Ganze elf Minuten All. In der Zeit, in der ich neben meinem Topf Fussili stehe und warte, dass sie endlich fertig sind, fliegen andere ins Weltall. 93 Tonnen CO₂ nur, um eine tiefere Verbundenheit mit der Erde zu spüren. Wie toll! Und damit ist Katy Perry nicht allein. Jeff Bezos liebt seine Spacetaxi-Firma und sendet immer wieder Promis für PR-Zwecke gen Himmel. Alles natürlich, um Menschen die Möglichkeit zu geben, die Erde kurz zu verlassen und zu verstehen, wie wichtig unser blauer Planet doch eigentlich ist.
Was man sonst noch mit elf Minuten anstellen kann? Alle Punkte im Koalitionspapier der kleinen GroKo lesen, die sich um das Thema Klima, erneuerbare Energien und emissionsarmen Verkehr drehen. Mehrmals, denn viel ist es nicht. Gleichzeitig überschreitet die durchschnittliche Erderwärmung erstmalig die 1,5-Grad-Grenze, Ernteausfälle drohen dank fehlenden Regens sowie ausgetrockneten Böden und regelmäßig wird ein Monat zum wärmsten Monat aller Zeiten gekürt.
Kopf in den Sand stecken
Allem Anschein nach steht es nicht gut ums Klima. Also warum noch was machen? Warum auf die Straße gehen und für eine bessere Klimapolitik kämpfen? Warum säuberlich meinen Müll trennen und unverpackt einkaufen? Was bringen meine kleinen Handlungen eigentlich im Vergleich zum Rest? Es scheint doch eh, als würden wir den Karren gegen die Wand fahren.
Diese belastenden Gefühle in Anbetracht der Klimakrise werden als Klimaangst beschrieben. Angst, Wut und Verzweiflung angesichts der unzureichenden Klimapolitik sind ein Teil, wie sich die Sorge ausdrückt. Aber auch Scham und Schuldgefühle aufgrund des eigenen, als unzureichend angepasst empfundenen, Lebensstils, Ernährung oder Konsumverhaltens. Gerade junge Menschen machen sich viele Gedanken. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2022 haben die Mehrheit der Befragten zwischen 16 und 25 Jahren klimabedingte Sorgen um die Zukunft.
Klein anfangen
Wie also geht mensch mit der Klimaangst um? Ansätze gibt es dafür verschiedene. Grundsätzlich hilft eine Medienpause. Die Berieselung durch Reels, TikToks oder Push-Benachrichtigungen über die nächste schlechte Entwicklung oder Studie führt dazu, sich belastet von der Umweltzerstörung zu fühlen. Wer sich weiter, wieder oder zum ersten Mal aktivistisch engagieren will, sollte sich überschaubare Ziele setzen. Wenig ist demotivierender als der Versuch, den Klimawandel von heute auf morgen zu stoppen. Auf lokaler Ebene gibt es viele Gruppen und Vereine, die sich vor Ort für eine nachhaltigere Zukunft einsetzen.
Gleichzeitig hilft auch ein offenes Gespräch mit Gleichgesinnten über die Ohnmachtsgefühle. In Kiel bieten beispielsweise die PsychologistsforFuture jeden letzten Freitag ein Klima-Café im COBL an. Auch die Auseinandersetzung mit Gefühlen kann einen weiterbringen. Wodurch Angst, Wut, Traurigkeit, Scham, aber auch Freude in Bezug auf Klimawandel ausgelöst wird und welche positiven und negativen Möglichkeiten damit einhergehen, zeigt, was außerhalb der eigenen Kontrolle liegt. Hierzu gibt es unter anderem von den PsychologistsforFuture 14 Strategien, um die eigene Klima-Resilienz zu fördern.
Eine einfache Lösung?
Klimaangst zu haben, bedeutet also nicht, einfach aufzugeben. Denn angesichts der Größe des Problems zu kapitulieren, hilft weder gegen den Klimawandel noch gegen die Angst davor. Ein Blick auf die Zahlen lässt auch erahnen, dass schon einiges passiert ist. Erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch, Arbeitsplätze in nachhaltigen Bereichen sind auf einem Allzeithoch, Gerichte in der EU und Deutschland geben Klagen für mehr Umweltschutz recht und Den Haag verbietet Werbung für verschmutzende Services und fossile Brennstoffe in der Stadt.
Das alles wurde trotz oder gerade wegen der Sorge um den blauen Planeten erreicht. Weil Menschen auf die Straße gehen oder vor Ort Politik mitgestalten, die auch an die kommenden Generationen denkt. Und das ganz ohne PR-Flug ins All oder dem Wegignorieren im Koalitionsvertrag.
Am Ende gibt es auch noch einen Tipp, wie Klimaangst und Klimawandel am besten bekämpft werden kann: mit einer konsequenten Klimapolitik.
Joschka studiert seit dem Wintersemester 20/21 Soziologie und Politikwissenschaft und ist seit Ende 2022 Teil des Albrechtsteams. Dazu leitet er seit dem März 2023 das Layoutteam und ist seit Februar 2024 stellvertretende Chefredaktion.