Im Hinterhaus eines herrschaftlichen Anwesens in der Widenmayerstraße 2 in München arbeitet der alte Schreinermeister Franz Eder an einem ‚Kastel‘ für Frau Steinhausen. „Jo, heit is doch ois wieda vahext!“, flucht er, als plötzlich das Stemmeisen verschwindet – dabei hatte er es gerade eben erst neben sich gelegt. Kurz darauf ist auch das Schloss auf einmal weg, dann die Brille, und da bewegt sich doch die Leimdose bedrohlich nahe dem Ende der Werkbank entgegen! Herr Eder wirft mit dem Holzhammer nach der Dose, um die vermeintliche Maus zu erwischen, die in der Schreinerei ihr Unwesen zu treiben scheint. Doch es ist keine Maus, die Herrn Eder da auf den Leim gegangen ist – es ist der Pumuckl.
So beginnt die Geschichte um den kleinen, barfüßigen Klabautermann in grüner Hose und gelbem Shirt, der seit 1962 in Radiohörspielen, auf Schallplatten, in Büchern und ab 1982 auch in Film und Fernsehen Einzug in die Kinderzimmer hielt und noch bis einschließlich 2007 auf dem Kinderkanal seinen Schabernack trieb. Als Klabautermann, Heinzelmännchen-Hasser und wohl unterhaltsamster Vertreter der Kunst des Neckens, sorgt der freche Pumuckl für ordentlich Spaß und auch die ein oder andere Lebensweisheit: „Pumuckl neckt, Pumuckl versteckt und niemand was meckt! Oh, das reimt sich ja und was sich reimt, ist gut!“
Der kleine Kobold pfeift nicht nur auf Reimschemata, sondern auch auf Zucht und Ordnung, das muss auch Herr Eder schnell feststellen. Während er noch hofft, ein Heinzelmännchen entdeckt zu haben, schimpft Pumuckl: „Heinzelmännchen, dieses niedere Pack, wenn ich das Wort schon höre! Die arbeiten ja alle, die werken und trappeln!“ Nein, Heinzelmännchen mag er wirklich nicht, die verabscheut er sogar noch mehr als Käse, Katzen und Gartenzwerge. Pudding dagegen, Pudding ist gut.
„Wenn ein Kobold an einem menschlichen Ding hängen bleibt, dann wird er sichtbar. Das ist Koboldsgesetz!“, erklärt Pumuckl Meister Eder und schüttelt sich über das dumme Gefühl, plötzlich sichtbar zu sein. „Dann geh doch wieder weg und komm nicht mehr zu mir, dann bleibst unsichtbar“, schlägt Eder vor. „Ich muss aber doch bei dem bleiben, der mich einmal gesehen hat! Ko-bolds-gesetz!“ So kommt es, dass Pumuckl von jetzt an seine Späße in Herrn Eders Schreinerei treibt. Unsichtbar, wie er für Eders Kunden ist, glauben die jedoch stets lieber an merkwürdige Zufälle als an die vermeintliche Existenz des kleinen Kobolds. So fliegt die Kuckucksuhr von ganz alleine von der Wand, den Spuk im Schloss bildet sich die Gräfin sicherlich nur ein und aufgegangene Schuhbandel seien schließlich das Normalste der Welt.
Hans Clarin, den Sprecher Pumuckls, kennt man – wenn nicht aus dem Dunstkreis des Film- und Fernseh-Entertainments rundum Harald Juhnke und Heinz Rühmann – auch noch aus den Geschichten einer anderen allseits beliebten Kindheitsfigur: Er spielte Donner Karlsson in Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf. Er und ein großartiger Gustl Bayrhammer in der Rolle des Schreinermeisters Franz Eder, machen Meister Eder und sein Pumuckl zu einem herzerwärmenden Relikt der Jahrhundertwende. Bayrhammer musste stets mit dem Nichts spielen und sprechen, denn Pumuckl wurde erst später in die Aufnahmen gezeichnet, mit 1 300 Einzelbildern pro Zeichentrickminute.
Das Schöne ist doch aber, dass uns all dies als Kinder so herzlich egal war, Hauptsache, da war ein liebenswürdiger Opa mit bayrischem Dialekt und ein kleiner rothaariger Klabautermann, der den Alltag des alten Schreinermeisters so schön spannend machte, mit Trotz und Witz und unendlich vielen frechen Späßen. „Pädagogik hinter einem Lachen“, nennt Ellis Kaut dies und hat damit so viel richtig gemacht. Sie ist die Erfinderin Pumuckls und trage den Kobold selbst in sich, so die mittlerweile verstorbene Schauspielerin, Schriftstellerin und Künstlerin in einem Interview aus dem Jahr 2010. Ihr Mann war es nämlich, der ihr einst den Namen ‚Pumuckl‘ gab, als sie im Winterurlaub an Ästen voller Schnee zog, damit der hinter ihr gehende Ehemann eine gehörige Ladung davon in den Nacken geschüttet bekäme. „Du bist ein rechter Pumuckl!“, rief er daraufhin.
Meister Eder und sein Pumuckl ist eine reine Freude und echte Perle des Kinderfernsehens: Herrlich leger wird im Wirtshaus Karten gespielt, Meister Eder trinkt Bier mit seinen Stammtischbrüdern, Lausbuben laufen die Gassen entlang und fluchen „Scheiß Schule!“ – was denn eine Scheißschule sei, will Pumuckl prompt wissen, als er auf Eders Fensterbank hockend die Kinder belauscht. Pumuckls unverblümt unschuldige Art macht ihn zu einer so wunderbaren Figur der Kindheit. „Es ist eine gewisse Denkweise, die der Pumuckl hat, eine schlaue, eine kindlich schlaue, und eben in vielen Dingen viel treffender und ungenierter“, sagt Kaut. Sie habe nie für ein gewisses Alter geschrieben, denn jeder würde das aus der Geschichte heraussuchen, was er verstehe oder verstehen wolle.
So ist Pumuckl der liebenswürdige und gleichzeitig trotzige kleine Klabautermann, der ordentlich viel Unsinn treibt, meckert und brüllt und sagt, wonach ihm der Sinn steht und es dabei, genau wie Kinder, nie wirklich böse meint und mit Eders Hilfe jeden Tag durch seine Erfahrungen mehr über das Leben lernt. „Was man alles muss, wenn man sichtbar ist“, sagt der Kobold, überrascht darüber, dass sich sein Magen morgens leer anfühlt und er von all dem Schabernack ganz müde wird. Und wenn Pumuckl es doch mal zu weit treibt, lehrt ihn Herr Eder eine wichtige Lektion: „Jeder Spaß hört da auf, wo ein anderer Schaden davon hat.“ Meister Eder wiederum erweitert sein Nervenkostüm, schimpft und lacht gleichermaßen über Pumuckls Neckereien und ist vor allem nicht mehr so einsam in seiner kleinen Schreinerei. Jetzt hat er einen kleinen, stets dichtenden Klabautermann an seiner Seite, der mit Bleistift ein Schiff an seine frisch gestrichene Wand malt, die Sägespäne aufwirbelt, für verrückte Geschichten, kleine Abenteuer und mit ein paar gewieften Tricks manchmal sogar für neue Tischlerei-Aufträge sorgt. Und vor allem hat er nun einen Schützling, mit dem es ihm nie wieder langweilig wird.
Zeichnungen: Kathrin Biskop
Leona ist seit Juni 2014 Teil der Redaktion und war von Dezember 2014 bis Februar 2017 Chefredakteurin der Print-Ausgabe des ALBRECHT. Anschließend leitete sie die Online-Redaktion bis Mitte 2018. Leona studiert Englisch und Französisch an der CAU, schreibt für verschiedene Ressorts der Zeitung und kritisiert Land, Leute, Uni und den Status Quo ebenso gerne wie Platten.