Um kurz nach drei war es soweit. Während die Tunierleitung die letzten Sekunden im Weltmeisterschaftsfinale herunterzählte, rissen die ersten Spieler des Kieler Teams schon die Arme in die Luft. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihnen klar, dass sie ihre hauchdünne Ein-Punkte-Führung über die Zeit retten können. Ergo, Kiel ist Weltmeister 2011. Weltmeister? So mancher Leser wird sich an dieser Stelle fragen: Wie und in welcher Sportart kann Kiel Weltmeister werden? Jokeiba! Was ist eigentlich Jokeiba?

Das Kieler Weltmeisterschaftsteam in der Formation vom Sonntag. Foto: Herbert Reiter

Was im ersten Moment nach einer asiatischen Kampfsportart klingt, wurde in der „taz“ einmal als „eine Art pädagogisch inspirierter Football ohne Prügel“ beschrieben und bedeutet „John Köhlers Eierball“. Nachdem der Scheeßeler Lehrer John Köhler das Spiel in den 90ern für seine Staatsexamensarbeit entwickelte, verbreitete sich die Sportart quer über Deutschland. Momentan lassen sich neben Kiel beispielsweise Mannschaften in Hamburg oder Leipzig finden. Doch wie funktioniert diese Sportart?

Im Jokeiba treten sich zwei Fünfer-Teams gegenübertreten, die zwar mit einem Football spielen, mit diesem jedoch nicht laufen dürfen. Ebenso ist im Gegensatz zum Football jeglicher Körperkontakt untersagt. Laut dem Kieler Jokeiba-Spieler Lennart Augustin sei im Allgemeinen „die Kombination aus actionreichem Ballsport und einer sehr friedlichen und entspannten Philosophie, die den Spaß an erster Stelle stellt“ das Besondere an dieser Sportart.

Doch auch beim Jokeiba geht es darum erfolgreich zu spielen. So gibt es für jedes Team ein quadratisches Zielfeld, welches sehr an das Brettspiel „Mühle“ erinnert. Ziel des Spiels ist es, dass ein Spieler in das Zielfeld springt, während ein anderer ihm dabei einen Pass zuspielt, der in der Luft gefangen werden muss. Je weiter die Spieler hierbei springen, desto mehr Punkte erhält das Team. Anders als in vielen anderen Sportarten üblich, spielen beim Jokeiba Männer und Frauen gleichberechtigt nebeneinander. Dadurch, dass es für Frauen jedoch etwas leichter ist Punkte zu erzielen, haben sie innerhalb der Mannschaftstaktiken oft eine besondere Rolle inne.

Der verbissene Kampf um die letzten Finalpunkte. Foto: Herbert Reiter

Beim Jokeiba geht es vor allem um Spaß, aber das Weltmeisterschaftstunier ist schon immer etwas Besonderes“, erklärt die Kielerin Irene Bösherz, die schon zuvor einmal Weltmeisterin wurde. Damals noch für ein Scheeßeler Team. Scheeßel, das ansonsten vor allem mit Hurricane-Festival assoziiert wird, ist ebenso jährlicher Austragungsort der Weltmeisterschaft, die in diesem Jahr zwischen dem 25. und 26. Juni ausgespielt wurde. Das Kieler Team, welches mit einer Mischung aus Weltmeisterschaftsneulingen und zwei ehemaligen WeltmeisterInnen antrat, war nach einjähriger Abstinenz in diesem Jahr wieder mit von der Partie. Insgesamt traten in diesem Jahr elf Mannschaften an, um die Weltmeistertitel zu gewinnen. Wobei diesmal – es trat auch einmal ein amerikanisches Team an – alle Mannschaften aus Deutschland stammten, was den Titel Weltmeister vielleicht etwas vermessen klingen lässt.

Kiel, das diesmal unter dem Namen „Indestructo Kiel“ antrat, musste sich in der Vorrunde noch der starken Konkurrenz aus Munster und Leipzig mit jeweils einem Punkt geschlagen geben. Somit konnten sich die Kieler nach der Vorrunde mit dem vierten Platz nur knapp für das Halbfinale qualifizieren. Hier kam es dann zum erneuten Duell mit der „1. Rotation Leipzig“, die in der Vorrunde – abgesehen von der Niederlage gegen das Scheeßeler Team „Paula“ – ausschließlich siegreich war. Dieses Mal konnten sich die Kieler „Indestructos“ jedoch durchsetzen.

Somit wartete im Finale nur noch das Team „Paula“, die im Halbfinale die „Munsteraner Fehlplanung“ besiegt hatten. Nach dem starken Start der Kieler in den ersten Minuten der Partie konnte„Paula“ kurz nach dem Start der zweiten Halbzeit ausgleichen. Im Anschluss entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, bei dem Team „Paula“ Sekunden vor Ende noch einmal auf einen Punkt verkürzte. Letztlich lief die Zeit jedoch für die Kieler „Indestructos“.

Lennart Augustin, der in den letzten Jahren „die Finalmannschaften der Leistungsstaffel immer bewundert“ hatte, war hellauf begeistert, dass sein Team ihm ermöglichte habe „selbst bei den Großen mitzuspielen und das Tunier sogar zu gewinnen“.

Das Kieler Jokeiba-Team trainiert im Sommer immer Montags um 18.00 Uhr auf den Rasenflächen hinter dem Sportforum.

Autor*in

Lars Denkena war bis 2012 Redakteur des Albrechts und für die Plattensau zuständig. Bis 2011 war er für den Vertrieb zuständig.

Share.
Leave A Reply