Oberflächlich betrachtet scheint es, als stagniere die lokale Festival-Szene seit einigen Jahren: Die Etablierten verwalten ihren Status nur noch, neue Konzepte werden aufgrund hoher Betriebskosten bereits im Vorfeld ausgebremst. Doch im Untergrund tut sich was – das muss man nur erst einmal mitkriegen: Selbst für gewöhnlich gut unterrichtete Beobachter norddeutscher Festivitäten flog das Bröken Fest, das im Juni 2018 bereits zum dritten Mal stattfindet, bisher unter dem Radar.
Die musikalische Ausrichtung der Veranstaltung, die auf einem Flugplatz wenige Kilometer nördlich von Itzehoe ihr zuhause gefunden hat, buhlt aber auch nicht gerade um die Aufmerksamkeit der breiten Masse: „Outlaw-Country“, die anarchisch-unangepasste Alternative zum glattpolierten Nashville-Mainstream, hat man sich ganz vorne aufs Transparent geschrieben. Dahinter folgen Sellout-unverdächtig Bluegrass und Rock‘n’Roll. Dennoch gelang es mit analoger wie digitaler Mundpropaganda, bereits ein solides Publikumsfundament zu legen. 2018 sind nun die Flyer und Plakate mit dem markanten Festivalmaskottchen – einem knuffigen Nagetier, das Banjo und Schnapsflasche schwingt – präsenter denn je. Höchste Zeit also, die Festspielleitung mal zum Gespräch zu bitten.
DER ALBRECHT: Es ist ein billiger Einstieg, aber die Frage muss sein: Was hat es mit dem Namen Bröken Fest auf sich? Steckt da eine ‚Hömmage‘ an Motörhead hinter?
BRÖKEN FEST: Es ist so, dass wir uns vor ziemlich genau fünf Jahren einen alten Edeka/Bona-Markt als Partyraum zugelegt haben. Nach und nach wurde dieser in unsere kleine private Bar umgebaut. Da wir damals schon viele Kontakte in die Musikszene pflegten, kamen immer mal wieder Bands aus den USA vorbei, um bei uns einen Zwischenstopp einzulegen oder auch mal das ein oder andere Wohnzimmerkonzert zu spielen. Schnell wurde unsere „Bar“ zum Geheimtipp unter den Bands. Dann, inzwischen zum dritten Mal, kamen unsere Freunde, von der Band Jayke Orvis & The Broken Band aus den USA zu Besuch. Irgendwann stellte der Gitarrist James Hunnicutt die Frage nach dem Namen der Bar. Doch wir hatten uns nie weiter Gedanken darüber gemacht und so kam er auf die Idee, die Location doch einfach „Broken Bar“ zu nennen, also von der „Broken Band“ abstammend. Das „Ö“ war dann zum einen eine Hommage an Motörhead, als auch an James Hunnicutt, der z.B seinen Namen auf Patches auch gern mal mit einem „Ü“ versehen hat.
Und wie hat sich in den nächsten Jahren daraus das Festival entwickelt?
Der Ursprung für die Idee zum Bröken Fest ergab sich eher zufällig für uns. Wir bekamen eine Anfrage, ob wir bei uns in der Bar ein Konzert veranstalten würden. Allerding war es in diesem Fall nicht nur eine Band, sondern wir hätten gleich drei Bands buchen müssen, da diese zusammen auf Tour waren. Drei Bands in der Bröken Bar spielen zu lassen, wäre allerdings aus organisatorischen Gründen nicht gegangen. Und da unsere Location keine offizielle Bar ist, sondern nach wie vor eher ein etwas größerer Partyraum, hätte das auch unseren Rahmen gesprengt. Wir wollten allerdings nicht auf diese drei Bands verzichten und so kam uns das erste Mal der Gedanke, etwas Offizielles zu veranstalten. Aber eine Indoorparty war nicht das, was wir wollten, es sollte wenn, auch schon ein Open Air sein.
Aufgrund unserer guten Kontakte zu diversen Bookern, konnten wir auch relativ schnell ein tolles Line-Up zusammenstellen. Unser musikalischer Schwerpunkt lag beim Booking speziell im Genre Rootsmusic. Ob nun Bluegrass, Outlaw Country, Honky Tonk oder auch Hardrockabilly. Das Spektrum der Rootsmusic ist so vielfältig uns schier grenzenlos, dass dies genau das sein sollte, was wir wollten! Vor allem ist es etwas ganz Neues, etwas, was es so hier noch nicht gab! Im ersten Jahr spielten so bereits neun Bands – und das an nur einem Veranstaltungstag! Darunter auch Bands aus den Brasilien, Polen, Holland sowie aus den USA. Mit unserem Headliner WhiskeyDick hatten wir damals genau ins Schwarze getroffen, denn nur ein Jahr später spielten die zwei Texaner bereits auf dem Wacken Open Air vor einer brechendvollen Bühne.
2017 konnte das Festival aufgrund von baulichen Veränderungen nicht mehr an seinem Ursprungsort stattfinden und so zogen wir nach kurzer Suche auf das Gelände am Hungrigen Wolf um. Dort stand uns ein riesiger Flugzeughangar zur Verfügung. Das Tolle an der neuen Location war, dass wir dort absolut wetterunabhängig feiern konnten, denn die Konzerte fanden in dem Hangar statt. So ging das Bröken Fest in seine zweite Auflage. Dieses Mal allerdings bereits zwei Tage. Mit 13 Bands hatten wir wieder ein tolles, internationales Line-Up gebucht.
2018 wird das Festival wieder auf dem Hungrigen Wolf stattfinden. Bands aus der ganzen Welt werden sich am 15. und 16. Juni 2018 einfinden um ausgelassen zu feiern! Des Weiteren wird es auch wieder ein tolles Rahmenprogramm geben, mit ausgestellten US Cars, Vintage Store, Create your own Merch und Craft Beer. Besonders freuen wir uns in diesem Jahr auf die Band Left Lane Cruiser aus den USA, die bereits in der Serie Breaking Bad zu hören war und auch in Europa über eine riesige Fanbase verfügt.
Wie setzt sich denn dabei euer Publikum zusammen?
Natürlich sind viele Rockabillies vertreten, einige aus US-Car-Szene. Auch aus der Roots-Szene haben wir viele Leute, die sogar schon aus dem Ausland anreisen, denn die Festivals hier in Deutschland sind ja an einer Hand abzuzählen, wenn es überhaupt welche gibt. Natürlich sind auch Rockfans vertreten und gerade die ältere Generation die auf Bluesrock steht, ist immer mehr bei uns. Aber es kommen auch Leute, die einfach neugierig sind. Wir haben einige treue Festivalbesucher, die seit der ersten Stunde dabei sind, obwohl sie nie etwas von Rootsmusic im Vorfeld gehört haben, aber durch das Fest so angesteckt von der Musik, der Szene, sowie der harmonischen & friedlichen Atmosphäre wurden, dass das Bröken Fest für sie zum Pflichtprogramm des Festivalsommers geworden ist.
Euer Vorverkauf läuft über Metaltix, diverse Bands spielen sowohl auf dem Wacken als auch beim Bröken Fest. Was verbindet die beiden Szenen?
Viele Musiker dieser Bands haben früher bereits in Metalbands oder Punkbands gespielt oder spielen sogar immer noch. Dieses wirkt sich sicher auf das ein oder andere Stück auch schon mal aus. Man schaut sich nur mal die Jungs von WhiskeyDick an. Sie selbst betiteln ihre Musik als „Heavy Metal Honky Tonk“. Spielen gern mal das ein oder andere Stück von Pantera oder widmen ihr Stück Fallen heros/In This River ihrem verstorbenen Freund Dimebag Darrell. Dieses Jahr spielen Dirt A Gogo aus Holland nicht nur auf dem Bröken Fest, sondern auch ihre erste Show auf dem WOA, was uns wirklich sehr freut, denn ihren ersten Auftritt in Deutschland hatten sie 2016 bei uns.
Was wäre für euch realistisch betrachtet eine Band, die ihre gerne einmal buchen würdet?
Natürlich gibt es viele Bands, die wir gern mal bei uns auf der Bühne sehen würden. An einigen sind wir bereits dran, aber das kann oftmals ein langer Prozess sein, da die meisten Bands aus den Staaten kommen und eben nicht jedes Jahr in Europa auf Tour sind. Realistische Wunschbands wären auf jeden Fall The Devil makes three aus den USA und Slim Cessna‘s Auto Club, die wir dieses Jahr im Übrigen um Haaresbreite verpasst haben. The Dead South wären auf jeden Fall auch nochmal eine sehr gute Sache, die wir gern für die Zukunft mal ins Auge fassen würden, genau wie The Goddamn Gallows.
Und wen würdet ihr buchen, wenn die Gage keine Rolle spielen würde?
BRÖKEN FEST: Auch da gibt es sicher einige, aber ich persönlich würde Hank III [Band von Shelton Williams, dem Enkel des legendären Country Pionier Hank Williams; Anm. d. Redaktion auf diese Position setzen. Leider geht er nur sehr, sehr selten in Europa auf Tour, so dass die Chancen wirklich gering sind. Aber wer weiß, was da noch alles so kommen mag…
THE BRÖKEN FEST
15.-16. Juni
Flugplatz Hungriger Wolf/Hohenlockstedt
LINE-UP
Left Lane Cruiser (US), Lambretta Suede & the Motel 6 (NZL),
The Goon Mat & Lord Bernado (BEL), SS Web (US),
James Hünnicütt & Philip Bradatsch (US/GER), Hopeless Jack (US),
Tiro Williams & the wild Cowboys (BR), Joe Carley & the Old Dry Skulls (UK),
Dirt A Gogo (NL), Cowboy Bob & Trailer Trash (GER),
Reverend Red (US), Saint Christopher Webster (US),
The Family Booze Farmers (BEL).
Bilder mit freundlicher Genehmigung des Bröken Fest
Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.