Die Superhelden-Hochzeiten
Titel: Marvel: Das Hochzeitsalbum & Batman: Die Vorgeschichte zur Hochzeit
Autor: Stan Lee/Tim Seeley u.a. (Skript) & Jack Kirby/Sami Basri u.a. (Zeichnungen)
Verlag: Panini. 324/132 Seiten, Hardcover/Softcover (farbig). 29/15,99 Euro.
Manchmal wird selbst der eher am Testosteron orientierte Superheldenfan romantisch und stellt sich gerne ein Heft in die Sammlung, in dem eine seiner Lieblingsfiguren heiratet. Nach aktuellem Stand geschah das im Marvel-Universum bisher zwanzigmal, die Hälfte der Hochzeiten wurde (in Amerika ursprünglich anlässlich des Valentinstages und mit Verspätung nun auch hier) zu einem mit Blumen und Herzchen verzierten Sammelband zusammengefasst. Erfreulicherweise hat die Auswahl auch ein Herz für Obskures, weshalb nicht nur das zu Erwartende (Reed „Mr. Fantastic“ Richards/Sue „Invisible Girl“ Storm, 1965; Peter „Spider-Man“ Parker/Mary Jane Watson, 1987 etc.), sondern auch Abwegiges wie die Eheschließung zwischen Deadpool und der Dämonen-Prinzessin Shiklah (2014) berücksichtigt wurde. Am schlechtesten gealtert ist übrigens die Trauung von „X-Men“-Chefin Storm und Black Panther – die voyeuristischen Hochzeits- und Brautkleider von 2006 gehen heute mal so gar nicht mehr. Das waren halt andere Zeiten… (6/10)
Während man bei Marvel also quasi von Feier zu Feier hetzt, tanzt der Konkurrent DC derzeit auf nur einer Hochzeit – das aber so richtig: Wenn sich hier Batman und Catwoman das Ja-Wort geben, tun sie das ganz bewusst im Kostüm und nicht in ihrer bürgerlichen Existenz. Dieser Brückenschlag zwischen Held und Schurkin ist sicherlich eine ganz neue Form der Versöhnung. Klar, dass sich die nicht in ein paar einzelnen Heften abhandeln lässt: Bevor es überhaupt vor den Altar geht, erscheint erst einmal ein Sammelband, der die Junggesellenabschiede ebenso abhakt, wie den inoffiziellen Polterabend, bei dem der Joker auf der Suche nach seiner Einladung eine Schneise der Verwüstung durch die halbe Stadt zieht. Da freut man sich schon auf die Fortsetzungen: Scheidung, Rosenkrieg und Sorgerechtsstreit wirken plötzlich wieder interessant. (7/10)
Bouncer
Titel: Bouncer – Gesamtausgabe Bd. 1
Autor: Alejandro Jodorowsky (Skript) & Francois Boucq (Zeichnungen)
Verlag: schreiber&leser. 136 Seiten, Hardcover (farbig). 29,80 Euro.
Für Wild West-Romantik hatte der frankobelgische Comic nie sonderlich viel übrig. Stattdessen kratzte Lucky Luke aus ironischer Distanz an der Oberfläche des Genres, während Blueberry etwas Dreck darauf verteilte. Dennoch hatte man im Grunde Gefallen an den amerikanischen Mythen gefunden und dementsprechend wenig Interesse, diese ernsthaft zu demontieren. Mit dem Debüt des Bouncers sollte sich dies im Jahr 2001 freilich ändern.
In der bitter-nihilistischen Serie war die Prärie kaum mehr als ein Sammelbecken traumatisch verlaufenden Biografien, wie der von Aunty Lola und ihren Söhnen: Im Alter von acht Jahren musste Lola die Ermordung ihrer Eltern mit ansehen, bevor sie für ein paar Flaschen Whiskey an das nächste Bordell verkauft wurde. Mit 15 hatte sie drei Söhne unterschiedlicher Freier zur Welt gebracht, die sie zu Schlägern und Revolverhelden heranzog. Nach Jahren des Banditenlebens begann mit dem Diebstahl eines angeblich verfluchten Diamanten die Auflösung der Familie: Ein Streit eskalierte, Lola erhängte sich, Blake, ihr Ältester, verlor ein Auge, der jüngste Sohn einen Arm. Der Diamant verschwand, doch die Spirale der Gewalt drehte sich weiter.
Noch 17 Jahre später jagt Blake wie besessen nach dem verlorenen Edelstein. Als ihm sein mittlerer Bruder Ralton dabei in die Quere kommt, zögert er nicht, diesen kaltblütig zu töten. Raltons Sohn Seth schwört daraufhin bittere Rache und sucht bei dem letzten Rest Familie Hilfe, der ihm noch geblieben ist: Seinem einarmigen Halbonkel, dessen Ruf als Rausschmeißer und Scharfschütze ihm vorauseilt – dem Mann ohne Namen, den man nur den Bouncer nennt und der ihn auf seiner Vendetta leiten wird.
Der Auftakt der Gesamtausgabe, der die ersten beiden Alben der Serie umfasst, erzählt eine tiefschwarze Rachegeschichte, hoffnungslos aber nicht deprimierend, wild aber nicht verklärend. Er zeigt die Prärie als Ort, an dem selbst die Starken nur so lange überleben, bis Schuld und Hass sie aufgefressen haben. Am Ende bleibt nur verbrannte Erde, so dass einen die Früchte des Zorns, die das Land heute wieder trägt, nicht mehr überraschen. Man wundert sich vielmehr, wie auf diesem Boden überhaupt noch einmal etwas wachsen konnte. (9/10)
Kick-Ass & Hit-Girl
Titel: Kick-Ass: Frauenpower, Hit-Girl in Kolumbien & Hit Girl in Kanada
Autor: Mark Millar/Jeff Lemire (Skript) & John Romita jr./Ricardo Lopez Ortiz/Eduardo Risso (Zeichnungen)
Verlag: Panini. 164/116/100 Seiten, Softcover (farbig). 20/14,99 Euro.
Wo kommen eigentlich all die Superhelden her? – Eine Frage, die den geneigten Leser ja schon lange beschäftigt. „Zum Beispiel aus dem Irak-Krieg.“, gibt Kick-Ass: Frauenpower nun eine überraschend stimmige Antwort: Nach drei Runden im „War on Terrorism“ nutzt die Afroamerikanerin Patience Lee ihre Ausbildung, um vor der eigenen Haustür aufzuräumen. Dabei erzittern nicht nur Drogendealer und Bandenmitglieder unter dem Zorn der gestählten alleinerziehenden Mutter, sondern auch degenerierte Nachbarn, die Frau und Kind misshandeln.
Subtrahiert man allerding den zeitgemäßen Ursprung der Heldin, bleibt kaum mehr als ein austauschbarer Krieg gegen das Verbrechen übrig. Als Revitalisierung des Klassikers Kick-Ass (2008) vermag Frauenpower keinesfalls zu bestehen – selbst wenn Autor und Zeichner dieselben sind. Der tiefschwarze Humor, mit dem Mark Millar und John Romita jr. vor zehn Jahren ausbuchstabierten, welch grausamen Folgen es hatte, als der schmächtige Nerd Dave Lizewski sich in ein Superheldenkostüm zwang um Recht und Ordnung in die eigene Hand zu nehmen, geht der Neuauflage vollständig ab. (5/10)
Weiterhin Verlass ist hingegen auf Mindy McCready, die minderjährige Kampfmaschine, die man als Hit-Girl kennt. Einst nahm sie Dave unter ihre Fittiche und rettete ihn damit vor dem sicheren Tod, danach suchte sie vergeblich nach einem Ersatz für ihren Sidekick. Die neugewonnene Freiheit nutzt sie nun für eine Weltreise, deren erste Stationen nicht unterschiedlicher ausfallen könnten: Hit-Girl in Kolumbien lässt die schon immer grotesk überspitzte Gewaltdarstellung der Serie vollends ins Fantastische kippen – da verprügelt Mindy schon mal einen halben Zoo voller Raubtiere und überrollt ein komplettes Drogenkartell mit einem altmodischen Güterzug. Geradezu geerdet wirkt hingegen Hit-Girl in Kanada: Der Feind sind hier weniger skrupellose Grenzschmuggler und korrupte Mounties, als vielmehr die archaische nordamerikanische Wildnis. So abwechslungsreich kann es weiterhingehen, vielleicht heißt es ja irgendwann auch mal: „Hit-Girl im Hamburg“. Dann tritt Mindy mit Knarre und Säbel gegen die Gentrifizierung an. (7/10)
Hellboy
Titel: Hellboy: Kompendium 3 & Krampusnacht
Autor: Mike Mignola (Skript) & Duncan Fegredo/Adam Hughes (Zeichnungen)
Verlag: Cross Cult. 480/32 Seiten, Hardcover/Softcover (farbig). 60/5 Euro.
Dass der neue Hellboy-Film Call of Darkness jüngst bei Publikum wie Kritik heftig durchgefallen ist, hat viele Gründe – die Comic-Vorlagen Darkness Calls (2007), The Wild Hunt (2009) und The Storm (2011) gehören sicherlich nicht dazu. Die drei Bände, die nun als dritter Teil der Höllenbengel-Gesamtausgabe erscheinen, bieten schließlich den bewährten Kontrast aus versponnenen Gothic-Fantasy-Mythen und dem pampig-hemdsärmeligen Charme ihrer Titelfigur, die wie immer mit dem Missmut eines Kammerjägers das Halali zur Monsterjagd bläst. Die Gefahr geht diesmal von einer Hexen-Verschwörung und einem Rudel Riesen, das England verwüstet, aus. Zu spät muss Hellboy allerdings erkennen, dass diese Teil einer uralten Fehde um das Fortbestehen der Menschheit sind, in der auch ihm eine entscheidende Rolle zugedacht ist.
Gleichsam erschöpft sich die Serie nicht in der Musealisierung ihrer Historie. Dass auch die aktuellen Ausgaben relevant sind, beweist die Geschichte Krampusnacht, die im letzten Jahr mit dem Eisner-Award – dem höchsten Preis der Comic-Industrie – für das beste Einzelheft ausgezeichnet wurde. Darin gerät Hellboy anno 1975 mit einem österreichischen Geistlichen aneinander, der behauptet, der wahrhaftige Krampus (das Austro-Analog zu Knecht Ruprecht) zu sein und Kindern mit Vorliebe mehr als nur die Rute gibt. Was dabei deutlich wird: Mit seinem kantigen Zeichenstil und der stringenten Farbdramaturgie, die wie aus der Zeit gefallen wirken, fühlt sich Hellboy in den Abgründen jeder Dekade wohl. Seit mittlerweile mehr als 25 Jahren wirkt die Serie wie aus einem Guss, unabhängig davon, ob sie nun von Mike Mignola, Duncan Fegredo oder Adam Hughes gezeichnet wird. Das ist Markenidentität, das ist Qualität – einer wie der andere. (8/10)
Venom
Titel: Tödlicher Beschützer, Venom Inc. & Venomverse: Krieg der Symbionten
Autor: David Micheline/Mike Costa/Cullen Bunn (Skript) & Mark Bagley/Gerardo Sandoval/Iban Coello (Zeichnungen)
Verlag: Panini. 220/156/120 Seiten, Softcover (farbig). 22/16,99/14,99 Euro.
Die fieseste Vokuhila der Comicgeschichte kombiniert mit der größten Sammlung an bauchfreien Tank-Tops – eine Figur wie Eddie Brock konnte nur an der Schwelle der 90er Jahre geboren werden. Ursprünglich als Journalist angelegt, avancierte er 1988 nach dem Kontakt mit einem außerirdischen Parasiten zu einem düster-bizarren Doppelgänger Spider-Mans. Bald wurde der so beliebt, dass er 1993 eine eigene Serie erhielt, deren Auftakt nun unter dem Titel Tödlicher Beschützer neu auflegt wird. Die sieht zunächst wie leicht veraltete Action von der Stange aus, ist auf den zweiten Blick aber durchaus ambivalent: Brock verschlägt es in eine Kolonie von obdachlosen Aussteigern im Untergrund San Franciscos, die er gegen Baulöwen und staatliche Restriktionen verteidigt. Dass der Parasit Venom mental zu lenken versucht, hat gleichsam eine ernstzunehmende Persönlichkeitsstörung ausgelöst, so dass die gute Absicht und die äußerste Brutalität, mit der Brock sie durchzusetzen versucht, in einem mehr als fragwürdigen Verhältnis stehen. Das Ergebnis ist denkbar obskure Sozialkritik und ein echtes Original aus der Zeit. (7/10)
Mittlerweile hat Venom sein dreißigjähriges Jubiläum hinter sich gebracht, einen ordentlichen Friseur gefunden und gelernt, wie man Oberbekleidung in der richtigen Größe kauft. Auch neuere Serien wie Venom Inc. gehen mit der Zeit: Hier instrumentalisiert eine Verbrecherorganisation Brocks Parasiten zu ihrer „Corporate Identity“ und erschafft auf diese Weise ebenso effiziente wie gewalttätige Arbeitssklaven. Dabei geht allerdings die Abgründigkeit verloren, was bleibt sind scheinbar endlose Prügeleien. Modernisierung ist hier der konstante Verweis darauf, dass in den Neunzigern alles besser war. (5/10)
Ungleich vergnüglicher ist zuletzt die Miniserie Venomverse geraten, in der eine außerirdische Rasse Superhelden durch den Beschuss mit Parasiten „venomifiziert“, um sie auf diese Weise unter ihre Kontrolle zu bringen. Brock sieht sich angesichts dieses wüsten Spektakels als schlechtgelaunter, zumeist aber irrelevanter Stichwortgeber allerdings in die zweite Reihe gedrängt. Anno 2019 muss man scheinbar auch als Antiheld domestiziert sein. (6/10)
Con-Review: Comic- und Mangapark Erfurt
Datum: 27.-28. April 2019.
Ort: Ega-Park, Erfurt.
Wer sich gerne mal eine personalisierte Zeichnung seiner Lieblingsfiguren an die Wand hängen möchte, kommt kaum umhin, eine längere Fahrt zu den gängigen Comic-Messen und -Festivals auf sich zu nehmen. Am bekanntesten sind hier sicherlich die von den ausstellenden Verlagen subventionierten Branchentreffen wie die Manga-Comic-Con der Leipziger Buchmesse, der Comic Salon in Erlangen und das Comicfestival in München. Das Problem auf diesen etablierten, publikumsstarken Veranstaltungen sind allerdings die langen Schlangen, in die man sich auf gut Glück (oder schon lange vor Beginn einer Signierstunde) einreihen muss, nur um dann am Ende häufig leer auszugehen. Kleine, spezialisierte Festivals richten sich dagegen vornehmlich an hartgesottene Sammler, weshalb sich die Preislisten der Zeichner gerne mal auf einem Niveau bewegen, das man als Normalsterblicher weder bedienen kann noch will.
Der Comicpark in Erfurt, der am Wochenende nach Ostern über die Bühne ging, schlug in diesem Jahr einen bemerkenswerten Mittelweg ein: Nachdem sich die Veranstaltung bisher vornehmlich an Cosplayer richtete (die auch diesmal wieder zu Hunderten kostümiert durch die größte Gartenanlage Thüringers tollten), fuhr die dritte Auflage eine veritable Riege überwiegend spanischer und italienischer Zeichner wie Rafa Sandoval (Flash) oder Marco Failla (Ms. Marvel) auf. Als netter Service des Comicparks zeichnete jeder von ihnen eine Stunde pro Tag gratis für die Besucher, so dass sich jeder Interessierte ohne großen Stress ein bis zwei Sketche mit nach Hause nehmen konnte.
Unbestrittener Höhepunkt war aber die Anwesenheit der britischen Legende Glenn Fabry, dessen Titelbilder (Preacher, Hellblazer, Batman etc. pp.) bis heute zu den Meisterwerken der Comic-Kunst zählen. Erstmals seit zwölf Jahren wieder in Deutschland aktiv, erfüllte die Ikone für vergleichsweise wenig Geld (eine farbige Zeichnung an der der Maestro über eine Stunde arbeitete, gab es beispielsweise schon für 60 Euro), gut gelaunt die Wünsche seiner, doch recht zahlreich angereisten, Fans und haute dabei in breitestem Slang pausenlos Anekdoten über die Höhen und Tiefen seiner Karriere raus. Das wird sich bei der nächsten Ausgabeschwerlich noch toppen lassen, doch nach dieser gelungenen Veranstaltung darf man mehr als gespannt sein, wie es mit dem Comicpark weitergeht.
Short Cuts
Mariko & Jillian Tamaki: Skim: Jahre bevor Mariko Tamaki als Autorin bei She-Hulk und Supergirl einstieg und ihre Cousine Jillian für den Erzählband Grenzenlos mit den höchsten Ehrungen der Comic-Industrie ausgezeichnet wurde, sorgten die beiden japanisch-stämmigen Cousinen aus Kanada mit ihrem Debüt Skim (2008) für Aufsehen. Nun erscheint die Geschichte der sechzehnjährigen Kimberly Keiko Cameron, die Anfang der 1990er versucht, sich mit Hilfe von Gothic-Kultur und ihrem Wicca-Zirkel durch ein Leben als Highschool-Außenseiterin und die unerfüllte Liebe zu ihrer Englischlehrerin zu manövrieren, erstmals in deutscher Übersetzung. Einfühlsam, authentisch und unverstellt erzählt, hat Skim in den elf Jahren seit seiner Erstveröffentlichung nicht ein Korn Staub angesetzt. (144 Seiten, Softcover. 20 Euro)
Mark Millar/Olivier Coipel: The Magic Order: Unsere Welt wird permanent von einer Schar übernatürlicher Monster bedroht. Dass die Menschheit davon noch nie etwas mitbekommen hat, ist der Familie des weisen Magiers Leonard Moonstone zu verdanken, die uns seit Generationen zuverlässig vor den Ungeheuern beschützt. Doch so mächtig Leonard als Zauberer ist, so gründlich hat er als Vater versagt: Tochter Cordelia wird regelmäßig verhaftet, wenn sie wieder einmal sturzbetrunken auf Kindergeburtstagen auftritt, Sohn Gabriel hat der Magie nach einer Familientragödie komplett den Rücken gekehrt. Als ein rivalisierender Zirkel beginnt, die Moonstones systematisch auszulöschen, müssen sich Leonard und sein Nachwuchs zusammenraufen, um zu zu überleben haben. Psychologisch stimmig und humoristisch schwarz vollführt The Magic Order das Kunststück, eine desillusionierende Geschichte voller Zauberei zu erzählen. (180 Seiten, Softcover. 17 Euro)
Frank Miller: Xerxes: Der 1998 erschienene Historiencomic 300 beantwortete die Frage, wie es 480 vor Christus ausgesehen haben mag, als dreihundert Spartaner Griechenland gegen die Invasion der persischen Armee verteidigten. Aus dem Stand zum Klassiker avanciert, gewann die Miniserie durch die höchst erfolgreiche Verfilmung von 2006 noch einmal entscheidend an Popularität. Zeitlich abgeschlagen, stilistisch aber bruchlos, erscheint mit Xerxes nun eine Quasi-Fortsetzung über Aufstieg und Fall des persischen Gottkönigs: Von der Niederlage des Vaters zum Aufbau eines gewaltigen Reiches motiviert, findet er in Alexander dem Großen schließlich selbst einen übermächtigen Gegner. Xerxes als historischer Sisyphos, eine Ironie des Schicksals. (112 Seiten, Hardcover. 30 Euro)
Enrico Marini: Batman: Der dunkle Prinz 1&2: In unserer globalisierten Welt ist es ein schon fast rührender Anachronismus, wie sich Verlage an der Opposition zwischen amerikanischem und franko-belgischem Comic festklammern. Die Herausgeber DC und Dargaud wagten dennoch jüngst einen vorsichtigen transkontinentalen Schulterschluss und publizierten gemeinsam eine eigenständige europäische Interpretation des archetypischen Superhelden-Schurken-Konflikts zwischen Batman und dem Joker. Typisch französisch in zwei großformatigen Alben auf den Markt gebracht, kam das düster-elegante Duell auf beiden Seiten des Atlantiks gleichermaßen gut an. So schlecht ist es um die Entgrenzung also doch nicht bestellt. (Je 76 Seiten, Hardcover. 16,99 Euro)
Jason Aaron/Russell Dauterman & Mike del Mundo: Thor – Donner im Blut & Die Rückkehr des Donnerers: Als 2014 ein weiblicher Thor die Position des Donnergotts übernahm, missfiel dies einem Großteil der eingeschworenen Leserschaft. Zu Unrecht, wie sich anhand der Storyline Donner im Blut, die nun als Band 160 der offiziellen Marvel-Comic-Sammlung wiederveröffentlicht wird, nachvollziehen lässt: Indem Jane Foster, die krebskranke Ex-Freundin Thors dessen Platz einnahm, gewann die Serie erheblich an Tiefe und Menschlichkeit. Einzig durch die Verwandlung in die Donnergöttin gelang es ihr, dem tristen Klinikalltag zu entfliehen, obwohl sie ihren Körper damit weiter schwächte. Und ihren Hammer nutzte Jane auch schon mal, um Gottvater Odins reaktionäres Patriachat zu zertrümmern. Fünf Jahre später wird das Murren der Fans dennoch erhört: In Die Rückkehr des Donnerers nimmt der ursprüngliche Thor seinen angestammten Platz wieder ein. Der Donnergott brettert, begleitet von einem sprechenden Hund und einem magischen Ziegenbock, im Monstertruck durch das Totenreich, während er einen Kalauer nach dem anderen vom Stapel lässt. Als gelte es ein vermeintlich entstandenes Defizit an Testosteron wieder auszugleichen. (120/116 Seiten, Hardcover/Softcover. 12,99/13,99 Euro)
Ryan North/Erica Henderson: Squirrel Girl – Jetzt gibt’s was auf die Nuss: Die Marvel-Comic-Collection hat sich ja eigentlich Neuauflagen besonders erfolgreicher oder renommierter Erzählzyklen gewidmet. Band 157 der Reihe ist allerdings eine deutsche Erstveröffentlichung – aber wenn man für Squirrel Girl keine Ausnahme macht für wen dann? Das Zeitreiseabenteuer von Doreen Green, die über die proportionalen Kräfte eines Eichhörnchens und einen imposanten buschigen Schwanz verfügt, geht vermutlich eh schon als Kult-Klassiker in spe durch. Mehr liebenswerten Nerd-Humor und um die Ecke gedachte Meta-Scherze gibt es jedenfalls in keinem anderen Superheldencomic. (120 Seiten, Hardcover. 12,99 Euro)
Hugo Pratt: Ein Mann, ein Abenteuer Bd. 2: Der zweite und letzte Band mit Beiträgen, die der italienische Großmeister Hugo Pratt (1927-1995) für die Anthologie-Reihe Un uomo un’avventura anfertigte (siehe Kolumne vom 30. November 2018), kompiliert mit Westlich von Eden (1978) und Svend (1976) zwei höchst unterschiedliche Annäherungen an das Thema: 1922 verfolgt ein englischer Offizier in der somalischen Wüste ein Phantom, das scheinbar in der Lage ist, die Tore zum Garten Eden zu öffnen und Anfang der 1970er schippert ein dänischer Skipper gut betuchte Europäer durch die Karibik, bis er mit einer aufständischen indigenen Zelle in Konflikt gerät. Während die kryptisch-spirituelle Verrätselung in Westlich von Eden eine bekannte Masche des Meisters ist, scheint in Svend ein selten gesehener Humor Pratts durch, der den Leser ungewohnt beschwingt entlässt.(128 Seiten, Hardcover. 27,80 Euro)
Mark Waid/Adam Kubert & Mahmud Asrar: Avengers – Neue Helden: Hinter Titeln wie All-New, All-Different Avengers verbirgt sich in der Regel doch nur wieder alter Wein in leidlich neuen Schläuchen. Aber 2015 war plötzlich tatsächlich alles anders: Tony „Iron Man“ Stark hatte sein gesamtes Vermögen verloren, Thor war eine Frau (siehe oben) und den Schild von Captain America trug nun der Afroamerikaner Sam Wilson. Komplettiert wurde das Team von der allseits heiß geliebten Ms. Marvel, Vision, Nova und Nachwuchs-Spider-Man Miles Morales. Das Ergebnis war nicht nur neu, sondern äußerst inspiriert und emotional. Inzwischen ist man zu der klassischen Inkarnation der Gruppe zurückgekehrt. Same-Old, Same-Boring Avengers wäre dafür übrigens der zutreffende Titel gewesen. (120 Seiten, Hardcover. 12,99 Euro)
Mort Weisinger/Paul Norris u.a.: Aquaman Anthologie: Aquaman ist für viele DIE Lachnummer unter den Superhelden (von Captain America einmal abgesehen). Eine Sichtweise, die eine neue Anthologie mit zwanzig Episoden von 1941 bis 2016 nun relativiert. So erfuhr die FIgur bereits Mitte der Neunziger die wohl radikalste Neuinterpretation unter den Weltenrettern: Aus dem glatten Schönling wurde angepisster Raufbold, so langhaarig und vollbärtig, dass jeder Hipster noch heute vor Neid vergeht. Cooler war nur noch die Harpune, die er anstelle einer Hand trug, nachdem ihn ein Schurke dort verstümmelt hatte. Außerdem ist der Fischmann einer der ganz wenigen Superhelden, die nicht permanent in der Vergangenheit leben: Gerade die hier enthaltenen Geschichten aus den 2010er Jahren sind veritable Höhepunkt der Publikationshistorie. Formidabel. (404 Seiten, Hardcover. 35 Euro)
Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.