Unabhängige Hochschulzeitung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Als mein Freund und ich uns entschieden, ein Kind zu kriegen, war für uns klar, dass wir auf subjektive Geschlechtszuweisungen von Objekten verzichten werden und es – wie so schön gesagt wird – genderneutral erziehen wollen. Wie naiv wir doch waren.  

Der Plan war gut, doch haben wir die Rechnung ohne unsere Umwelt gemacht: Ein Junge in rosa Klamotten – das darf nicht sein. Eine junge Kinderärztin im Krankenhaus meinte zu unserem Sohn: „Oh Gott, Rosa, das gefällt dir bestimmt nicht, oder?“ und eine Kinderkrankenschwester empörte sich: „Musst du Armer etwa schon wieder Rosa tragen?“  
Die Kommentare bezüglich der Kleiderwahl für unseren Sohn häuften sich und in mir machte sich der Verdacht breit, dass wir es als Einzige merkwürdig fanden, ein zehn Tage altes Kind mit vermeintlichen „Geschlechter-Regeln“ zu konfrontieren. Vielleicht führten aber auch unsere anarchischen Gendervorstellungen zu einer Fehleinschätzung unsererseits. Schließlich verbrachte ich den Großteil meines Lebens als Tomboy (jungenhaftes Mädchen) und die Lieblingsfarbe meines Freundes ist ganz unmännlich Rosa.  

Vielleicht sollten wir uns von unseren persönlichen Lastern frei machen und unserem Sohn eine geschlechtsnormative Erziehung beikommen lassen, damit ihm nicht dasselbe passieren wird wie seinem dreijährigen Cousin. Eines Tages kam er zu Tode betrübt aus dem Kindergarten nach Hause, da ihm jemand erzählt hatte, dass Rosa nicht die Lieblingsfarbe eines Jungen sein dürfe. 
Vielleicht sollten wir frühzeitig einer zu freien Persönlichkeitsentwicklung Einhalt gebieten, schließlich wissen unsere Jüngsten noch nicht, was für weitreichende Konsequenzen es mit sich bringt, Rosa zu mögen. Rosa ist nun einmal die Farbe der Mädchen, weil sie Mitgefühl, Fürsorge und Sanftheit symbolisiert – alles Eigenschaften, mit denen selbstverständlich kein Junge (oder Mann) in Verbindung gebracht werden möchte. 
So ist es heute, so wird es bleiben und am wichtigsten: So war es schon immer! Oder? 

Nun ja, ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Dass Rosa die Farbe der Mädchen ist, etablierte sich erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, vorher, so blasphemisch es auch klingen mag, galt das kleine Rot als die Farbe für echte Jungs. Ganz dem Vorbild der männlichsten Männer ihrer Zeit folgend (den Rittern und Soldaten), die sich in Rot zu kleiden pflegten. Und auch das heute so maskuline Blau galt lange Zeit als die Trendfarbe der weiblichen Wesen.  

Umso surrealer mutet es da, in unserer ach so aufgeklärten und gleichgestellten Zeit, an, dass kleine Kinder lieber zum Weinen gebracht werden, als ihre autonome Wahl der Lieblingsfarbe zu akzeptieren. Eher zerstören wir jegliche Vorurteilsfreiheit bei den jüngsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, als mit unseren eigenen Vorurteilen aufzuräumen. Es mag hier nur um eine belanglose Farbe gehen, doch ist diese Lappalie für Kinder ein Weg, ihre Persönlichkeit auszudrücken. Solch eine Form der Zurückweisung kann zu einer Unterdrückung der gesamten Persönlichkeit führen, sollte das Kind immer wieder darauf stoßen, dass seine Wahl in diversen Bereichen seines Lebens von der Mehrheit als ‚falsch‘ erachtet wird. Also sollten wir Rosa einfach uninterpretiert Rosa sein lassen und uns stattdessen der Frage stellen, wie wir unseren Kindern helfen können selbstbewusste, unabhängige, vorurteilsfreie Erwachsene zu werden. 

Katrina studiert Deutsch und Soziologie an der CAU. Sie ist seit Juli 2020 Teil der ALBRECHT-Redaktion und schreibt hauptsächlich für die Ressorts Hochschule und Gesellschaft. Seit November 2020 unterstützt Katrina das Lektoratsteam und hat außerdem seit März 2021 den Leitungsposten Bild inne.

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