Wenn es um den Sitz auf dem überdimensionalen Eisernen Thron geht, sind auch die Reaktionen der Fans und Nicht-Fans breit gefächert. Unsere Redakteurin Eva – bekennender Fan – hat versucht, ihrem Kollegen Eric – absoluter Neuanfänger – Game of Thrones mithilfe der ersten Folge nahezubringen. Ob sie das geschafft hat? EVA : Schnee, Schnee und noch mehr Schnee: Im Norden des Kontinents Westeros der mittelalterlichen Fantasiewelt von Game of Thrones gibt es nicht viel mehr als das – außer einem verängstigten Mann, der mitten im Schnee zerstückelte Leichen findet. Wer die Serie oder die Bücher kennt, weiß: Die werden getreu dem Motto „What is dead may never die“ nicht lange dort liegen bleiben.
ERIC: Die Pilotfolge der Erfolgsserie Game Of Thrones startet mit einem scheinbar endlosen, dunklen Tunnel und einer riesigen, vereisten Landschaft. Jeder Landschaftsfotograf wäre bei diesem Anblick im Dreieck gesprungen – die Kulissen, und das ist während der gesamten Folge zu beobachten, sind wirklich beeindruckend und realistisch. Doch schnell kippt diese Ästhetik: Der erste richtige Schockmoment folgt sofort: Eine an einen Baum gebundene Mädchenleiche ist in direkter Nahaufnahme zu sehen, die wenig später mysteriöserweise wieder zum Leben erwacht.
EVA: Diese Szene schildert eindrucksvoll das Grundproblem der Handlung, das in den folgenden Staffeln immer wieder kurz aufblitzt, aber die meiste Zeit neben den Querelen und Ego-Konflikten der hohen Lords und Ladies in den Hintergrund rückt. In Westeros gibt es statt des normalen Jahreszeitenverlaufs jeweils mehrere Jahre lange Eis- und Warmzeiten, die sich ablösen. Neben klirrender Kälte und Problemen bei der Lebensmittelversorgung bietet der Winter in Westeros noch ganz andere Gestalten: Untote! Und jeder Fan der Serie weiß: „Winter is coming“.
ERIC: Der erste Mord ist eine sehr blutige Enthauptung. Während ich noch geschockt auf die Blutlache starre, setzt der berühmte Vorspann der Serie ein. Dieser läuft zwar eine gefühlte Ewigkeit, ist dafür aber für mich, als nicht Game of Thrones-Fan, ein guter Überblick über alle wichtigen Königreiche – sozusagen eine blitzschnelle Zusammenfassung.
EVA: Der Vorspann von Game of Thrones ist für eine aktuelle Serie tatsächlich ungewöhnlich lang, der aufmerksame Zuschauer bemerkt aber schnell, dass er Hinweise auf den Plot der jeweiligen Folge bereits im Vorspann erkennen kann: Denn in jeder Folge werden mehr oder weniger nur die Orte, an denen sich Teile der Handlung abspielen, im Vorspann gezeigt. Auch Schauspieler, deren Charaktere in der betreffenden Folge nicht in der Handlung auftauchen, werden meist weggelassen. Der Vorspann ist also kein starres Gebilde, sondern erzählt als Teil des Gesamtkunstwerks der Serie seine eigene Geschichte. Dieser Detailreichtum ist es, der mich an Game of Thrones so fasziniert.
ERIC: Nach dem ganzen Gemetzel und Hingerichte dachten sich die Drehbuchautoren wohl, dass ein schöner Moment ganz angebracht wäre. Die zuvor gezeigten Tiere, die auf brutalste Weise getötet wurden, werden direkt von süßen Welpen abgelöst. Diese positive Wendung der Serie steigert sich bis hin zur nächsten Sequenz, die drei attraktive halbnackte Männer beinhaltet. Dass eine aufkommende sexuelle Spannung ein wichtiger Bestandteil der Serie ist, wusste ich bereits. Nach einer Viertelstunde ist dieser Anblick ziemlich enttäuschend, da es zwar nackte Körper, aber noch keine der skandalösen Sexszenen zu sehen gab – wo bleiben die denn? Die Zahl der Figuren, die entscheidend für diese Serie ist, steigt von Sequenz zu Sequenz. Die unterschiedlichen Familienverhältnisse erschließen sich mir zwar allmählich, jedoch nur auf Nachfrage. Es sind einfach zu viele Figuren, zu viele Handlungsstränge und zu viele Königreiche, die abwechselnd im Fokus stehen. Einige Details kommen mir ziemlich absurd vor: Wer kann schon von sich behaupten, ein Drachenei als Hochzeitsgeschenk erhalten zu haben, das wiederum von einem barbarischen Volk verschenkt wird, dessen Wortschatz das Wort „Danke“ nicht beinhaltet. Während die Braut in ihrem durchsichtigen Kleid von ihrem zukünftigen Mann missbraucht zu werden scheint, gibt es in der nächsten Szene eine wilde Orgie zwischen mehreren Frauen und einem kleinwüchsigen Mann. Da sind sie also: die lang erwarteten Nackt- und Sexszenen!
EVA: Berühmt und berüchtigt ist die Serie nach den Romanen von George R.R. Martin nicht nur für ihre liebevolle Umsetzung, sondern im wahrsten Sinne des Wortes für ihre liebevollen Inhalte: Für eine Serie, die für das diesbezüglich sehr sensible amerikanische Fernsehpublikum gedreht wurde, wird erstaunlich viel Haut gezeigt. Der private Sender HBO hat schon in den Neunzigern mit Sex and the City das offene Ansprechen von Sex erstmals ins Fernsehen gebracht, nun wird nicht mehr nur geredet, sondern es geht zur Sache. Und dabei wird wenig verdeckt, von nackten Brüsten und Penissen, Orgien und Inzest ist alles dabei. So kommt es auch, dass der Sender schon seit Beginn der Serie gegen Raubkopierer kämpft, die Sexszenen auf Pornoseiten ins Internet stellen; meiner Meinung nach kein Wunder. Die explizite Erotik dürfte zwar ein Mittel sein, um die Serie zum Gesprächsthema zu machen, aber zum Kern der Geschichte gehört sie für mich nicht. Was mich an Game of Thrones fasziniert, ist nicht nur die detailreiche und spannende Geschichte, die famosen Bilder und die überraschenden Wendungen, sondern besonders die Gleichgültigkeit der Protagonisten gegenüber ihrem eigenen Verderben, die in den weiteren Folgen immer mehr zu Tage tritt. Man will ihnen fortwährend zurufen, dass sie sich nun doch einmal um das wesentliche Problem kümmern sollten, von dem sie entweder nichts wissen oder sich weigern, es ernst zu nehmen, statt fortwährend aufeinander einzuhacken und wild durch die Gegend zu vögeln. Wie verloren die Menschheit im Angesicht ihrer großen Baustellen ist, lässt sich durchaus auf die Realität übertragen.
ERIC: Nach einer Stunde endet die erste Folge mit der Kletterei des jüngsten Fürstensohnes, der auf seiner Entdeckungstour in einem verfallenen Turm das königliche Geschwisterpärchen beim Sex erwischt: Ohne zu Zögern wird der Junge in die Tiefe gestoßen, nur um die skandalöse Liebschaft geheim zu halten. Welch krasser Cliffhanger! Nach zahlreichen Metzeleien inklusive viel Blut, einer Hand voll verwirrender Familienstrukturen und dem ein oder anderen nackten Körperteil gibt es ein Fazit: Ich muss gestehen, dass es genau diese Merkmale sind, auf die ich auch so gespannt war. Trotzdem sind es aber genau diese, die mich letztendlich nicht zu einem Game Of Thrones-Fan werden lassen. Ich liebe zwar das verworrene und dramatische Intrigenspiel mit dem ein oder anderen Plot Twist, aber die Thematik der Fantasy- und Mittelalter-Serie interessiert mich überhaupt nicht.
EVA: Wer sich an Mittelalter, Fantasy und Intrigenspiel oder einfach nur guter Unterhaltung erfreuen kann, wird sich bei dieser Serie gut aufgehoben fühlen, wenn er nicht sowieso schon seit 2011 bei den Intrigen, Cliffhangern und dem Blutvergießen mitgefiebert hat.
Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.