Früher war alles besser. Besser als heute. Das ist keine Rückwärtsgewandtheit chronischer Nostalgiker sondern nur logisch. Denn während dieses ominöse heute nur 24 Stunden umfasst, beinhaltet früher knapp 120 Jahre Comicgeschichte. Da kann eine Neuerscheinung noch so gut sein, in der Vergangenheit findet sich immer etwas Besseres – man müsste schon im Jahre 1986 leben, um das ernsthaft zu bestreiten.

Folglich kann es nicht schaden, sich hin und wieder von älteren Publikationen inspirieren zu lassen. Das dachten sich auch Autor Fabien Vehlmann und Zeichner Yoann, das derzeitige Kreativteam des franko belgischen Klassikers Spirou & Fantasio. In ihrem aktuellen Album Der Page der Sniper Alley schicken sie die beiden ungleichen Abenteurer auf der Suche nach der sagenumwobenen Bibliothek von Alexandria in den von Bürgerkriegen erschütterten Mittleren Osten und zollen damit zwei ihrer Vorgänger einen längst überfälligen Tribut.

Die Rede ist hier von dem kongenialen Duo Tome und Janry, das die Serie 1982 übernahm und anschließend eine ganze Reihe kleiner Meisterwerke fabrizierte. Geschichten wie Spirou in Moskau (1990) und Mafia, Mädchen und Moneten (1995) hielten eine seitdem unerreichte Balance zwischen groteskem Humor und düsterer Spannung und waren dabei so geschickt konstruiert, dass einem ihre 44 Seiten wie ein ganzer Roman vorkamen. Jagd auf Spirou (1998) überforderte die Leser jedoch mit seinen – rückblickend betrachtet durchaus visionären – visuellen Anleihen beim damals in Europa noch spärlich etablierten Manga. Es sollte das letzte Album der beiden bleiben.

Wegen dieses eher unglücklichen Abgangs genießen Tome/Janry bis heute nicht das Ansehen, dass sie verdienen. Doch während sich ihre Nachfolger bisher eher vom Schaffen der beiden distanzierten, nehmen Vehlmann und Yoann bewusst auf deren Großtaten Bezug. So integrieren sie die Figur des vom Pech verfolgten Mafia-Dons Vito Cortizone, der 1987 in Abenteuer in New York debütierte, wieder in die Serie und greifen auch den charakteristischen Kontrast zwischen den stark stilisierten Figuren und einem realistischen Setting auf, der das Werk ihrer Vorgänger prägte.

Während diese den Drahtseilakt aus Funny-Stil und dramatischem Geschehen jedoch perfekt beherrschten und einen Aspekt den anderen stets pointieren oder kontrastieren ließen, tendiert Yoann deutlich zur Karikatur, bisweilen gar zum Klamauk und unterminiert damit die Spannung seiner Geschichte. Der Page der Sniper Alley wird so zu einer durchaus reizvollen, aber auch etwas unausgewogenen Mischung aus Indiana Jones und Waltz with Bashir.

Dennoch ist das Album nicht nur die lange überfällige Neubewertung des Wirkens von Tome/Janry, es lässt auch eine positive Entwicklung erkennen, die uns sagt: Natürlich war früher alles besser, doch warum soll es nicht wieder so gut werden? So besser wie früher, quasi.

Fabien Vehlmann/Yoann: Spirou + Fantasio Bd. 52: Der Page der Sniper Alley. Carlsen Comics. 56 Seiten (farbig), Softcover. 9,99 Euro.

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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