Warum Femizide endlich sichtbar gemacht werden müssen
Aus kriminalpolitischer Perspektive rücken Femizide besonders in den Fokus. Ein Femizid beschreibt die Tötung einer weiblichen oder weiblich gelesenen Person aufgrund ihres Geschlechts.
Dieses Phänomen entsprießt geschlechtsspezifischer Ungleichwertigkeit, häufig wenn internalisierte patriarchalische Verhaltenswertungen durchbrochen werden. Im Lichte des fortwährenden abschlägigen Umgangs mit Femiziden darf die Ahndung solcher Taten nicht stiefmütterlich erfolgen. Gleichwohl muss diese Problematik hinreichend sichtbar gemacht werden, damit es gesellschaftlich Anklang findet und die feminine Resilienz abgehärtet wird. Das Zusammenkommen verschiedener, tiefgreifender und frauenfeindlicher Wurzeln in der Gesellschaft führt dazu, dass es einer speziellen Benennung dieser Fälle bedarf, um nunmehr Gewalthandlungen im Zusammenhang mit Trennung und Partnerschaft festzustellen. Zur Unterbindung solcher Gewalttaten kommt in Betracht, Femiziden mit einer Erweiterung der Mordmerkmale um ›geschlechtsspezifische Beweggründe‹ zu begegnen.
In Deutschland werden Femizide derzeit gemäß § 212 StGB (Totschlag) oder § 211 StGB (Mord) strafrechtlich verfolgt. Eine Verurteilung wegen Mordes setzt das Vorliegen eines der acht gesetzlich normierten Mordmerkmale voraus. Tödliche geschlechtsspezifische Taten sind der tragische Ausfluss von misogyn geprägten Strukturen, welche die Frau unterdrücken, und sind als besonders schwerwiegend einzustufen. Es erfordert eine restriktive Auslegung der Mordmerkmale, was sich in ihrer Würdigung niederschlagen sollte, um ein angemessenes Verhältnis zwischen der Strafe und dem begangenen Unrecht zu gewährleisten.
Bei Femiziden sind insbesondere die Merkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe bedeutend, da diese die geschlechtsspezifische Verknüpfung der Täter-Opfer-Beziehung herstellen können.
Derzeitige Rechtslage
Heimtückisch handelt, wer die Arg- und daraus folgende Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst ausnutzt, um das Opfer zu töten. Im Rahmen von Femiziden fühlt sich der Täter jedoch meist physisch überlegen und setzt direkte Gewalt gegen das Opfer ein, sodass in den meisten Fällen nicht von Heimtücke auszugehen ist. Nach geltendem Konsens der Rechtsprechung liegen niedrige Beweggründe vor, »wenn die Tat nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist«. Enttäuschenderweise entschied der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung etwa, dass Eifersucht aufgrund einer Trennung oder absehbaren Trennung – als wiederholtes Motiv von Femiziden – aufgrund normalpsychologischer Motivlagen nachvollziehbar sein kann und das Mordmerkmal somit nicht einschlägig ist.
So wird deutlich, dass die Anwendung der Mordmerkmale grundsätzlich möglich ist, jedoch meist aufgrund der dargelegten rechtlichen Bewertung unterbleibt. Femizide dürfen mithin nicht als ›Eifersuchtsdramen‹ abgetan werden, sondern sind als Tötung von Frauen, eingebettet in die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern, zu verstehen. Um dieser Lücke ein strafrechtsspezifisches Verständnis zu verschaffen, gilt es auch, gesellschaftliche und rechtliche Wertungen heranzuziehen sowie sich dieser anzunähern und sie juristisch zu unterstreichen.
In Jurist*innenkreisen wird die Ergänzung um ein neuntes Mordmerkmal in § 211 StGB diskutiert. Doch bevor ein Rückgriff auf eine Erweiterung der Mordmerkmale vorgenommen wird, sollte das entscheidende Problem in der fehlenden Sensibilität der Justiz gesehen werden.
Sensibilisierung der Gerichte
Femizide sind von extremer Sozialschädlichkeit geprägt und stehen nach umfassender Würdigung auf sittlich tiefster Stufe, sodass sie mit nötiger Rücksicht auf den individuellen Einzelfall, mit der härtesten in unserem Rechtsstaat vorgesehenen Strafe bestraft werden müssen. In gegenwärtiger Ausgestaltung gestattet § 211 StGB, Femizide dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zuzuordnen, wobei auch die Justiz die geschlechterbezogene Dimension und damit die verwerfliche Gesinnung des Täters erkennen muss. Statt die emotionale Situation des Täters strafmildernd zu berücksichtigen, ist die patriarchale Besitzkonstruktion hinter einer Trennungstötung anzuerkennen.
Wenngleich die tatsächliche Umsetzung eines neunten Mordmerkmales streitig ist und daher dahinstehen kann, bleibt zu hoffen, dass die Justiz die Illusion der Immunität von Täter*innen gegen geschlechterspezifische Ungleichwertigkeiten überwindet und künftig eine sensibilisierte Prüfung von Femiziden vornimmt. Die Hervorhebung der Frauenrechte muss sich reifend verdichten; denn ›wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht‹ (Bertolt Brecht).
Tugba studiert Jura an der CAU und ist in der Examensvorbereitung. Seit WiSe 2024 ist sie beim ALBRECHT, wo sie neben ihrem Schwerpunkt im Wirtschaftsrecht gerne Themen rund um feministische Rechtspolitik anreißt.