Wenn man an männliche, kastrierte und wollige Tiere denkt, verbindet man dies wohl kaum mit dem Bundestag. Doch dieses parlamentarische Verfahren ist bereits zur Kaiserzeit im  Jahre 1879 gebräuchlich gewesen. Hierbei handelt es sich um ein Abstimmungsverfahren bei Uneinigkeit im Ausgang. Üblicherweise stimmen die Abgeordneten per Handzeichen oder Erheben ab. Soweit es keine Ausnahme des Grundgesetzes aussetzt, zählt die Mehrheit der Stimmen. Wenn eine eindeutige Mehrheit für den Sitzungsvorstand nicht ersichtlich scheint, läutet dieser den Hammelsprung ein: 

Ein lautes Signal ertönt im gesamten Bundestag und fordert alle Stimmberechtigten auf, den Plenarsaal zu verlassen. Im Vorzimmer, der Westlobby, warten diese dann auf den Beginn. Die Abstimmung erfolgt durch das Übertreten dreier Türschwellen. Über den Eingängen befinden sich Inschriften: Gewählt werden kann zwischen ‚Ja’, ‚Nein’, und ‚Enthaltung’. Zwei Schriftführer*innen pro Tür zählen die Stimmen. Somit kann der Sitzungsvorstand eine eindeutige Beschlussfähigkeit sowie Abstimmung feststellen. Diese Praktik ist auch in Landesparlamenten üblich. 

Der Ursprung des Namens findet sich im Jahre 1894 wieder. Die Themenwahl der Bilder über den Abstimmungstüren beruht auf Geschichten der griechischen Sagen. Über der Inschrift ‚Ja‘ strahlte im Reichstagsgebäude die Sage des blinden Zyklopen Polyphem. Auch enthalten: ein Hammel. 

Mit dem letzten medienwirksamen Geschäftsordnungsantrag im Juli 2023 wollte die CDU den Wirtschaftsminister Habeck in den Bundestag zitieren. Der Grund war dabei die hitzige Debatte um das Heizungsgesetz. Die Union kritisierte die Abwesenheit des fachlichen Ministers in solch einer Kontroverse. Nachdem die reguläre Abstimmung keine sichtbaren Mehrheiten verzeichnen konnte, kam es zum Hammelsprung. 

Seit einigen Jahren steht der Hammelsprung immer wieder in der Kritik. Veranlasst werden kann dieser auch von Fraktionen selbst. Der Missbrauch ist somit nicht ausgeschlossen. Schon im Jahre 2018 schrieb der Tagesspiegel, die AfD instrumentalisiere das Verfahren als ‚Revanchismus‘ für abgelehnte Kandidat*innen in vorherigen Abstimmungen. Das Ziel sei eine Verzögerung im politischen Betrieb. Auch aktuellere Berichte des Sterns sprechen vom „Missbrauch der Geschäftsordnung und parlamentarischer Gepflogenheiten“ durch die AfD. Im Jahre 2022 forderte diese gar eine Änderung der Geschäftsordnung zum Hammelsprung. Man kritisiere die Berechtigung der Stimmabgabe nach Auslösung des Abstimmungsverfahrens. Die Pressestelle des Bundestages zitiert dazu: „Entscheidend sei nämlich, welcher Fraktion es gelinge, die Räumung des Plenarsaales möglichst lange hinauszuzögern, um möglichst viele ihrer Abgeordneten ‚aus ganz Berlin in den Reichstag zu beordern‘“. Daher forderte sie nur eine Zulassung zur Stimmenabgabe bei vorheriger Anwesenheit im Plenarsaal. Dies wurde jedoch abgelehnt. 

Autor*in
Onlineredaktion

Karl ist 20 Jahre alt und studiert Geschichte sowie WiPo an der CAU. Er schreibt seit dem WiSe 23/24 für den Albrecht und ist zuständig für die Online-Redaktion.

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