Label: Interscope
Veröffentlichung: 27. März 2020
Vor knapp einem Jahr erschien die erste Single Easier und kündigte damit indirekt das neue Album der australischen Band 5 Seconds Of Summer (5SOS) an. Doch trotz vier weiterer Single-Veröffentlichungen dauerte es bis Anfang diesen Jahres zur offiziellen Ankündigung: Das vierte Album der 2011 gegründeten Band würde Calm heißen. Dies ist eine Zusammenführung der Vornamen der vier Bandmitglieder Calum Hood, Ashton Irwin, Luke Hemmings und Michael Clifford.
Nach ihrem Durchbruch 2013 waren 5SOS hauptsächlich bekannt als „die Boyband, die ihre eigenen Instrumente spielt“. Pop-Punk Sound à la Blink-182, generell jugendfreundliche Texte, ,wilde’ Frisuren und Piercings sicherten der Band über Jahre das Label „mehr süß als ernstzunehmend“.
Das änderte sich jedoch 2018 schlagartig mit dem Erscheinen des dritten Albums Youngblood, welches direkt auf Platz 1 der Billboard Charts landete und dessen gleichnamige Leadsingle bis dato die am häufigsten gestreamte australische Single aller Zeiten ist.
Youngblood war der erste Schritt heraus aus dem Image einer Teenage-Band, doch Calm geht noch einen Schritt weiter. 5SOS scheinen endlich ihren Sound gefunden zu haben. Was dieser jedoch genau ist, ist schwer zu beschreiben.
Die erste Hälfte des Albums gleicht einem wilden Ritt durch die Genres. Ob sozialkritischer Rock-Pop in No Shame, R’n’B und Trap Einflüsse in Old Me oder Industrial Vibes in Teeth, auf der A-Seite lässt sich für fast jeden Geschmack etwas finden. Das mag daran liegen, dass sich hier die Singelauskopplungen des Albums versammelt haben und diese natürlich einem breiten Spektrum an Hörer*innen zusagen sollen.
Nichtsdestotrotz ist es die einzige Nicht-Single, die hier besonders zum Scheinen kommt. Der erste Track, Red Desert, überzeugt nicht nur durch seine wirklich gute Produktion, sondern vor allem auch durch seinen Genre-Mix, der eigentlich nur als Elektro-Rock mit Western-Filmmusik-Flair beschrieben werden kann. Die kraftvollen Harmonien, für die 5SOS bei ihren Fans bekannt sind, tun hier zudem ihr Übriges, um bereits nach dem ersten Song des Albums Gänsehaut aufkommen zu lassen.
Die B-Seite von Calm ist im Vergleich dazu um einiges zahmer. Zwar finden sich auch hier immer wieder Elemente aus Genres wie R’n’B und House, jedoch auf subtilere Weise als in der vorherigen Albumhälfte. Das führt zu einem wesentlich kohärenteren Sound, der somit auch ein klareres Bild der Band und ihres Stils zeichnet: Rock-Pop, der die Produktion und Instrumente würdigt. Jeder der Songs zollt den einzelnen Instrumenten Tribut und lässt nicht allein die Lead-Stimme von Sänger Luke Hemmings scheinen.
Meine persönlichen Highlights des Albums sind zum einen die Rock-Ballade Lover Of Mine, mit ihrer Balance zwischen laut und leise, cleverem Text und drumlastigem Chorus als perfekte Zusammenfassung der Stärken des Albums. Zum anderen ist es die aktuelle Single Wildflower, die sich auf mehr als nur eine Art und Weise vom Rest des Albums abhebt. Der Track wird als einziger auf diesem Album nicht von Leadsänger Hemmings gesungen, sondern von Bassist Calum Hood. Auch ist Wildflower mit großem Abstand der poppigste Song des Albums, mit Einflüssen des 80’s Synth- und 60’s Psychedelic-Pops. Einflüsse, die sich im Übrigen auch im Video zum Song wiederfinden, welches dank der aktuellen Ausgangssperre von den Bandmitgliedern mehr schlecht als recht, aber dafür mit viel Humor, im heimischen Wohnzimmer selbst gedreht wurde.
Mit Calm beweisen 5SOS, dass sie endlich erwachsen geworden sind, jedoch ohne dabei den Spaß an der Musik zu verlieren und sich in einer musikalischen Schiene festzufahren. Vielmehr scheint sich die Band an einem Ort wiederzufinden, an dem es nicht wichtig ist, welchem Genre sie angehören, solange am Ende das Ergebnis stimmt und die Musik im Mittelpunkt steht.
Janne ist seit 2019 Teil der Albrecht-Redaktion, zunächst als Leitung des Kulturresorts und Social Media, dann bis Anfang 2024 für ein Jahr als stellvertretende Chefredaktion.