen viele das Festival energetisch aufgeladen und beseelt im Herzen, vielleicht sogar mit dem ein oder anderen queer-afrikanischen Buch in der Hand. 

Queering Black & White

The Queer African Book Festival Berlin 2024 presented: queer love and diversity at its best  

A Snapshot: A literature-enthralled person gradually extends their Limbs, ready to dive into a different world, led by their head with pupils dilated in wonder. 

This time, we’re not talking about a prosaic world. It’s about a world in its simplest, yet for book lovers, most essential form: the world of a bookstore. 

Whatever it is that has drawn this person in—whether it’s the smell of ink, the rustling of pages rubbing against each other, or the cozy atmosphere of wooden, ceiling-high shelves that house the tightly packed treasures—it’s clear that most of these places, black on white and less white on black, share one obvious feature: they present to the average Central European bookworm literature almost exclusively written by white authors, thus perpetuating and continuing centuries of colonial oppression of Black, Indigenous, and People of Color (BIPoC). 

Even though works by authors from marginalized communities have gained more visibility in recent years, they are still significantly underrepresented. 

InterKontinental3 

One of the goals of InterKontinental, the publishing house founded by Stefanie Hirsbrunner, and its associated bookstore in Berlin-Friedrichshain, is to counteract this trend and offer a space for the perspectives, experiences, and texts of African and Afro-diasporic authors in Germany. 

In addition to the daily work of promoting more diversity and visibility for African publications in the literary world, InterKontinental also includes the InterKontinental Association (InterKontinental e.V.), through which readings, workshops, and book premieres are organized. 

Moreover, for the past six years, InterKontinental e.V. has been hosting the African Book Festival every summer. This year, for the first time, the festival took place in Berlin-Mitte from June 28 to June 30 in a queer edition. The festival focused on love and raising awareness about the persecution of queer-gendered and queer-sexual people worldwide. African authors, artists, and activists from the LGBTQIA+ community were celebrated and given a multimedia stage. 

Between various panels featuring readings, discussions, poetry performances, and live music, visitors could enjoy food and drinks from various African countries and cultures at the outdoor market in the courtyard, shop for items, and later purchase books, including those discussed on the panels, in the on-site bookstore. Authors like Francesca Ekwuyasi, Jude Dibia, Mecca Jamilah Sullivan, Musih Tedji Xaviere, Nora Bendzko, Kim Windvogel, Siya Khumalo, A. Igoni Barrett, Sami Ellis, and Khanyisa Mnayaka contributed to the diverse panels with their live presentations. 

Diversity lived, loved, celebrated 

The festival kicked off on Friday, June 28, with a range of events, such as Book Speed Dating, where visitors could meet the authors and get to know their works, followed by a concert by Noah Slee. After many exciting panels, the festival concluded on Sunday, June 30, with the screening of the documentary I’m Not Your Negro by Raoul Peck, which presents James Baldwin’s perspective on the Civil Rights Movement of the 1950s and 60s in the US. 

Before the screening, visitors had the chance to participate in the panel discussion 100 Years of James Baldwin: On the Art of Translating Love. Guests Aminata Cissé Schleicher, Miriam Mandelkow, and René Aguigah were guided through the discussion by host Chiponda Chimbelu. At the start of the panel, the participants agreed that Baldwin, in his works, didn’t address racism directly; rather, it emerged through the relationships he depicted within society. 

The guests also highlighted Baldwin’s melodious writing style, shaped by the rhythm of language, and the existential weight at the end of his sentences. Readers of Baldwin’s texts are frequently confronted with the question of who exactly his individual sentences are directed towards. 

As the discussion progressed, René described the reason for Baldwin’s resurgence in popularity, particularly on social media, as due to his iconic presence and his «quotable calendar-phrase material«, which also emphasizes Baldwin’s talent as a gifted writer. 

Mandelkow, who has translated many of Baldwin’s works into German and has thus engaged deeply with his person, quoted Baldwin with the words: «Gay is a verb. It’s something I do, not who I am.« She described Baldwin as someone who seemed to have little struggle with his own homosexuality, accepting his sexual orientation as a given. For Baldwin, it was more about demonstrating love for people and the courage to actively love. 

As the panel concluded, many attendees likely left feeling even more connected to Baldwin, both as a writer and as an activist for freedom and equality. In the end, many left the festival energized and uplifted, perhaps with a queer-African book or two in hand. 

Chiara studiert seit dem Wintersemester 23/24 Psychologie im Master. Seit dem Sommersemester 2024 ist sie Teil der Albrecht-Redaktion und des Social Media Teams.

Share.
Leave A Reply