Die Bilanz der Festival-Saison 2015 liest sich einigermaßen katastrophal: Rock im Revier, das sich als neuer Platzhirsch und Konkurrent von Rock am Ring zu etablieren gedachte, schrieb nach Informationen des Rolling Stones rote Zahlen in Höhe von amtlichen sieben Millionen Euro. Zählt man die Schwesterfestivals Rockavaria und Rock in Vienna noch dazu, gehen die Verluste beinahe in den achtstelligen Bereich. Dass mit Veranstaltungen dieser Art in den Anfangsjahren eher Geld zu verlieren denn zu verdienen ist, mag allgemein bekannt sein. Das Ausmaß, das diese Zahlen hier annehmen, ist hingegen neu.

Dabei bekommen auch andere Festivals die von den drei Pleitegeiern initiierten verschärften Konkurrenzbedingungen zu spüren: Das Hurricane hatte erstmals seit Jahren einen Rückgang der Besucherzahlen zu verzeichnen, das seit 2006 stattfindende Serengeti Festival stellt ab 2016 gar ganz den Betrieb ein. Besonders die steigenden Bandgagen erlauben es laut der Organisatoren vor allem im mittleren Sektor nicht mehr, überhaupt noch ökonomisch zu arbeiten.

Besser sieht es bei den kleinen Veranstaltungen aus, besonders bei jenen, die etwas Abstand zu dem großen Getümmel im Sommer genommen haben. Der Rolling Stone Weekender etwa, der seit November 2009 im Ferienpark Weissenhäuser Strand knapp fünfzig Kilometer südlich von Kiel stattfindet, ist 2015 zum zweiten Mal restlos ausverkauft – bereits Monate im Voraus. Und auch die ‚Wacken-Variante‘, das eine Woche später am selben Ort stattfindende Metal Hammer Paradise, erfreut sich in seinem dritten Jahr zunehmender Beliebtheit.

Hier drängt sich die Frage auf, ob auch diese Veranstaltungen die zunehmende Konkurrenz aus dem Sommer zu spüren bekommen, oder ob man gar von der angespannten Situation profitiert. Wir fragten bei Martina Quast von der Konzertagentur fkp Scorpio nach, die sich neben den November-Festivals auch für das Hurricane verantwortlich zeichnet.

DER ALBRECHT: Hat das Konzept von Rolling Stone Weekender und Metal Hammer Paradise trotz der Dominanz der etablierten Festivals Erfolg oder gerade deshalb, etwa als Alternative?

MARTINA QUAST: Das Konzept der Indoor-Festivals funktioniert trotz der Konkurrenz der Sommerfestivals. Wir sprechen die Zielgruppe 30+ an, die aus den klassischen Sommerfestivals herausgewachsen ist. Die Indoor-Festivals im November verbinden ausgewählte Live-Musik mit spannenden Rahmenprogrammen. Statt in Zelten und mit Dixie-Toiletten entspannen sich die Festivalgäste in den Wellness- und Freizeitbereichen der Anlage und können sich abends in den Hotelbetten für den nächsten Festivaltag ausruhen. Der Babysitter-Service und die reduzierten Tickets für Kinder machen die Festivals zu einem Ausflugsziel für die ganze Familie.

DER ALBRECHT: Bekommt man trotzdem eine stärkere Konkurrenz auf dem Markt zu spüren? Erste Bands werden ja schon im Frühjahr bestätigt, insofern tritt man ja durchaus in einen Wettbewerb mit größeren Festivals, auf denen diese Bands im Sommer auch spielen.

QUAST: Nein, der zeitliche Abstand von mehreren Monaten zwischen den Veranstaltungen sowie die unterschiedlichen Zielgruppen, die angesprochen werden, sorgen dafür, dass die Konkurrenz und der Wettbewerb gering ausfallen.

DER ALBRECHT: Macht es das ‚Festival‘-Siegel nicht schwieriger, Bands für einen Auftritt zu gewinnen, gerade im Vergleich zu regulären Konzerten? Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass die Musiker befürchten, auf diese Weise ihren Marktwert für die nächste Sommer-Saison zu senken?

QUAST: Nein, im Gegenteil, Bands nutzen gerade die Festivals. Hier können sie sich einem größeren und breiteren Publikum präsentieren als auf ihren Konzerten und zukünftige Fans gewinnen. Das ist natürlich besonders bei kleinen und mittelgroßen Bands von Vorteil.

DER ALBRECHT: Haben Festivals dieser Art eigentlich spezifische Grenzen, was das musikalische Konzept oder kalendarische Aspekte betrifft? Bietet es sich ab einer bestimmten Zeit im Jahr nicht mehr an, solche Veranstaltungen auszurichten, weil man entweder noch zu nah an der Sommerkonkurrenz ist oder schon wieder zu tief im Winter mit schlechtem Reisewetter und Weihnachtsvorbereitungen steckt?

QUAST: Ein klassisches Festival ist sicherlich ab einem bestimmten Zeitraum schwierig durchzuführen. Allerdings sehen wir es als unpassend an, daher alles Weitere auszuschließen. Vor sieben Jahren war es undenkbar, ein Festival im November durchzuführen. Als wir dann mit dem Rolling Stone Weekender gekommen sind, hat sich jeder gedacht: Wieso sind wir nicht mit der Idee gekommen? Wir haben das Festivalkonzept der Wetterlage angepasst und somit neue Festivalzeiträume geöffnet. Es gibt mittlerweile einige andere spannende Festivalkonzepte – so gibt es ein Metal-Festival mitten in den Alpen auf 2500 Metern Höhe, etliche Festival-Cruises (70.000 Tons of Metal, Maffay Cruise, etc.) und natürlich auch mehrere Festivals in Ferienanlagen im ganzen Land. Kalendarische Grenzen also? Nein, Kreativität und gute Marktkenntnisse ermöglichen noch vielen neuen Projekten den Weg zum Erfolg.

Termine:

Rolling Stone Weekender mit Element of Crime, Of Monsters and Men, Sleaford Mods, Olli Schulz, Death Cab for Cutie, Alabama Shakes, Gang of Four, Built to Spill, Thurston Moore, Ron Sexsmith und anderen: 6. und 7. November 2015. Ausverkauft.

Metal Hammer Paradise mit Black Label Society, Opeth, Tankard, Subway to Sally, Graveyard, Destruction, Rage, J.B.O., Sepultura, Helloween und anderen: 13. und 14. November 2015. Tickets ab 129 Euro (inkl. Unterbringung), Tagestickets 69 Euro.

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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