Mit „Rachel Rising“ denkt Terry Moore das Horrorgenre und Geschlechterverhältnisse gleichermaßen neu

„Wie kommt es, dass sie gut über Frauen schreiben können?“, wird die von Jack Nicholson verkörperte Figur des zynischen Schriftstellers in der Komödie Besser geht’s nicht gefragt: „Ich stelle mir einen Mann vor und subtrahiere Verstand und Zurechnungsfähigkeit.“ In den Neunzigern war das ein großer Lacher, der auch heute noch eine valide Erkenntnis in sich trägt – gelingen einem Mann komplexe Frauenfiguren, scheint dies exponiert erwähnt werden zu müssen. Reiner Blödsinn natürlich. Ohnehin gibt es keinen Grund anzunehmen, Männer würden auf eine spezifische Weise über Frauen schreiben oder andersherum. Was es aber sehr wohl gibt, sind Autoren (Maskulinum), deren Werk eine genuine Interpretation des Geschlechterverhältnisses zu entnehmen ist – was besonders dann aufsehenerregend ist, wenn es sich dabei mal um keine männliche Allmachtsphantasie handelt. Rachel Rising von Terry Moore ist so ein Fall.

01 RachelGute Hexe, böse Hexe – einseitig gespielt

Es geschehen seltsame Dinge in der neuenglischen Kleinstadt Manson (schon der Name lässt Böses erahnen): Die Freundinnen Rachel und Jet scheiden gewaltsam aus dem Leben, kehren aber umgehend ohne Pulsschlag wieder von den Toten zurück. Ein Dämon ergreift Besitz von der impertinenten, zehnjährigen Zoe und zwingt sie zu immer ausgefalleneren Morden. Die hünenhafte Lilith entpuppt sich als Hexe, die nach Rache dürstet, seit ihr vor 300 Jahren in Manson der Prozess gemacht wurde. Moore weiß, dass das Übersinnliche um mehr als plumper Schockeffekt oder reiner Eskapismus zu sein einer Erdung in der Figurengestaltung bedarf. So fungiert die tiefe Verbundenheit zwischen Rachel und Jet, die über den Rahmen des Freundschaftlichen hinausgeht, als emotionales Zentrum des alptraumhaften Geschehens. Und wenn das verzogene Gör Zoe sich selbst von einem Dämon nicht einschüchtern lässt und ihn anpöbelt, er solle seinen Scheiß doch alleine machen, ist dies das emanzipatorisch-rotzige Zerrbild des besessenen Kindes, das mit Der Exorzist Einzug in die Populärkultur gehalten hat. Lilith hingegen ist einfach nur wütend. So wie der alttestamentarische Gott wütend auf Ägypten war, bevor er ihnen die Plagen schickte.

Rage against the Patriarchat

Im Vergleich dazu wirken die Männerfiguren wie eine Art Blinddarm – ein archaisches Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, dessen Funktion sich überlebt hat. Der von Zoe und Lilith ausgehenden Bedrohung begegnen sie zumeist mit der reaktionär-patriarchalischen Gewalt, die sie die traditionellen Gesellschaftsmuster gelehrt haben. Nur ist diese gegen die mythischen Kräfte der Frauen denkbar wirkungslos und entlarven die brutale Erbärmlichkeit der Aggressoren. Natürlich ist Moore zu klug, um in einen affektierten und letztendlich ebenso reaktionären „alle Männer sind Schweine“-Modus zu verfallen, doch auch die positiven Charaktere stehen hier auf verlorenem Posten. Wie etwa der teddybärige Leichenbestatter Earl, ein melancholischer Riese, der hoffnungslos in Jet verliebt ist: Wenn er ihr an der Leichenbahre die untote Hand hält, um sie wenigstens einen Rest menschliche Wärme spüren zu lassen ist das ein Moment, wie er anrührender nicht sein könnte. Gleichzeitig kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, hier den finalen Austausch zwischengeschlechtlicher Zärtlichkeit zu sehen. Es wäre ein schöner Abschluss.

Terry Moore: Rachel Rising Bd. 2: Das Böse in dir. Schreiber&Leser. 126 Seiten (s/w), Softcover. 14,95 Euro.

Comics des Monats

02 Moon KnightMoon Knight
Titel: Moon Knight Bd. 1: Aus dem Reich der Toten
Autor: Warren Ellis (Skript) und Declan Shalvey (Zeichnungen)
Verlag: Panini Comics. 136 Seiten (farbig), Softcover. 16,99 Euro.

Der Moon Knight ist eine eher obskure Randgestalt aus dem Marvel-Universum, ein Söldner der einst in Ägypten unter der Statue des Mondgottes Khonshu sein Leben aushauchte und von diesem zurück ins Leben befördert wurde. Seitdem patrouilliert er, nächtliche Reisende beschützend, durch die Straßen New Yorks. Stets in makellosem weiß gekleidet wirkt er dabei wahlweise wie ein Fremdkörper oder eine wandelnde Zielscheibe – ein Umstand der seinen mentalen Zustand widerspiegelt, denn der Mondritter hat seine Wiedergeburt psychisch nicht allzu gut verkraftet. Nachdem die Serie in den letzten 40 Jahren mehrfach gerebootet und wieder fallen gelassen wurde, übernahm Starautor Warren „Transmetropolitan“ Ellis mit Zeichner Declan „Northlanders“ Shalvey 2014 das Ruder und führte die Figur in neue Höhen: Seine mustergültig auf den Punkt gebrachten Kurzgeschichten über den Kampf gegen randalierende Geisterpunks oder halluzinogene Leichensporen sind roh und unangepasst, narrativ und visuell aber gleichzeitig von bemerkenswerter Kunstfertigkeit. Ein Superhelden-Kleinod für Leser, die sonst keine Superhelden mögen und Ellis inspirierteste Arbeit seit dem Ende seiner Serie Planetary – und das will wirklich was heißen. (8)

03 BatmanDer Tod der Familie
Titel: Batman Bd. 3: Der Tod der Familie
Autor: Scott Snyder (Skript) und Greg Capullo/Jock (Zeichnungen)
Verlag: Panini Comics. 180 Seiten (farbig), Softcover. 16,99 Euro.

Der geneigte Leser kennt das Spiel: Alle Jahre wieder verabschiedet sich der Joker mit einem Knall aus Gotham City, nur um dann wenig später mit einer perfiden Agenda zurückzukehren. Diesmal sind ganze zwölf Monate vergangen, seit der Clownprinz des Verbrechens spurlos verschwand und nur sein operativ entferntes Gesicht an einem Tatort zurückließ. Doch nun ist er wieder da, um sein Vorhaben umzusetzen, systematisch jeden der Batman nahe steht zu beseitigen – allerdings nicht etwa, um die Fledermaus in den Wahnsinn zu treiben, sondern aus Eifersucht: Er findet einfach, dass der Superheld durch seine sozialen Kontakte zu wenig Zeit für ihn hat. Nun ist die homoerotische Komponente im Verhältnis von Schurke und Held im Genre natürlich längst keine Innovation mehr, doch der talentiertere unter den DC-Alles-Schreibern Scott Synder (American Vampire) und die alte Spawn-Haubitze Greg Capullo legen sich dankenswerterweise mal so richtig ins Zeug und hauchen dem Topos noch einmal ordentlich Leben ein. Unterstützt von Zeichner Jock (The Losers), der die Vendetta des Jokers (das passt schon namentlich gut zusammen) um einige schön abstrakt gestaltete Kurzgeschichten ergänzt, jonglieren sie virtuos mit den bekannten Motiven und präsentieren besonders mit dem Kapitel Castle of Cards (US-Batman #16) ein veritables Meisterstück: Um Batman zu imponieren hat der Joker die örtliche Irrenanstalt zum Zerrspiegel eines Königsschlosses umgebaut, durch dessen Gänge brennende Pferde galoppieren, während die Wärter einem makabren Stehblues um ihr Leben tanzen. Hätte Hieronymus Bosch Comics gezeichnet – so würden sie wohl aussehen. (9)

04 SpirouDie Leopardenfrau
Titel: Spirou und Fantasio Spezial: Die Leopardenfrau
Autor: Yann (Skript) und Olivier Schwartz (Zeichnungen)
Verlag: Carlsen Comics. 70 Seiten (farbig), Softcover. 12 Euro.

Mit Operation Fledermaus erschien 2009 das beste Album des großen franko-belgischen Klassikers Spirou und Fantasio seit das geniale Duo Tome und Janry die Serie in den 1990er Jahren abgegeben hatte. Maßgeblichen Anteil am Gelingen hatte der Ansatz, den Pagen Spirou und seinen besten Freund, den Erfinder Fantasio, in ihre Entstehungszeit zurückzuversetzen, konkret in das von der Wehrmacht besetzte Brüssel des Jahres 1942, in dem die Beiden heimlich im Widerstand agieren. Dank der neuen Perspektive und der künstlerischen Meisterschaft, mit der Zeichner Oliver Schwartz den Stil der 1940er neu interpretierte, wurde die als einmaliges Experiment gedachte Geschichte auch zu einem kommerziellen Triumph und wird nun mit zwei weiteren Bänden fortgesetzt. Deren erster – Die Leopardenfrau – spielt 1946 und beginnt mit einem handfesten Schock: Visionen eines jüdischen Mädchens, das er nicht vor der Deportation retten konnte, quälen den dekorierten Kriegsheld Spirou, der sich in den Alkohol flüchtet. Erst als die mysteriöse Titelgestalt in sein Hotel einbricht, um einen afrikanischen Fetisch zu stehlen von dem das Schicksal ihres Volkes abhängt, beginnt sein altes Abenteurerherz langsam wieder zu schlagen. Dass die Schilderung des Martyriums des Helden so viel eindrucksvoller gelingt, als die eigentliche Haupthandlung, verzeiht man gerne – nicht nur weil Schwartz seinen Stil noch einmal verfeinert hat, dass es dem Comichistoriker den Kiefer herunterklappen lässt. Den dritten Teil dieses exzeptionellen Kunstwerks mag man kaum abwarten. (8)

05 Ritter BragonAuf der Suche nach dem Vogel der Zeit
Titel: Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit Bd. 8: Ritter Bragon
Autor: Serge LeTendre/Regis Loisel (Skript) und Mallié (Zeichnungen)
Verlag: Carlsen Comics. 62 Seiten (farbig), Softcover. 12 Euro.

Das vierteilige Meisterwerk Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit (1983-87) war die späte Initialzündung für den franko-belgischen Fantasy-Comic und genießt bis heute kultische Verehrung. 1998 begannen Autor Serge LeTendre und Zeichner Regis Loisel einen zweiten Zyklus, der die Vorgeschichten der Hauptfiguren, des Kriegers Bragon und der Zauberin Mara, erzählte. Leider waren die ersten Bände, die nach Loisels Vorgaben von einem neuen Zeichner ohne erkennbaren Bruch fortgesetzt wurden, inhaltliche eine herbe Enttäuschung, da sie die biografischen Lücken in der Vita der Figuren zwar füllten, es dabei aber an Charme und Atmosphäre fehlen ließen. Erst Band 7, der Bragons Lehrjahre bei dem lebensmüden Schwertmeister Grauwolf thematisierte, ließ wieder den archaisch-fantasievollen Reiz erkennen, der die Serie ihr ursprüngliches Renommee verdankte. Im achten Teil hat sich der Protagonist nun endgültig seine Sporen verdient, auf dem Weg in die Heimat sieht er sich aber gezwungen, eine flüchtige Prinzessin vor ebenso mörderischen wie machtgierigen Sektenanhängern zu beschützen – eine schicksalhafte Begegnung, wie sich herausstellen wird. Es ist eine nicht zu unterschätzende (und seltene) Qualität, dass LeTendre und Loisel ihre frühere Leistung durch die Fortsetzung nicht (mehr) abwerten, zweierlei sei trotzdem angemerkt: 1. Von einem „Vogel der Zeit“ fehlt im Prequel jede Spur, weshalb der Titel mittlerweile ziemlich irreführend geworden ist. 2. Die klaren Seitenlayouts unterminieren die Wirkung der wild wuchernden Flora und Fauna in den Bildern. Nun gilt dieser Stil heute als modern – aber ist nicht „modern“ und nicht etwa „nett“ der eigentliche kleine Bruder von „scheiße“? (7)

06 Peter PanWiederveröffentlichung des Monats: „Peter Pan“
Titel: Peter Pan – Gesamtausgabe Bd. 1
Autor: Regis Loisel
Verlag: Egmont Comic Collection. 183 Seiten (farbig), Hardcover. 29,99 Euro.

Die Zeitspanne zwischen dem ersten und dem zweiten Zyklus vom „Vogel der Zeit“ nutzte Loisel übrigens für den Entwurf seines zweiten Großwerks, des Sechsteilers Peter Pan (ab 1990), in dem er der Frage nachging, wie der Protagonist aus J.M. Barries gleichnamigen Kinderbuch- Klassiker eigentlich ins fantastische Nimmerland gelangte. Dabei zeigt er Peter als vaterlosen Jungen aus ärmlichen Verhältnissen der sich im London des Jahres 1887 gegen die lebensfeindlichen Umstände behaupten muss: Die Straßen sind gesäumt von Pädophilen, Jack the Ripper begeht seine ersten Untaten und seine alkoholkranke Mutter würde ihren Sohn ohne mit der Wimper zu zucken gegen eine Flasche Fusel eintauschen. Es ist ein Umfeld, dass Peters Flucht ins Nimmerland zwingend notwendig erscheinen lässt, doch auch dieses Feenreich erscheint bei Loisel wesentlich archaischer (das Verhalten seiner Bewohner ist nicht selten sexuell motiviert) und gefährlicher, als man es in Erinnerung hatte. Dennoch liegt die Kunst der Erzählung im effektiven Kontrast von historischer Tristesse und fantastischer Fabulierkunst, die Meisterschaft mit der Loisel beide Aspekte beherrscht, kennzeichnet ihn als absoluten Ausnahmekünstler. Der hier vorliegende erste Teil der Gesamtausgabe enthält die – inhaltlich und formal ziemlich makellosen – Bände eins bis drei des Zyklus, ein ausführliches Vorwort zum Werdegang des Zeichners, Abbildungen der Cover, sowie ausführliche bibliografische Angaben. Einziger Kritikpunkt: Bei einer Erzählung, deren Gesamtumfang nur knapp über 300 Seiten liegt, erscheint eine Unterteilung in zwei Bände doch reichlich unnötig. (9)

07 Julian B.„Julian B.“
Autor: Dieter (Skript) und Michel Plessix (Skript und Zeichnungen)
Verlag: toonfish. 192 Seiten (farbig), Hardcover. 34,80 Euro.

Wie viel erwartet man von einem Autor, der den Namen „Dieter“ als geeigneten Künstlernamen erachtet? Eher nicht so viel, korrekt. Dennoch ist dem guten Mann mit Julian B. ein kleiner Klassiker des französischen Comics gelungen, der hier erstmals in einer Gesamtausgabe vorliegt. Die vier, ursprünglich zwischen 1989 und 1995 veröffentlichten Alben erzählen die Geschichte der Titelfigur, die es 1962 als Referent für die Öffentlichkeitsarbeit einer wohltätigen Organisation nach Afrika verschlägt, wo er Zeuge der Unterdrückung Eingeborener durch seine Landsleute wird. Jedes der folgenden drei Kapitel schildert einen neuen Abschnitt in Julians Leben mit dem stets auch ein geografischer Wandel einhergeht: Von Afrika geht es nach England, eine Flucht führt ihn nach Mexiko, das er schließlich verlässt, um im finalen Kapitel seinen verschwundenen Vater zu suchen. Während die Qualität der Skripts schwankt – Anfang und Ende des Zyklus sind am stärksten geraten – brillieren die Zeichnungen von Michel Plessix durchgehend: Von Album zu Album variiert er seinen Stil, experimentiert mit den Layouts und gewinnt seinem eigenen Können stets neue Facetten ab – holla, die Waldfee! Die Gesamtausgabe punktet zwar mit Papierqualität, Bindung und Farbgestaltung, enthält darüber hinaus aber kein Bonusmaterial, auch Angaben zur Erstveröffentlichung und eine Covergalerie fehlen. (7)

08 Marvel CollectionMarvel Comic Sammlung
Titel: Die offizielle Marvel-Comic-Sammlung
Autor: Diverse.
Verlag: Hachette Collections. Je ca. 170 Seiten (farbig), Hardcover. 12,99 Euro.

Im Zeitschriftenregal tauchen ja im Monatstakt neue Kollektionen auf (wer erinnert sich nicht gerne an das Waffenmagazin mit DVD?), die zumeist schon nach der zweiten Ausgabe wieder eingestellt werden. Umso bemerkenswerter ist die Marvel-Comic-Sammlung, die mittlerweile an der stolzen Marke von 50 Bänden kratzt. Das Konzept überzeugt augenscheinlich: Neuaufgelegte Storylines im Umfang von sechs US-Heften aus gut 50 Jahren Verlagsgeschichte, ergänzt um Vorwort, historische Einordnung, Original-Cover und sieben bis elf Seiten Bonusmaterial im Hardcover – das Preis-Leistungsverhältnis ist schon hervorragend. Über die Auswahl der einzelnen Bände lässt sich natürlich trefflich streiten, ebenso darüber, ob die Entscheidung nur Sechs-Teiler (oder zwölf Episoden in zwei Bände gesplittet) zu publizieren der Qualität nicht allzu abträglich ist. Dagegen spricht eine ganze Reihe von Perlen, die die Reihe bereits hervorbrachte: Empfohlen sei etwa die kosmische Superhelden-Klopperei Secret Wars 1 & 2, in der 1984 die populärsten Helden und Schurken des Verlags auf einem fremden Planeten gegeneinander antraten und die im Bonusmaterial mustergültig aufgearbeitet wird. Und mit der nostalgischen Ballade Spider-Man Blue von Jeph Loeb und Tim Sale (2002), in der der Netzschwinger wehmütig seine tragische erste Liebe Revue passieren lässt, gibt es sogar etwas fürs Herz. Die bisherige Trumpfkarte ist allerdings Frank Millers Daredevil: Wiedergeburt von 1986, worin der Meister noch einmal eindrucksvoll vorführt, dass er Superhelden und soziale urbane Realität zu verknüpfen vermag wie niemand sonst. Es liegt natürlich der Verdacht nahe, dass in den Archiven nicht mehr allzu viel Material dieser Güteklasse lagern kann, doch momentan ist der Querschnitt doch recht eindrucksvoll. (8)

Short Cuts

Dylan Horrocks: Sam Zabel in: Der König des Mars: Comic-Künstler Sam hat eine Schreibblockade, in seiner Not imaginiert er einen Dialog mit seiner Figur „Lady Night“. Es hätten doch so viele Leute interessante Superheldenstorys entworfen, warum ihm das nicht gelingen könnte. „Du bist nicht Alan Moore“, gibt Lady Night unverblümt zurück. Glücklicherweise gerät Sam aber an eine magische Zeichenfeder, die es ermöglicht, in die mit ihr geschaffenen Werke einzutauchen. Man liest es aus der Synopsis heraus: „Der König des Mars“ ist für Comiczeichner, was „Die unendliche Geschichte“ für kleine Jungs ist. (224 Seiten; Softcover. 19,99 Euro)

Pierre Christin/Jean-Claude Mézières: Valerian und Veronique Bd. 22: Die 1967 begonnene und erst vor einigen Jahren abgeschlossene Science-Fiction-Serie Valerian und Veronique zählt dank beseelten Zeichenstils, intellektueller Schärfe und humanistischer Grundhaltung zu den großen Klassikern des französischen Comics. Mit Souvenirs der Zukunft kredenzen Autor Christin und Zeichner Mézières noch einmal neun Kurzgeschichten, in denen sie markante Figuren und Situationen der Serie wieder aufgreifen und weiterspinnen. Ein schönes Geschenk ist das. (56 Seiten; Softcover. 12 Euro)

Diverse: Mouse Guard: Legenden der Wächter Bd. 2: Die liebevoll gezeichnete Serie um eine Art mittelalterliche Mäusegilde erweitert ihren Kosmos mit einer Kurzgeschichtensammlung, die von wechselnden Autoren und Zeichnern in unterschiedlichsten Stilen umgesetzt wird. Dies geschieht geschieht mit wenig Prominenz (Ausnahmen: Stan „Usagi Yoyimbo Sakai und Bill „Fables“ Willingham), aber erfreulich viel Talent. (144 Seiten; Hardcover. 24,90 Euro)

Yusei Matsui: Assassination Classroom Bd. 2: Die Prämisse muss man erst mal schlucken: Ein Krakenmonster kündigt an, im nächsten Jahr die Erde zu zerstören, würde solange aber noch gerne die Problemklasse 9e einer japanischen Eliteschule unterrichten. Die Regierung beauftragt die Schüler daraufhin, das Tentakelwesen, das sich als erstaunlich fähiger Pädagoge erweist, zu eliminieren, was natürlich leichter gesagt als getan ist. Auch im zweiten Teil der Serie bleibt die Motivation des Monsters noch im Dunkeln, dafür wird man jetzt erst richtig warm mit der irrwitzigen Abfolge aus Planung von Anschlägen und unkonventioneller Lehrplangestaltung. Killer! (199 Seiten; Softcover. 5,95 Euro)

Naoki Urasawa: Billy Bat Bd. 9: Die Suche nach einer ominösen Schriftrolle, die es scheinbar ermöglicht durch die Zeit zu Reisen nimmt kein Ende: Im neunten Band seiner Reihe integriert Urasawa Einstein, Godzilla und die Verschwörungstheorie einer gefälschten Mondlandung in sein ausuferndes Epos und ist immerhin so gnädig, den Cliffhanger, der vor gut zwei Jahren am Ende des ersten Bandes stand, halbwegs auszulösen. Die Chuzpe des Kerls müsste man haben. (198 Seiten; Softcover. 8,95 Euro)

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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