Für viele Studierende gehört Radiohören am Morgen genauso selbstverständlich zum Start in den Tag wie das Croissant zum Frühstück. In der sogenannten Primetime zwischen sechs und neun Uhr hören die meisten Menschen Radio. Die Sender versuchen daher, ein möglichst attraktives Programm zu bieten. Doch um Euch die schlaftrunkene Suche im Frequenz-Dschungel zu ersparen, schaltete Redakteur Marcel Kodura fünf Tage lang jeden Morgen einen anderen Sender ein.
Die Testwoche beginnt mit einem Frequenzbesuch bei R.SH. Im R.SH-Frühstücksclub führen gleich drei Moderatoren durch das Programm. Warum für die wenigen Straßen im Land extra ein Verkehrssprecher eingestellt werden muss, erschließt sich dem Zuhörer nicht. Volker Mittmann ist mit seiner lauten Art sehr präsent in der Sendung. Zwischen den Dreien entstehen immer wieder lustige Alltagssituationen. Eigenproduzierte und exklusive Comedies kann R.SH nicht bieten. Stattdessen läuft deutschlandweit bekannte Serienware. Die klammen Finanzen können sich Studierende aufbessern, indem sie sich durch aufmerksames Radiohören ihre Rechnung von R.SH bezahlen lassen. Einen Song mitkomponieren können Hörer bei dem vom Sender produzierten Glücklichkeitssong. Die stündlichen Nachrichten um fünf vor voll sind mit zweieinhalb Minuten sehr kurz gehalten und in ihren Themen stark auf Schleswig-Holstein bezogen, internationale Nachrichten werden vernachlässigt. Hintergrundberichte werden darüber hinaus nur selten geliefert. Um die Nachrichten herum befindet sich eine lange Wortstrecke, sodass erst nach zehn Minuten der nächste Musiktitel läuft. Neben der häufigen Verwendung des Claims „Zusammen sind wir Schleswig-Holstein“ fällt zudem die wiederholte Nennung des Namens von Volker Mittmann auf. In der Frühschiene laufen vor allem 80er und Songs ab 2010. Für Abwechslung sorgen lang nicht mehr gespielte Musikperlen im Rahmen des Vielfalt-Songs. Mehrmals die Stunde wird der Übergang zwischen Songs sehr kurz gehalten.
Im NDR 2 Morgen werden 80er und aktuelle Hits mit einem Schwerpunkt auf eher softem Poprock gespielt. Die Morgenshow zeichnet sich vor allem durch die sonnigen Stimmen der Moderatoren aus. Holger Ponik und Ilka Petersen erleichtern dem Zuhörer mit ihrer sympathischen und gemütlichen Art das Aufstehen und zaubern ein Schmunzeln auf das Gesicht. Sie sind lustig, aber nicht albern. Die Morgenschiene ist reich mit Radiocomedies ausgestattet: Während der Im-Team-Reporter hinter die Kulissen des Fußballs schaut, kann bei den Freeses ein Blick in den alltäglichen Wahnsinn einer norddeutschen Familie gewagt werden. Es gibt keine großen Gewinnspiele, dafür viele kleine Rubriken wie die Überprüfung von Alltagsweisheiten. Im laufenden Programm sind Reporterschalten und Experten- Interviews zu aktuellen Themen zu hören. NDR 2 hat von allen untersuchten Sendern die besten Nachrichten, auch wenn diese mit dreieinhalb Minuten relativ kurz sind. Allerdings werden internationale Themen behandelt und Hintergründe zu Berichten geliefert. Zudem laufen sie zwei Mal pro Stunde.
Das Musik-Repertoire bei Radio Nora setzt sich am Morgen aus Hits der 70er und 80er sowie ruhigeren Songs der letzten 15 Jahre zusammen. Bei den Guten Morgen-Machern laufen die meisten Titel am Stück mit den wenigsten Moderationen pro halber Stunde im Musikprogramm. Volker Marczynowski und Janina Greve führen dabei ruhig und zurückhaltend durch die Sendung. Diese ist vor allem durch Gespräche und Interviews zu regionalen Themen geprägt. In der Kanzler-Comedy Küss mich Kanzler wird zwar Angela Merkels Stimme beeindruckend imitiert, der Lachfaktor ist allerdings eher gering. Werbeblöcke sind mit drei Minuten pro Stunde ziemlich lang. Die Nachrichten sind auf regionale Themen beschränkt. Sie beinhalten nur wenige Meldungen und bieten mit zweieinhalb Minuten einen Überblickscharakter. Als besondere Aktion finden die 1000 Euro-Wochen statt. Laufen drei bestimmte Oldies hintereinander, müssen Hörer anrufen und gewinnen dann die Geldsumme. Die Moderatoren verfügen über Lockerheit und Spontaneität.
Musikalisch siedelt sich Delta Radio zwischen Kraftklub, Foo Fighters und Red Hot Chilli Peppers an und spielt damit vor allem Songs der letzten fünf Jahre mit einem Schwerpunkt auf Rock Alternative. Die Delta Radio Wachmänner Lasse und Show-Assistent Lars führen mit verrückten und aufgedrehten Moderationen wie dem Feiern von Alfs 282. Geburtstag auf Melmac durch den Morgen. Die Moderationen sind frech und unkonventionell. Zudem finden ungewöhnliche Spiele statt. Hörer müssen bei Tot aber lustig raten, wie die Protagonisten in Horrorgeschichten sterben, um Tickets für eine Horror-Lesung zu gewinnen. Nachrichten laufen bei Delta Radio mit einer Programmierung um viertel vor und viertel nach der vollen Stunde zu einer ungewöhnlichen Zeit. Mit einer Minute vierzig sind sie allerdings sehr kurz geraten, teils nur drei Sätze lang. Das Wetter wird sogar in 18 Sekunden abgehandelt. Dass die Nachrichtensprecherin ganze Silben verschluckt und mit reinstem Slang verkündet, die nächsten Nachrichten „gibb‘s in nä halben Stunde“, kommt ziemlich befremdlich herüber. Delta Radio kann sich mit einer alternativen, rockigeren Musikmischung von anderen Mitbewerbern unterscheiden. Dass sich junge Menschen allerdings nur für Konzerte und lustige Aktionen interessieren, ist ein Fehlschluss. Ein bisschen mehr Anspruch und Inhalt in Form von gesellschaftspolitisch relevanten Themen wäre durchaus wünschenswert. Wer allerdings mit härterer Musik geweckt werden will, Wert auf Spaß und Albernheiten und weniger auf Infos und Nachrichten legt, ist hier richtig.
In der N-Joy-Morningshow Kuhlage und Hardeland werden ausschließlich ältere Charthits gespielt, neueste Titel laufen kaum. Der an diesem Morgen die Hosts vertretende Moderator Christian Harke fällt mit lustigen Moderationen auf. Allerdings ist der Vertretende wie auch die Hauptmoderatoren mit Ende 30 fast doppelt so alt wie die anvisierte Zielgruppe. Für die ‚junge Welle des NDR‘ ein bisschen realitätsfern. Die Morningshow bei N-Joy verfügt über lustige Radiocomedies. Neben der Pisa-Polizei, gibt es die Postillon-Hörfunk- Nachrichten, bei denen aktuelle Ereignisse satirisch überspitzt werden. Als besondere Aktion werden Tickets für ein ‚Meet and Greet‘ mit One Republic verlost. Ernste Themen fehlen. Nachrichten laufen zweimal stündlich, enthalten aber kaum Berichte zu den einzelnen Meldungen und sind mit zweieinhalb Minuten für einen öffentlich-rechtlichen Sender etwas kurz.
Marcel Kodura ist seit Oktober 2010 als Redakteur beim Albrecht tätig. Er schreibt vor allem über gesellschaftliche Themen.