Wie Pohlmann mir Gewissensbisse gibt

Ich liebe den Sommer. Im Sommer wird alles besser. „Wenn jetzt Sommer wär’, dann würd’ ich ab ans Meer“, singt Pohlmann in meinem Kopf. Jetzt scheint die Sonne, ich liege mit meinem Handy im Bett und ich möchte einfach liegen bleiben. Aber irgendwie fühlt sich das falsch an. Ich kann doch bei diesem Wetter nicht drinnen sitzen. In meinem Kopf singt Pohlmann weiter: „Und wenn bei dir jetzt gerade Sommer ist und du zu Hause sitzt und nich’ raus gehst, weil du mal wieder vorm TV klebst.“ Ich fühle mich angesprochen. Ich fühle mich schuldig. 

Ich begebe mich in Abwehrposition, denn sind wir mal ehrlich: So schön der Sommer auch sein mag, meine Erwartung an den Sonnenschein, nämlich mich anzutreiben, wird nicht erfüllt. Die Hitze macht mich träge, ich habe keinen Appetit, trinke nicht mal ansatzweise die empfohlene Wassermenge (Stay hydrated!). Für meine Gewissensbisse ist es natürlich nicht förderlich, dass die Tage so lang sind, ich bis 22 Uhr noch aus dem Fenster schaue und mir einrede, ich sei unproduktiv. 

Die Sonne gibt mir FOMO – fear of missing out. Was verpasse ich alles, wenn ich nicht rausgehe? Für wen habe ich eigentlich ein schlechtes Gewissen? Für mich, für meine Freunde? Stopp. Ich bin das Problem. Und vielleicht auch Pohlmann. Wir beide sind das Problem. 

Ich zapfe mir ein lauwarmes Leitungswasser, stecke mir für das Gefühl einen Strohhalm ins Glas und genieße meine Pause. Drinnen. Trotz Sonnenschein. 

Aber dieses Innehalten bringt mich zum Nachdenken. Woher kommt eigentlich dieses ständige Gefühl, etwas zu verpassen? Ist es wirklich die Sonne, die mir ein schlechtes Gewissen macht, oder doch eher der ständige Blick auf Instagram, wo alle meine Freunde scheinbar ununterbrochen Spaß haben? In meiner Timeline sehe ich Strandbilder, Selfies aus dem Freibad, Picknickdecken im Park und fröhliche Gesichter. Überall sehe ich Aktivitäten, die scheinbar nur draußen bei strahlendem Sonnenschein stattfinden können. Kein Wunder, dass ich mich drinnen schlecht fühle. 

FOMO – die Angst, etwas zu verpassen – ist ein Phänomen unserer Zeit. Besonders durch die sozialen Medien wird diese Angst ständig genährt. Doch wir sollten uns bewusst machen, dass das, was wir dort sehen, oft nur ein Ausschnitt der Realität ist. Niemand postet Bilder von den Momenten, in denen er einfach nur auf dem Sofa liegt und nichts tut. Aber auch diese Momente sind wertvoll und wichtig. 

Aber ist es wirklich notwendig, jeden Moment des Sommers auszunutzen, nur weil das Wetter schön ist? Was wäre, wenn ich einfach akzeptiere, dass es okay ist, auch mal nichts zu tun? Vielleicht brauche ich diese Ruhepausen, um meine Batterien wieder aufzuladen. Und ist es nicht auch in Ordnung, den Sommer auf meine eigene Weise zu genießen, ohne den Druck, immer dabei zu sein? 

Der Druck, ständig etwas erleben zu müssen, kommt nicht nur von außen. Oft sind wir es selbst, die uns diesen Druck auferlegen. Wir vergleichen uns ständig mit anderen und vergessen dabei, dass jeder Mensch anders ist und andere Bedürfnisse hat. Während die einen es lieben, den ganzen Tag draußen zu verbringen, gibt es andere, die sich drinnen genauso wohl fühlen. Das ist vollkommen in Ordnung.  

Ich nehme noch einen Schluck von meinem lauwarmen Leitungswasser und lächle. Ja, der Sommer ist schön. Aber er ist noch schöner, wenn ich ihn auf meine Weise genieße, ohne ständig das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Und wenn ich das nächste Mal wieder Pohlmann in meinem Kopf singen höre, werde ich einfach mitsingen und dabei ganz entspannt auf meinem Bett liegen bleiben. Denn das ist mein Sommer, und ich werde ihn genießen – ohne FOMO. 

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