Wie würde eine Band beschrieben werden, deren Mitglieder völlig unbekannt sind? Keine spannenden Kindheitsgeschichten aus Interviews, keine Livekonzerte, keine Instagramstorys von lustigen Tonstudioabenden und keine Bilder aus Boulevardblättern, dafür einfach nur eins – Musik. Die Londoner Band SAULT zeigt eindrucksvoll, dass die Musik ganz für sich stehen kann.
25. Mai 2020: George Floyd, Afroamerikaner, stirbt in Minneapolis (USA) durch Polizeigewalt, nachdem ihm ein Polizist über acht Minuten lang ein Knie auf seinen Hals gedrückt hatte. George Floyds Tod ging um die Welt, die Black-Lives-Matter-Bewegung veranstaltete Proteste und es kamen längst überfällige Debatten auf.
SAULT wurde durch ihre Musik Teil der Bewegung. Im Jahr 2020 veröffentlichte die Band zwei Alben, Untitled (Black Is) und Untitled (Rise). Und wer nun denkt „Oh je, noch so eine Verarbeitung der Thematik in der Kunst. Muss das wirklich sein?“, dem sei gesagt: Ja. Das muss sein. Weil die besungenen Themen für Millionen von Menschen Realität sind, nicht bloß etwas, was um 20 Uhr auf dem Fernsehbildschirm aufflackert. Und so singt SAULT von George Floyd und Polizeigewalt. Von Rassismus und dem Schwarzsein in Amerika. So heißt es in dem Song Don’t Shoot Guns Down ganz einfach „Don’t shoot I’m innocent. Racist policeman“. SAULT und ihre Songs wurden zum Soundtrack der Black-Lives-Matter-Bewegung, sie spendeten den Demonstrierenden Kraft und zeigten der Öffentlichkeit die Realität.
You should be ashamed, the bloodshed on your hands
Another man, take off your badge
We all know it was murder
(Wildfires)
Die Musik der Band vereint viele verschiedene Richtungen, allen voran Soul, R’n’B und Funk. Ihr Sound ist inspiriert von Black Music aus Amerika und Afrika, unter anderem Fela Kuti, dem Begründer des Afrobeat. Kuti nutzte in den 70er-Jahren seine Musik als Werkzeug, um gegen die nigerianische Militärregierung zu demonstrieren. Er wurde mit seinen Texten zur Symbolfigur für den Kampf um Freiheit.
Auch SAULTs Musik steht für diesen Kampf. 2019 veröffentlichte die Band ihre ersten beiden Alben, 5 und 7, in welchen sie bereits gesellschaftspolitische Themen wie das Leben in Amerika kritisieren: But they say it’s the land of the free – no! Everyone has a gun, counting bullets (Living in America). Die Musik ist dabei stets wunderschön – die Stimme der Sängerin (einige vermuten die Londoner Künstlerin Cleo Sol) schmiegt sich an die Instrumente und es entstehen einzigartige Rhythmen. Mal schnelle, mal langsame, mal laute, mal leise. Dennoch liegt die Stärke der Songs in den Texten.
We can make a change and we can make it different
The anger, it breaks my heart to see this and then we know we have to try
Please let the right people do what they have to
You be strong, educate yourself, powerful
(Black Is)
Schonungslos führen die Texte einem die Realität vor Augen: Sie erzählen von Tod, von Verzweiflung, von Unterdrückung und von Ungerechtigkeit. So heißt es in dem Song This Generation: „Many times, we have walked in silence. We have expressed our voices, people have died“. Aber sie machen auch Mut: „No matter how high, I will rise, We will rise“ (Miracles).
In einer Zeit des Umbruchs zeigt die Band, dass es gar nicht mehr braucht als Musik. SAULT hat das Zusammenspiel zwischen Text und Klang perfektioniert – und so Tausenden Menschen einen Sound für ihre Proteste gegeben.
Nadine ist 22 Jahre alt und studiert Germanistik und Medienwissenschaft im Master an der CAU. Seit Oktober 2018 ist sie Teil der Albrecht-Redaktion und hat vom Sommersemester 2019 bis Sommersemester 2020 das Kulturressort geleitet. Nun kümmert sie sich um die Social Media-Präsenz, schreibt aber auch noch fleißig Artikel.