Kindheitshelden: Simsala Grimm

Die Märchen meiner Kindheit waren für eine lange Zeit nicht die Cartoon-Held*innen aus dem Hause Disney. Stattdessen hatte ich mein dickes rotes Buch mit dem Namen Grimm in goldenen Buchstaben auf dem Umschlag im Regal stehen. Ab und zu würden Mama, Papa, Großeltern oder Paten es hervorholen und mir eine der vielen magischen Geschichten vorlesen. Und ab und zu würden die Öffentlich-Rechtlichen eine eigene Verfilmung im Fernsehen zeigen. Hexen, Prinzessinnen, arme Dorfmädchen und böse Wölfe; diese Figuren und ihre Geschichten begleiten mich bis heute, geben mir Denkstoff über Moral und Konsequenz.  

Die eine Zeichentrickadaption, die ich als Kind tatsächlich regelmäßig zu sehen bekam, war jedoch die der KiKa-Serie Simsala Grimm. Zusammen mit Yoyo und Doc „Crocy“ Croc flog ich von einer Märchenwelt in die nächste. Was genau die beiden waren, weiß wohl niemand so genau. Crocy, der selbst deklarierte Akademiker und Philosoph, hatte ein bisschen das Aussehen eines Regenwurms, mit Beinen und Hut, ein echter Bücherwurm eben. Der Abenteurer Yoyo erinnert hingegen an nichts bisher bekanntes, mit blauem Fell, einer roten Mütze und Schnauze. Ein Wiesel vielleicht? Oder die beiden sind schlicht und einfach Fabelwesen, passend für den Job als Märchenerzähler.  

Die wahren Helden

Und was einen fantastischen Job die beiden gemacht haben! Nicht nur, dass sie unsere liebsten Märchencharaktere auf ihren Reisen begleitet haben, nein, ohne sie wäre so manches „… Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“ nie zustande gekommen. Schließlich waren sie es, die Aschenputtel davon überzeugten, jeden Abend auf den Ball des Prinzen zu gehen, und ihr beeindruckender Pep-Talk war es, der dem Froschkönig den Mut gab, das Versprechen der Prinzessin einzufordern.  

Natürlich ist auch Simsala Grimm wie so viele Serien unserer Kindheit nicht unbedingt optimal gealtert. Die Geschichten sind wie immer zeitlos, wenn auch nicht gänzlich unproblematisch aus heutiger Sicht. Das kann allerdings mit Blick auf das Quellenmaterial und der Tatsache verziehen werden, dass es sich hier um eine Produktion der späten 90er und frühen 2000er handelt. Was beim erneuten Gucken mit erwachsenen Augen jedoch viel mehr ins herausstieß, war der Zeichenstil der menschlichen Charaktere. Besonders der, der weiblich gezeichneten.

Es scheint so, als ob die Animateur*innen eine starke Vorliebe für voluminöse Oberweiten hatten. Nicht nur werden die Prinzessinnen und Dorfmädchen gleichermaßen mit tiefen Dekolletés und Brüsten gezeigt, bei denen sich mir die Frage stellt, wann genau der erste Push-up-BH erfunden wurde. Nein, dazu kommt, dass immer wieder Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wird und das auf zunehmend absurde Weise. Das beste Beispiel sind die bösen Stiefschwestern. Sie sind häufig zu sehen, wie sie jeweils zwei dicke, runde Krüge vor der Brust tragen und sich dann im Streit gegenseitig auf die Oberweite hauen. Begleitet von synchronen Hup-Geräuschen. Classy.  

Etwas für Jung und Alt

Ich bin mir nicht sicher, ob ich da lachen oder weinen soll. Einerseits handelt es sich hier um eine Kinderserie, andererseits konnte ich mir das Grinsen tatsächlich nicht ganz verkneifen. Und ich kann mich nicht daran erinnern, je etwas komisch an den Darstellungen gefunden zu haben. Ein Großteil der für ein jüngeres Publikum produzierten Zeichentricksendungen verbergen Witze, die häufig nur von Erwachsenen verstanden werden. Das ist nichts Neues.

Vielleicht ist es einfach die Tatsache, dass es sich hier um Märchen handelt, etwas, das für mich und so viele andere einen nostalgischen Geschmack der Kindheit mit sich trägt, was mich stutzen ließ. Schlussendlich beweist meine Beobachtung mal wieder eines: Egal wie sehr wir an unseren Erinnerungen, unseren liebsten Dingen aus der Kindheit hängen, egal wie viel uns diese Geschichten beigebracht und geprägt haben, egal wie viel wir immer noch von ihnen lernen können, wir können nicht anders als sie nun – die guten und die schlechten Seiten – mit den Augen eines Erwachsenen zu sehen.  

Autor*in

Janne ist seit 2019 Teil der Albrecht-Redaktion, zunächst als Leitung des Kulturresorts und Social Media, dann bis Anfang 2024 für ein Jahr als stellvertretende Chefredaktion.

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