Sauna im Hörnbad: Eine Abrechnung

Bunte Blätter fallen, graue Nebel wallen und die Saunasaison beginnt. Es wird sich mit einer Tasse Tee in der Hand in flauschige Decken gehüllt, kollektiv Kerzen angezündet und Pumpkin Spice feiert in prozessierten Lebensmitteln seine Hochphase. Oder: Mensch verabredet sich zu Spaziergängen im Licht der tiefstehenden Herbstsonne, die sich zunächst durch die allmorgendlichen Nebelschwaden kämpft, um anschließend die letzten an den Bäumen verbliebenen Blätter im gelben, orangenen und roten Licht erstrahlen zu lassen. Bei solch einer Szenerie kommt es einigen wärmeliebenden Personen, die keine Scheu vor öffentlicher Nacktheit haben, in den Sinn, sich in die Sauna ihres Vertrauens zu begeben.  

In Kiel liegt diese – vielleicht aufgrund der Zentralität der Lage und/oder auch des absoluten preislichen Knallers von 12,50 Euro für eine Tageskarte – im Wellnessbereich des Hörnbads. Und darin liegt schon das Problem. Es könnte nun vermutet werden, dass aufgrund des Settings eines öffentlichen Bades mit alten Fliesen, verschmodderten Armaturen und Haaren in allen Farben und Formen an den unterschiedlichsten Orten zu rechnen sei. Dem ist nicht so. Stattdessen begegnet einem ein sehr gepflegter und Anfang 2019 fertiggestellter Wellnessbereich mit einer 60, 75 und 90 Grad Sauna sowie einem Dampfbad, Ruhebereich, Whirlpool und Eisbecken auf dem Dach des Hörnbads. 

Körperkontakt? Nein, danke! 

Ungeachtet des modernen Ambientes bestehen leider einige bauliche Besonderheiten, die für den friedvoll erholungssuchenden Saunierenden bereits direkt nach Betreten des Wellnessbereichs eher negativ auffallen. Etwa der extrem eng konzipierte Gang, in dem mensch sich entlang an anderen teil- beziehungsweise vollständig Textilbefreiten vorbeizwängen muss, um in die genderneutrale Umkleide zu gelangen. In eben jenem Gang befinden sich zusätzlich die Spinde, weshalb sich dort eigentlich immer jemand aufhält. Ungewollter Körperkontakt: vorprogrammiert. 

Es stellt sich unweigerlich die Frage: Hätte dieser Gang nicht einfach einen Meter breiter geplant werden können? Am dafür nötigen Platz hätte es auf keinen Fall gemangelt. Denn die daran anschließende, großzügig geschnittene Dachterrasse hätte einem der Architekt*innen des Planungsbüros die Möglichkeit geboten, durchaus generös einen Meter davon abzugewinnen und dem ungewollten Körperkontakt im Umkleidebereich damit vorbeugen zu können. 

Aber nein. Es scheint nicht nur an dieser Stelle gleich mehreren Verantwortlichen durch die Lappen gegangen zu sein, dass sich Entspannungssuchende in diesem Setting sich mit mehr Möglichkeit zur Wahrung der Intimsphäre hätten wohlerfühlen können. Den gleichen Fauxpas landeten die Planer*innen ebenfalls auf der gegenüberliegenden Dachterrassenseite bei einem teiloffen gestalteten Gang, der einerseits Zugang zu den Saunen bietet und andererseits in einem halbgeöffneten Design Haken für Handtücher zur Verfügung stellt. Fürs architekturaffine Auge schick gemacht, aber wieder mal viel zu schmal. Hier bilden sich nämlich, gerade zu den Primetime-Aufgusszeiten, Staus nackter Menschen, die sich aufgeheizt und schweißtriefend aneinander vorbeischlängeln wollen, um entweder aus der Sauna zu ihrem Handtuch oder vom Handtuchhaken in die Sauna zu kommen. Ein idealer Ort für Personen, die Freude daran haben, sich anderen ungewollt zu nähern. Lovely. 

Ein Ort zum (Be)Staunen 

Ein weiterer skurriler Fund des Hörn-Wellnessbereichs ist das Eisbecken, welches sehr zentral auf der Dachterrasse und bis vor Kurzem noch ohne Sichtschutz positioniert worden war. Die die Leiter emporkletternden Personen mussten ihre nackte Rückseite den auf Liegen Ruhenden präsentieren, um kurz ins kühle Nass abtauchen zu können. Offensichtlich wurden die Gebete (oder Beschwerden) erhört, denn nun säumt ein hölzerner Sichtschutz den Einstieg zum Becken. Immerhin etwas. 

Bei den angrenzenden, halboffenen Außenduschen bietet sich erneut die Möglichkeit, dass ungewollt in die intime Distanzzone eingedrungen wird oder mensch das ohne böse Absichten selber tut. Personen, die auf eine freiwerdende Dusche warten, stehen meist im Weg, wenn andere gerade geduscht und splitterfasernackt zu ihrem an der Duschwand hängenden Handtuch zurückwollen.  

So ein Saunabereich, egal ob in Therme, Fitnessstudio oder Freizeitbad sollte immer ein Safe Space sein, in dem sich alle, die sich in eine textilfreie und dadurch vulnerablere Situation begeben, wohlfühlen sollen. Der offensichtlichste Schritt dazu ist, eine Umgebung zu schaffen, in der das möglich ist.  

Chiara studiert seit dem Wintersemester 23/24 Psychologie im Master. Seit dem Sommersemester 2024 ist sie Teil der Albrecht-Redaktion und des Social Media Teams.

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