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Das Leben einer Kurtisane zwischen Liebe und Verpflichtung, im Rausch des Vergnügens und der Bedrängnis des nahenden Todes. Giuseppe Verdis Meisterstück „La Traviata“ spricht aus dem Herzen einer Mätresse, die an den gesellschaftlichen Konventionen des 19. Jahrhunderts zugrunde geht. Am 29. September feierte die wohl schönste Oper der Welt Premiere im Kieler Opernhaus.

Violetta Valery ist eine Kurtisane, die sich trotz schwerer Tuberkulose galant und selbstsicher in den Kreisen der pariser Oberschicht bewegt und der reizvolle Star der Männerwelt ist. Auf einem Fest wird ihr der junge Alfredo Germont vorgestellt, der schon lange eine Leidenschaft für sie pflegt und ihr seine Liebe gesteht. Violetta wehrt seine Gefühle vorerst ab, entscheidet sich aber nach kurzem Zweifeln für ihn und lebt mit ihm fortan zusammen. Alfredos Vater Giorgio Germont ist gegen diese Beziehung. In einem Gespräch mit Violetta verlangt er die Trennung von ihr, da sie der Heirat von Alfredos engelsgleicher Schwester Flora und dem Glück der Familie entgegen stehe. In ihrer Not trennt sie sich in einem Brief von Alfredo, der sie daraufhin wutentbrannt auf einem Fest bloßstellt und für ihre Dienste öffentlich bezahlt. Kurze Zeit später liegt Violetta im Sterben. Alfredo erfährt durch seinen Vater die Wahrheit über die Trennung und begibt sich zu ihr ans Sterbebett. Der Besuch verleiht Violetta Kraft, die die Liebenden zusammenbringt, sie jedoch nicht vor dem Tod retten kann.

Ensemble

Vorlage für Verdis Bühnenkomposition war der Roman „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas aus dem Jahre 1848. Dort beschreibt der Franzose seine eigene Affäre mit der Kurtisane Marie Duplessis, die in der Oper zur Figur der Violetta Valery wurde. Die Uraufführung von „La Traviata“ fand im März 1853 in Venedig statt.

Die Einführung in das Stück erfolgt musikalisch. Mit langsamer, fast tragischer Melodie öffnet sich der Vorhang und präsentiert ein aufwendig gestaltetes Bühnenbild: Einen alten Theatersaal, der den Verfall einer Gesellschaft zeigen soll. Die dunkel gehaltene Farbgestaltung rückt bereits zu Beginn der Vorstellung die Rolle des Todes in den Vordergrund. Die Krankheit Violettas zieht sich durch wiederkehrende authentisch inszenierte Schwächeanfälle durch alle vier Akte. Erhellt wird dieses Stimmungsbild durch ein Tänzerpaar, das das in zeitgenössischen Kleidern versehene Publikum des alten Theatersaals zur Unterhaltung anregt. Weitere Tanzelemente im Verlauf des Geschehens verdeutlichen die Gier nach Vergnügen, die von der Ernsthaftigkeit des Lebens ablenken soll und ihre Opfer findet. Kurtisane Violetta Valery (Ekaterina Isachenko) ist das begehrenswerte Lustobjekt, nach denen sich die Männer sehnen. Ihre Rolle, die sie in dieser Gesellschaft einnimmt, wird bereits im ersten Akt gut verdeutlicht, als die Menschen auf sie zu drängen und sie auf ihre Aufgabe verweisen. Denn einer Kurtisane steht es nicht zu zu lieben, was sie in tiefe innere Konflikte stürzt, die wunderbar zum Ende des ersten Aktes zur Geltung kommen, indem die Liebeserklärung Alfredos (Yoonki Baek) in den Ohren Violettas nachklingt und sich mit ihrem Gesang vermischt. Die wiederkehrende religiöse Komponente wurde gut umgesetzt. Vom Kreuz um Violettas Hals bis zu ihrer zumeist weißen Kleidung, untermalt mit den großartigen Texten von Verdis Librettisten Francesco Maria Piave. Nicht zuletzt bezeichnet sie sich selbst als la traviata, eine vom richtigen Weg Abgekommene. Die Beziehung zwischen den Liebenden, sowohl ihre Zuneigung, als auch ihr Leid, dass durch Giorgio Germont (Tomohiro Takada) hervorgerufen wird, kommt durch gelungenes Schauspiel dieser drei Hauptprotagonisten eindrucksvoll zum Ausdruck. Es ist wahrhaftig „eine Liebe, die der Herzschlag des Universums ist“, wie Piave die Figuren sprechen lässt. Schließlich neigt sich Violettas Leben dem Ende zu. Sie hüllt sich in den schwarzen Schleier des Todes und lässt den Vorhang fallen, was den finalen Schlussakt zum glanzvollen Höhepunkt der Inszenierung erhebt. Es schließt sich eine lange Zeit des Leidens und Sterbens an, die mit einem gewaltigen musikalischen und dramatischen Ende gekrönt wird.

Die Aufführung überzeugte mit einem perfekt eingespielten philharmonischen Orchester unter der musikalischen Leitung von Leo Siberski und einem großartigen Ensemble hochklassiger Opernsänger. Das Herzstück bildete jedoch Violetta-Darstellerin Ekaterina Isachenko, die mit überragender Stimme und schauspielerischem Talent glänzte. Die Bühnengestaltung und originalgetreue Inszenierung rundeten das Gesamtbild ab und trugen zur Grundstimmung der ganzen Oper bei. Vollkommen zurecht wurde die Vorstellung mit standing ovations belohnt. „La Traviata“ ist ein Stück, dass den Zuschauer in seinen Bann zieht, ihn mit den Protagonisten leiden lässt und verantwortlich ist für jede Menge Gänsehaut und getrocknete Tränen. Und es ist ein Stück, das seine Aktualität nie verloren hat und sicherlich nicht nur die Herzen der Romantiker ergreifen wird. Bis zum Juni ist die Oper noch in Kiel zu sehen.

Fotos: Olaf Struck

Jasmin studiert Soziologie und Germanistik an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und ist seit April 2012 Mitglied der Redaktion. Von Januar bis April 2013 war sie für das Gesellschaftsressort tätig. Von Mai 2013 bis April 2014 hat sie die Chefredaktion der Printausgabe übernommen.

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