Am 31. Oktober sowie dem 3., 5., 7. und 8. November hat die Theatergruppe Reich und Schön Georg Büchners Lustspiel Leonce und Lena im Sechseckbau aufgeführt. Mit Textzitaten aus literarischen Klassikern, etwa einer Rezitation aus Shakespeares Romeo und Julia, und einigen Gesangseinlagen aus Popsongs sowie einem Ausflug ins Infomercial brachte die Gruppe unter der Regie von Melanie Reichert den Dreiakter auf die Bühne. Aber von vorn: Schon beim Eintritt liegt Prinz Leonce (zu erkennen an der kleinen Krone auf dem Kopf) schlafend auf der in weiß- grünem Muster tapezierten Bühne. Außerdem lugen ein paar irritiert ausschauende Köpfe aus kreisförmigen Löchern in der schrägen Bühne hervor: Wie sich herausstellt nicht etwa Darsteller des Stücks, sondern ein paar vor der Aufführung ausgewählte Zuschauer, die hier zum Teil der Bühne gemacht werden. Dann geht es los. Licht aus. Atmosphärische E-Gitarrenmusik wird gespielt (live von Gunnar Vosgröne). Leonce steht auf.

Leonce und Lena 1
Der König wär lieber Philosoph

Leonce, der Prinz von Popo (gespielt von Moritz Riemann), ist von schwerster Langeweile geplagt, da kann auch der bis zur Verzweiflung bemühte Hofmeister (Jakub Furs) nichts tun. Doch dann begegnet er dem Müßiggänger Valerio (Jasper Maack), in dem er einen Gleichgesinnten findet und er macht ihn zu seinem Gefährten. Sein Vater Peter – eigentlich König von Popo, aber viel eher am Philosophieren interessiert als an seinem Volk – plant die Hochzeit seines Sohnes mit Lena, der Prinzessin von Pipi. Jetzt treten auch die Mitglieder des Staatsrats (Jessica Faatz, Julia Faatz, Hajo Lohrenscheidt, Asita Roustai) zum ersten Mal auf. Köpfe mit überlangen Bärten und wirrem Haar werden hinter der Bühne hervorgestreckt. Unbeeindruckt von den sonstigen Vorgängen wandeln sie herum oder stehen mal nur in der Gegend, um dann mit ihren unsinnigen Ausrufen Ta-dah, Ding und Lululu beim Publikum für Lacher zu sorgen. Jetzt dämmert dem Zuschauer bereits, wie es um das Königreich Popo bestellt ist.

Leonce weiß erst einmal nichts von seiner bevorstehenden Hochzeit. Er trifft seine Freundin Rosetta (Frederik Bornhofen), die ihn freilich auch bereits langweilt. Für die Zuschauer war bei Rosettas Auftritt, wenn man allein schon den Applaus für ihren Darsteller am Ende des Stückes zugrunde legt, das komplette Gegenteil der Fall. Erst legt sie, nach der Aufforderung Leonces, einen übertriebenen, aufreizenden Tanz hin, danach wandelt sich die Stimmung aber komplett. Leonce macht Schluss und Rosetta ist wirklich zu bemitleiden, als sie die Bühne verlässt. Als Leonce schließlich kurz danach erfährt, dass er mit der unbekannten Prinzessin verheiratet werden soll, ist er wenig begeistert, und so beschließen er und Valerio, zusammen in den Süden zu verschwinden. Jetzt tritt auch Lena (Ann-Kathrin Wiltsch) erstmals in Person auf. Auch die Prinzessin will keinen Unbekannten heiraten und gerät über die Aussicht in Verzweiflung. Die Gouvernante (Franziska Hundt), gekleidet in ein plüschiges Drachenkostüm, kann das nicht mit ansehen und so beschließt auch sie, dass die beiden vor der Hochzeit fliehen.

Leonce und Lena 2
Lena und die Gouvernante sind auf der Flucht

Wie es der Zufall will, begegnen sich Leonce und Lena unwissentlich dann aber doch noch auf ihrer Flucht. Rasant wechseln die Szenen: abwechselnd huschen der Prinz und Valerio oder die Prinzessin und die Gouvernante über die schräge Bühne. Da kommen die einen gerade von oben die Leiter herunter in die Szene, wo die anderen gerade erst über die Seiten ihren Abgang gemacht haben. Schließlich treffen sich der Prinz und die Prinzessin – immer noch nichts von der wahren Identität des anderen ahnend – und verlieben sich ineinander. Es kommt zum ersten (ausgedehnten) Kuss zwischen den beiden, doch Lena verschwindet wieder. Leonce will sich nach diesem wunderbaren Augenblick schon zum Selbstmord in den Fluss (bzw. von der Bühne) stürzen, denn besser, glaubt er, wird es nicht mehr. Valerio kann ihn jedoch aufhalten. Doch jetzt will Leonce die Unbekannte unbedingt wiedersehen und ehelichen und Valerio verspricht, gegen die Aussicht auf einen Ministerposten, es zu organisieren.

Die Hochzeit steht an, doch das Brautpaar ist nicht da. Stattdessen präsentiert der verkleidete Valerio dem König zwei absolut menschenähnliche Automaten (bei denen es sich um Leonce und Lena, verkleidet mit roten Pappnasen und zwei zur Schlinge gebundenen Kabeln um den Hals, handelt). Trotz fehlendem Brautpaar will der König die Hochzeit nicht absagen, hatte er doch mühsam den Entschluss gefasst, sich an diesem Tag zu freuen. Zum Glück kommt ihm die rettende Idee. Wenn es möglich ist, einen Verbrecher in Abwesenheit hinrichten zu lassen, so sollte es doch auch möglich sein, das Brautpaar in Abwesenheit zu verheiraten. Also wird nun das Automatenpaar an Stelle von Prinz und Prinzessin verheiratet. Die Trauung wird vollzogen, indem die zwei Schlingen-Kabel zusammengesteckt werden. Es folgt die Auflösung. Leonce und Lena nehmen ihre Pappnasen ab und endlich erkennen sie einander. Der Schock aller Beteiligten währt nur kurz. Peter macht seinen Sohn zum König und ist glücklich, nun endlich Zeit zu haben, um sich voll dem Denken hinzugeben. Der neue König Leonce und sein frischgebackener Minister Valerio teilen abschließend noch einige originelle Gedanken zur Zukunft des Königreichs Popo mit, etwa über ein Dekret, dass die Arbeit verbieten soll, und das „Happy End“ ist perfekt.

Von der Langeweile, die Leonce während des gesamten Stückes plagt, war für den Zuschauer während des Abends nichts zu spüren. Vielmehr machten die rasante Aufführung und die witzigen Dialoge sowie die eingestreuten Tanz- und Gesangseinlage die Aufführung zu einem kurzweiligen Spaß. Die vielen kreativen Ideen für die Inszenierung des Stücks (seien es die Bühnengestaltung, die Kostüme oder die schauspielerische Darstellung) sorgten außerdem dafür, dass man auch lange nach Ende der Aufführung noch über diese Inszenierung nachdachte.

Fotos: alo

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