Projektstelle Studentischer Raum stellt ihre Ergebnisse vor
Die letzten eineinhalb Jahre haben Julian Schüngel und Carlotta Tiedemann die Projektstelle Studentischer Raum geleitet. Beendet haben sie ihre Zeit mit einem 42-seitigen Bericht über den Bedarf nach »Studentischem Raum« an der CAU-Kiel und einer dazugehörigen Vollversammlung, bei der sie den Bericht vorstellten. Das Ergebnis über den Stand des studentischen Raumes war eindeutig und simpel: Schlecht. Zusammen mit ihnen haben wir über den Bericht, ihre Arbeit und ein zukünftiges Studierendenhaus gesprochen.
Wo ist Platz für Studierende?
Wo ist Platz an der Uni zum Treffen für Gruppenarbeiten? Wo ist ein Platz, um sich zwischen zwei Vorlesungen zurückzuziehen und Energie zu tanken? Diese Fragen stellen sich viele Studierende, wenn sie auf dem Campus unterwegs sind. Denn das, was an der Uni offensichtlich fehlt, ist Platz für Studierende. »Alles, was nicht Lehre ist, ist studentischer Raum«, so Carlotta. »Das ist die Mensa, das sind Orte für Pausen, Treffen, Aktivismus, Fachschaften, Sport und Hochschulgruppen!« Und davon gibt es zu wenig. Keinen Platz in der Bib zu finden und unverrichteter Dinge wieder umzukehren, ist wahrscheinlich ein universelles Erlebnis im Verlauf des Studiums in Kiel. Kein Wunder, denn die Unibibliothek hat Plätze für 1 300 Leute, das sind gerade mal 4 Prozent aller Studierenden der Uni.
»Oft heißt es, dass Studierende immer nur wollen«, erzählt Julian dazu. Während Angestellte an der Uni nach größeren Büros fragen, werden die Interessen der Studierenden oft übergangen. Ob das aus Unwissenheit oder Ignoranz passiert ist, kann nur spekuliert werden. Dabei darf die Relevanz der Studierenden nicht in Vergessenheit geraten. Denn ohne die Studierenden gibt es keine Uni und auch keine Arbeits- und Forschungsplätze und ganz sicher nicht die Möglichkeit für größere Büros. Das wirft die Frage auf: «Wem gehört die Uni?« Diese wurde auch ein bisschen zum Motto der Projektstelle. Um die Missstände aufzuzeigen und die Aufmerksamkeit der Uni zu bekommen, entschieden sich die beiden dafür, eine Erhebung zu starten. Mit 3 134 beteiligten Menschen wurde diese am Ende die Umfrage an der Uni Kiel mit der größten Beteiligung – jemals. Und das hatte Wirkung. Schon bei den ersten Zwischenergebnissen, die ein schlechtes Licht auf die Uni warfen, wurden einige Angestellte an der Uni aufmerksam. Vielleicht ist ja doch etwas dran, an dem Gemecker der Studierenden.
»Wie ein Schrei nach Hilfe«
Die Ergebnisse der Umfrage werfen ein schlechtes Licht auf die Uni. Die Uni ist für die meisten nur ein Ort zum Lernen. Mehr nicht. Schnell hin zum Seminar und direkt danach wieder nach Hause oder in die Bib, wenn da Platz ist. Nur die Sportangebote scheinen ausreichend zu sein. Der Rest der bewerteten Uniangebote wird nicht mal von 50 Prozent der Teilnehmenden als gut oder sehr gut bewertet. Damit hören sich die Ergebnisse noch besser an, als sie tatsächlich sind.

Gewünscht werden sich unter anderem besseres WLAN, mehr Steckdosen, Aufenthaltsräume – die nicht zum Lernen, sondern zum Treffen von Menschen vorgesehen sind – mehr Kunst und Kultur, bessere Sichtbarkeit von Hochschulgruppen und längere Öffnungszeiten der Mensen. »Mir taten die Antworten aus dem Feld für freie Antworten weh. Das war wie ein Schrei nach Hilfe«, rekapitulierte Carlotta die Antworten der Studierenden. Dabei zeigen die Ergebnisse auch, dass sich viele Studis vorstellen können, aktiver auf dem Campus aber auch im Uni-Leben zu sein, wenn der Campus das hergeben würde. »Stellt euch mal vor, 1 000 Leute davon würden sich an der Uni engagieren. Was für ein geiler Ort die Uni werden könnte«, fantasiert Carlotta über die Möglichkeiten von mehr studentischem Engagement.
Die fehlenden Räumlichkeiten machen auch den Hochschulgruppen zu schaffen. Insgesamt haben neben dem ALBRECHT nur drei weitere Gruppen einen festen Raum zur Verfügung. Dazu zählt auch das Campusradio, die im Untergeschoss des Sechseckbaus sitzen, aber die Toiletten im Gebäude nicht benutzen oder betreten dürfen. Oder die Theatergruppe, die in den Räumlichkeiten über der Mensa I proben und auftreten muss. Ihr eigentliches Zuhause – das Obergeschoss im Sechseckbau – ist restaurierungsnötig, aber weder Uni noch Studentenwerk kümmern sich drum. Dabei war der Sechseckbau früher das Herz des Unilebens, des Aktivismus und der Uni-Politik. Abseits der Erstimesse gibt es am Campus wenig Möglichkeiten für Hochschulgruppen, auf sich aufmerksam zu machen. Vielleicht einer der Gründe, warum viele Hochschulgruppen Probleme haben, neue aktive, engagierte Studis zu finden.
Überraschend erreichte Carlotta und Julian auch irgendwann eine Mail einer Fachschaft. »An die Fachschaften haben wir am Anfang der Erhebung gar nicht gedacht. Wir hatten gedacht, dass das ja vom jeweiligen Institut geregelt wird«, äußerte sich Julian dazu. Aber auch hier stellte sich heraus, dass es selbst für Fachschaften nicht immer genug Raum an der Uni gibt. Laut der Auswertung haben sieben der 42 Fachschaften keinen Raum zur Verfügung. Dazu sind auch rund die Hälfte der Fachschaften, die einen Raum haben, aufgrund von fehlendem Wasser, Strom, Heizung oder fehlendem WLAN unzufrieden.
Am Ende fehlt das Geld
Die Schlüsse, die sie aus den Ergebnissen ziehen, sind offensichtlich. Zum einem muss die Uni mehr Arbeitsplätze schaffen. Am besten verteilt auf die einzelnen Gebäude und auch in den Neubauten mitplanen, was die Uni laut eigener Aussage tut. Zum anderen empfehlen sie ein Studierendenhaus. Ein Ort, an dem es genug Raum für Hochschulgruppen, Gruppenarbeiten, Menschen treffen und vieles mehr geben kann. Ein Blick zu anderen Studierendenhäusern zeigt, was alles geht. Studentisch geführte Cafés, Kräutergärten und vieles mehr. Auch deswegen werfen Carlotta und Julian einen Blick nach Vancouver und Kassel. Zwei Unis, an denen der Raum für Studierende gebaut wurde. »In Süd- und Nordamerika ist das komplett normal, dass es auf jedem Campus Studierendenhäuser gibt. Auch in Dänemark und den Niederlanden gibt es welche. Das es so etwas hier nicht gibt, ist irgendwie so eine deutsche Eigenheit«, macht Julian deutlich.

Auch eine Idee für den Ort haben sie bereits. Die Mensa II soll umziehen und das Gebäude biete sich an, umgebaut zu werden. Am Ende wartet das Totschlagargument: Geld. Das Land Schleswig-Holstein hat Sparmaßnahmen in die Wege geleitet. Budget für ein Studierendenhaus ist da nicht mehr drin. Auch deshalb haben Carlotta und Julian einen Blick nach Kassel und auf das dortige Studierendenhaus geworfen. In Kassel war Geld auch das Problem. »Aber irgendwann wird es Investitionen geben und dann wird sich gefragt: Wohin mit dem Geld? Dann muss die Schublade aufgehen mit dem fertigen Konzept fürs Studierendenhaus plus den Beweis, wie schlecht es um studentischen Raum an der CAU steht«, bietet Carlotta als Lösung dafür. Ähnlich sei es auch in Kassel gelaufen. Finanziert wurde das Vorhaben mit einem Konjunkturpaket. Natürlich gäbe es auch noch andere Wege. »Ein Studierendenhaus selbst zu bauen, ist nicht die Aufgabe der Studierenden. Gesponsert würde auch gehen, aber möchten wir ein Rolex-Studierendenhaus haben?«, meint Julian dazu.
Die Vollversammlung als Sinnbild des Problems
Überraschend wenig war bei der Vollversammlung los, bei der die Projektstelle Studentischer Raum ihre Ergebnisse vorgestellt hat. Das Audimax war gerade mal zu einem Drittel gefüllt. Zumindest waren von den geladenen Gäst*innen mehr als erwartet da. »Das zeigt auch, dass wir die Aufmerksamkeit bekommen haben, die wir wollten«, so Carlotta. Und trotzdem etwas enttäuschend, dass sich anscheinend in der Studierendenschaft so wenig Leute dafür interessieren. Gleichzeitig ist dies auch ein Sinnbild des Problems, denn wer kommt extra an die Uni für eine Vollversammlung zum Thema Studentischer Raum, wenn die Uni nur als ein Raum des Lernens wahrgenommen wird. An einer Onlinebefragung teilzunehmen, ist viel weniger Aufwand. Ein Teufelskreis, den das Studierendenhaus durchbrechen soll. Die Uni soll wieder ein Raum für Gefühle, Kultur, Politik und vieles mehr werden.
Nach der Zeit in der Projektstelle heißt es auch zurückzuschauen. »Das Ziel haben wir erreicht. Die Leute, die am Ende über das Geld entscheiden, kennen uns jetzt und das Projekt und die Daten«, zieht Julian als Resultat. Auch Carlotta stimmt ihm zu. Weiter geht es bei der Projektstelle mit zwei neuen Gesichtern. Helena und Verena führen die Projektstelle in die neue Phase, in der es um die genauere Planung des Studierendenhauses geht.
Joschka studiert seit dem Wintersemester 20/21 Soziologie und Politikwissenschaft und ist seit Ende 2022 Teil des Albrechtsteams. Dazu leitet er seit dem März 2023 das Layoutteam und ist seit Februar 2024 stellvertretende Chefredaktion.