Meine Mutter pflegt zu sagen: Älter werden wäre schön, wenn die Probleme nicht immer mehr Gewicht bekämen. Wie schön war es damals, zu sitzen im Zimmer und sich um das Tamagotchi zu kümmern, im Wohnzimmer tanzend zu What is Love von Haddaway. Als die Backstreet Boys noch Bäcksli Bois hießen, und Top of the Pops das Highlight der Woche war, die Kelly Family noch Musik machte und jeder sang: „So tell me what you want, what you really, really want.” Zum Fasching ging ich als Power Ranger, auf dem Schulhof war ich Sailor Moon, jeder wollte Fußball spielen wie die Kickers, Hamster hießen durchweg Pikachu. Die ersten Kraftausdrücke lernten wir von Tic Tac Toe: „Ich find dich sch***, so richtig sch-sch-sch***!“ Rebellion bedeutete Kreide zu durchnässen, und sich nach dem Klingeln auf dem Klo zu verstecken, nur um das Alphabet nicht schon wieder malen zu müssen. Beim Fußticker brach man sich den Knöchel, war dann traurig, weil Feuer, Wasser, Blitz die anderen amüsierte. Nachmittags ging es in den Supermarkt, die erste Bravo wurde gekauft. Während die No Angels im Zimmer auf Britney Spears trafen, kam der blaue Lidschatten zum Einsatz – nach Christina Aguilera war das Beautiful. Bald wechselten die Poster: Tupac und Eminem wurden zu Vorbildern, Disney spielte keine Rolle mehr, erwachsen werden war das Ziel. Probleme gewannen an Gewicht. Heute heißt die Prinzessin Kate und nicht mehr Diana, Castingshows sind out, Robbie Williams ist verheiratet und hat ein Kind, und wir sind erwachsen. Sollen es sein. Doch wir meistern unser Leben immer noch in Blümchen-Leggins, gehen zur Arbeit mit N-Sync auf den Ohren, hören zum Einschlafen Kassette. Täglich sind wir konfrontiert mit großen Problemen: Wir haben alle Abitur und wissen damit nichts anzufangen, wollen die ganze Welt sehen, doch die Zeit dafür nehmen können wir uns nicht. Wir sind Generation Zukunftsangst. Wir sind die ersten, die mit der Globalisierung erwachsen werden, für die es normal sein wird, beruflich zu variieren. Die Welt dreht sich immer schneller und wir bekommen Angst, dass sie uns vollkommen verschluckt. Aber wir, und nur wir, die Kinder der 90er tragen etwas in uns: Unser persönliches Nimmerland. Also schaut manchmal zurück, schließt die Augen und spürt den Feenstaub von Glöckchen. Hebt ab zu diesem wundervollen Ort: Den Erinnerungen unserer Kindheit.
Sandra ist 21 Jahre alt und studiert Geschichte und Europäische Ethnologie/Volkskunde an der CAU Kiel. Seit 2012 ist sie Mitglied der Redaktion. Seit April 2014 ist sie Chefredakteurin der Print-Ausgabe.