Nasengerubbel, ein Schnips und bunte Sterne: Es ist wieder soweit! Wickie hat die rettende Idee und zieht so die zwar starken, aber wenig versierten Männer aus der Misere. Genauso sieht das Highlight jeder Folge aus, auf die die Zuschauenden gewartet haben. Freudig erregt und mit Gänsehaut wird die Farbenflut betrachtet: Was für einen genialen Plan hält Wickie wieder bereit?
Mit Witz und Scharfsinn zum Sieg
Die Anime-Serie Wickie und die starken Männer wurde zwischen 1974 und 1975 im Auftrag des ZDFs in Japan produziert und handelt von Wickie, dem Kind des Wikingerhäuptlings Halvar und seiner Frau Ylva. Zusammen wohnen sie in dem Dorf Flake. Zu Halvars Verdruss ist Wickie von ängstlicher Natur und zudem fehlt seinem Spross die von allen Wikingern als wichtig erachtete Stärke. Als sich Wickie eines Tages auf das Wikingerschiff schleicht, um sich an den legendären Raubzügen des Stammes zu beteiligen, kommt die wahre Stärke von Halvars Nachkomme ans Licht: Intelligenz. Gewitzt und clever rettet Wickie die auf Stärke beharrenden Männer ein ums andere Mal und auch Halvar muss irgendwann zugeben, dass körperliche Stärke nicht alles ist.
Ein Wikinger-Mädchen allein unter starken Männern
Als Kind war ich ein riesiger Wickie-Fan; kaum eine Folge habe ich verpasst. Wickie war mein Vorbild. Das Reizvolle an der Serie? Für mich ganz klar, dass ein Mädchen den großen, starken Männern intellektuell so weit überlegen ist. Wickie haut nicht einfach drauf, sondern sie denkt nach, handelt rational und clever. In den aussichtslosesten Situationen findet sie die Lösung und bringt fast im Alleingang den Sieg für das Dorf Flake nach Hause.
Neben Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter war Wickie das coolste Mädchen und für mich die Quelle für Identifikation und Inspiration.
Oder doch ein Junge?
Mit 15 Jahren, lange nachdem das Wickie-Fieber abgeklungen war, erfuhr ich: Wickie ist gar kein Mädchen, sondern ein Junge! Ich konnte es nicht fassen. Wie hatte ich die Pronomen und die Wörter „Junge“ und „Sohn“ nur überhören können? Ganz nach Wickie-Manier versuchte ich, dieses Rätsel zu lösen.
Ich befragte Freund:innen und Bekannte und stellte schnell fest: Wickies Geschlecht schien abhängig von der Selbstidentifizierung der Zuschauenden zu sein. Auch heute frage ich noch manchmal andere, wie sie Wickie wahrnehmen und meine Hypothese wurde bisher stets bestätigt.
Für jede:n eine Quelle der Inspiration
In meinen Augen besteht der Erfolg der Serie in gerade dieser Geschlechtsneutralität, auch wenn diese gewiss nicht beabsichtigt war. Wickie ist nicht nur ein Vorbild für eine bestimmte Kindergruppe, sondern für alle. Jungs sehen einen Helden, der in einer Welt voller toxischer Männlichkeit gerade wegen seines ruhigen und „ängstlichen“ Gemüts erfolgreich ist. Mädchen auf der anderen Seite kriegen eine Heldin präsentiert, die in einer männerdominierten Umgebung mit Klugheit und Gerissenheit siegreich ist.
Was für ein toller Charakter, der:die hoffentlich noch vielen Kindern als Vorbild dienen wird.
Katrina studiert Deutsch und Soziologie an der CAU. Sie ist seit Juli 2020 Teil der ALBRECHT-Redaktion und schreibt hauptsächlich für die Ressorts Hochschule und Gesellschaft. Seit November 2020 unterstützt Katrina das Lektoratsteam und hat außerdem seit März 2021 den Leitungsposten Bild inne.