Wozu Sichtbarmachung von Geschlecht in der Sprache? 

Politikwissenschaftler*innen wie Eva Kreisky oder Birgit Sauer machten sich bereits in den späten 1960er Jahren Gedanken über eine geschlechtsneutrale Sprache. Warum? Ihnen fiel auf, dass alle ‚politikwissenschaftlichen Klassiker’ von männlichen Politikwissenschaftlern und vor allem ihren Perspektiven dominiert sind. Nirgends war die Rede von der Rolle als Mutter, wie es war Arbeit, Haushalt, Kinder und Eheleben unter einen Hut zu bekommen und sich zusätzlich noch politisch zu informieren, geschweige denn wählen zu gehen. Wenn es den Versuch gab, politikwissenschaftlich an die weibliche Perspektive heranzugehen, wurden die Versuche meistens von ihren Kolleg*innen indirekt aufgehalten. Die Begründung dafür ging oft in dieselbe Richtung: Ist es wirklich von Relevanz, sich mit den Frauen im Politischen auseinanderzusetzen? Krieg, Militär oder auch der Versuch, generelle Verhaltensregeln für die Gesellschaft festzulegen, standen schließlich immer im Vordergrund. Warum sollte das jetzt nicht mehr so sein? 

Das Ziel der geschlechterneutralen Sprache sollte sein, Personen, egal welchen Geschlechts, mit in das Politische und in die Gesellschaft einzubinden. Schon damals stellten Politikwissenschaftler*innen der kritisch feministischen Theorie fest, dass das generische Maskulinum der deutschen Sprache andere Geschlechter versteckt, sie sogar ausschließen kann. Das fiel zuerst in Verfassungen und Rechtstexten auf und erstreckte sich mit der Zeit auch auf andere Texte, wie zum Beispiel Zeitungen. Die Frage, die immer hinter der Verwendung von Sprache stand und steht, ist: Wer benennt und wer wird benannt? Und wieso steht  den Benennenden das Recht zum Benennen zu?  

Anti-Gender-Ultras umfahren? 

Heute sprechen wir von geschlechtssensibler Sprache, vom ‚Gendern‘. Es wird geliebt, es wird gehasst und es wird oft erst so richtig zum Thema, wenn man Gespräche mit seinen Gegner*innen startet – die wären so sauer, wenn sie das hier lesen und sehen würden, dass sie gegendert wurden. Es gäbe keinen Grund für geschlechtssensible Sprache. Es gäbe doch viel wichtigere Probleme, die linke-woke-grüne Agenda stecke dahinter und drücke allen einen Zwang auf. Gendern verstecke jetzt die männlichen Personen und vor allem zerstöre es die traditionsreiche schöne deutsche Sprache.  
Genau dieselbe Sprache, die umfahren und umfahren zum Gegenteil macht, die Sprichwörter wie ‚Eile mit Weile‘ beinhaltet, in der man etwas ‚richtig falsch‘ oder ‚ganz kaputt‘ machen kann und die mindestens eine Millionen Artikel (der, die, das, …) hat. Hier kann man  sowohl Brote als auch wissenschaftliche Theorien belegen.  

Wir haben uns an das Unrecht, dass alle anderen Geschlechter und ihre Perspektiven ausgeschlossen und versteckt sind, gewöhnt. Genauso könnten wir uns an den Glottisschlag (die Lücke) in den Texten oder in der Sprache gewöhnen. Veränderung, hin zu mehr Sichtbarkeit für die Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft, ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Und sich diese Veränderung nicht mal über die Instagram-Kommentarspalte hinaus anzusehen, ist schade. An eine von Grund auf ‚kranke‘ Gesellschaft angepasst zu sein, die Menschen aufgrund ihrer Erscheinung, ihrer Sexualität oder aus anderen Gründen ausschließt, ist nichts, was von der eigenen Gesundheit zeugt. In dem Moment, in dem man sich der Lage, die einen prägt, bewusst wird und beschließt, sich dieser Lage nicht einfach hinzugeben, beginnen sich die Dinge zu ändern. Ob geschlechtssensible Sprache die gesamte Welt besser macht, bleibt zweifelhaft. Aber sie kann ein erster Schritt sein. 

Das Gendern, wie es jetzt ist, ist auch noch nicht perfekt ausgereift. Vielleicht gibt es in ein paar Jahren eine richtig gute Methode dafür, die sowohl linke-woke-grüne Agent*innen als auch Anti-Gender-Ultras einigermaßen zufriedenstellt. Ob und wie man es jetzt benutzt, bleibt natürlich allen selbst überlassen. Niemand wird zu irgendwas gezwungen, wir leben schließlich nicht in Bayern. 

Autor*in
Ressortleitung Gesellschaft

Svea studiert Geschichte und Politikwissenschaft im Profil Fachergänzung. Sie ist seit November 2023 Teil des Albrechts und seit Januar 2024 übernimmt sie die Leitung für den Gesellschaftsteil.

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