Robert Eggers Verfilmung einer nordamerikanischen Volkssage aus dem Jahr 1630  beginnt damit, dass die siebenköpfige Familie die Gemeinschaft verlässt und gezwungen ist, fern des Dorfes eine neue Existenz aufzubauen. Doch in dem angrenzenden Wald, an dem sich die Familie niederlässt, lebt bereits jemand anderes. Soviel zur Exposition, der Filmtitel The VVitch nimmt einem bereits vorweg, dass es sich bei der folgenden Erzählung augenscheinlich um eine Hexengeschichte handelt. Dies ist im weitesten Sinne korrekt, im engeren Sinne behandelt die Erzählung jedoch die Dekonstruktion einer Familie.

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Der Soundtrack von Mark Korven erinnert in Teilen an The Shining und lässt von Beginn an keine Zweifel zu: Mit dem Verlassen der Dorfgemeinschaft folgt Unglück. Während die Bilder, im europäischen Breitbildformat (1,66:1, welches etwas schmaler ist als das amerikanische 1,85:1 Seitenverhältnis), ruhig die Auflösung der Familie zeigt, ist die Kombination aus Streichern und sirenenartigem Gesang dominant und unüberhörbar. Analog zu den Seefahrern der griechischen Mythologie wird die Familie auf ihrem Pferdewagen sozusagen an die Lichtung am Waldrand gelockt, ohne zu ahnen, welchem gefährlichen, verführerischen Reizen die streng gläubig lebende Familie ausgesetzt wird.

Ähnlich der Geschichten von Edgar Allan Poe, bedient sich Eggers der Symbolik und vermeidet eine konkrete Darstellung des Bösen, sondern überlässt es unserer Vorstellungskraft. So entwickelt sich der Film zügig zu einem Horror-Thriller. Die Isolation sowie die geheimen Sünden der gottesfürchtigen Siedler schüren untereinander Ängste und Misstrauen. Wenn die Kamera in einer Einstellung etwas länger verweilt, als es unseren Sehgewohnheiten entspricht, bedeutet es erhöhte Aufmerksamkeit oder erzeugt per se ein unangenehmes Gefühl. Denn Robert Eggers beherrscht die Regeln des subtilen Horrorfilms. Indem er beispielsweise länger bei den Figuren und deren Reaktion bleibt, bevor der Gegenschuss auf das Ereignis folgt, erhöht er den Spannungsaufbau. Zum anderen weiß er darum, Kinder und Tiere zu inszenieren, welche neben Puppen die wohl unheimlichsten Figuren im Horrorfilm darstellen. Darüber hinaus erweist sich der Cast als ein Glücksfall. Die eben bereits erwähnten vermutlichen Zwillingskinder (noch eine Parallele zu The Shining), die junge, unschuldige, an der Schwelle zur Frau stehenden Tochter (Anya Taylor-Joy), der vorpubertäre Sohn (Harvey Scrimshaw), jedoch im speziellen der Vater (Ralp Ineson), dessen tiefe, raue Stimme und Jesus ähnliche Gestalt nur noch von der wahnsinnig gut spielenden Mutter (Kate Dickie) übertroffen wird, machen The VVitch zu einem Fest für Freunde des subtilen Horrorfilms.


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Quelle: A24

FAZIT

Weniger ist manchmal mehr, das gilt auch oder im Besonderen für Horrorfilme. Freunde von jump scares, wie sie in aktuellen Horrorverfilmungen gerne und zuhauf eingesetzt werden (Insidious (2010), The Conjuring (2013), Annabelle (2014)) oder the-old-ultra-violence-Fans, werden vermutlich mit Robert Eggers New-England Folktale nicht viel anfangen können. Wer sich jedoch von dem gesprochenen Altenglisch (im O-Ton unbedingt mit Untertitel schauen) und den puritanischen Figuren nicht abschrecken lässt, wird mit einem schönen Soundtrack, tollen Bildern und einem konstanten Spannungsbogen belohnt. Wer Ich seh, ich seh, It Follows oder The Babadook mag und The Village zumindest bis zum Twist, wird an The VVitch ebenso seine Freude haben. Ich empfehle, den Trailer nicht zu schauen, da er falsche Erwartungen an den Film wecken könnte und zum anderen den einen oder anderen schönen Moment vorweg nimmt.


Wertung: 8,0 Kinokatzenpunkte 


 

Regie/Drehbuch: Robert Eggers
Kamera: Jarin Blaschke
Darsteller: Kate Dickie, Ralp Ineson, Anya Taylor-Joy, Harvey Scrimshaw

Zu sehen ab dem 19.05.2016 im CinemaxX Kiel

Quelle Titelbild: A24 Filmverleih

Autor*in

Marc studierte Politik, Soziologie und Medienwissenschaft in Kiel. Für den ALBRECHT schreibt er seit 2015 insbesondere für das Kulturressort und dessen Filmsparte KinoKatze.

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