Wo es an der Uni in Sachen Inklusion noch hakt 

Seit diesem Semester findet der Unialltag wieder in Präsenz statt, was bei den meisten Studierenden auf Zustimmung stößt. Allerdings nicht bei allen. Die Online-Lehre hat vor allem einer Gruppe von Studierenden den Zugang zu Vorlesungen und Seminaren erleichtert, nämlich Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, die teilweise sehr von der Umstrukturierung während der Pandemie profitiert haben. Einige von ihnen sprechen sich nun für hybride Lehrformate aus.  

Mit Digitalisierung zu mehr Inklusion 

„Generell ist hybride Lehre das barriereärmste System, das es gibt“, sagt Jan-Niklas Mayer, AStA-Inklusionsreferent der CAU. Er setzt sich für Studierende mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen ein, bietet allerdings keine Beratungen an. Dafür gibt es eine eigene Studierendenberatung an der CAU, wie die von Dagny Streicher (Interview auf Seite 3). Jan-Niklas‘ Aufgabe ist es, die Stimmen von behinderten Studierenden vermehrt in die universitären Gremien einzubringen.

Außerdem sorgt er dafür, dass die Universität als Ganze inklusiver wird und dass sich die Aufmerksamkeit der Gesellschaft generell mehr auf dieses Thema richtet. Dazu zählt momentan auch, dass er sich für hybride Lehrformate einsetzt, da so Menschen, die einer Risikogruppe angehören, nicht zwischen Leben und Abschluss entscheiden müssten. Wie er es ausdrückt: „Die Entschlüsse treffen am Ende die Menschen, die keiner Risikogruppe angehören. Und das finde ich herablassend.“  

Es reicht allerdings nicht, schlicht hybride Lehre einzuführen. Einige Dinge sollten dabei beachtet werden, damit sie auch tatsächlich gut funktioniert und inklusiv ist. So müssten zum Beispiel Untertitel in Zoom-Meetings eingeführt oder verbessert werden. Momentan gibt es sie meistens nur auf Englisch. Außerdem sollten Vorlesungsfolien von Screenreadern gelesen werden können. Dafür gibt es auch eine Anleitung, wie Lehrpersonen ihre Folien entsprechend einstellen können. Nur wenige Dozierende würden sich jedoch darum bemühen, so Jan-Niklas: „Das Effektivste wäre, wenn Lehrende wissen/wüssten, dass es Studierende gibt, die auf sie zukommen können und Hilfestellungen benötigen. Unangemessene Gegenfragen führen nur dazu, dass die Hürden für diese Studierenden wachsen.“ 

Das Geld ist da, aber das Bewusstsein fehlt 

„Eigentlich bedeutet Studieren, dass die Menschen sich auf dem Höhepunkt ihres Lebens befinden. Aber dann eine Behinderung zu haben, das passt für viele nicht in das Bild einer Universität. Das ist allerdings ein gesamtgesellschaftliches Problem“, meint Jan-Niklas. Das spiegelt sich in der Infrastruktur des Campus wider. Jährlich stehen der CAU 800 000 Euro für inklusive Bildung zur Verfügung. Das meiste davon wird für infrastrukturelle Umbauten verwendet. Dazu zählen Fahrstühle oder Anschlüsse für Hörgeräte, wie es sie teilweise schon im Audimax gibt.  

Auf den Schildern gibt es auch Zeilen in Braille-Schrift, allerdings nur auf den violetten Streifen, auf denen die Geschossnummer steht. Der Schriftzug für das fünfte Geschoss ist so hoch, dass viele Menschen dort nicht rankommen /Bild: Eileen Linke

Manche Entscheidungen für mehr Inklusion an der Uni lassen aber viele Studierende nur mit dem Kopf schütteln. Wie zum Beispiel das neue Geografie-Gebäude. Dort gibt es nicht auf jeder Etage ein Behinderten-WC. „Wenn bei fünf Etagen vier davon ein Behinderten-WC haben und die fünfte nicht, dann ist das eine bewusste Entscheidung gegen diese Toilette. Und das verstehe ich nicht“, erklärt Jan-Niklas. Generell sei es gut, dass die Universität darauf achtet, den Campus barrierefreier zu gestalten. Wie das jedoch ausgeführt wird, sei fraglich und noch verbesserungswürdig, so Jan-Niklas. 

Ein weiteres Beispiel dafür findet sich ebenfalls im neuen Geografie-Gebäude: Dort wurde darauf geachtet, dass auf den Schildern auch Brailleschrift geschrieben wird – allerdings wurden die Schilder in zwei Metern Höhe aufgehangen. Nur wenige Menschen kommen mit ihren Händen so weit nach oben und wer nicht oder kaum sehen kann, wird leider keinen Nutzen aus einer Maßnahme ziehen, die eigentlich dieser Person helfen sollte.   

Bei den neuen Gebäuden gibt es dort schon eine digitale Lösung, aber bei den älteren, wie dem Audimax, fehlt sie noch. „Universitäten schmücken sich gerne mit Zertifikaten“, sagt Jan-Niklas und fordert daher, dass sich die Uni zum Ziel setzen sollte, die barriereärmste Universität Schleswig-Holsteins zu sein. „Es sollte eigentlich nicht der Kampf der Studierenden sein. Die Verantwortlichen an der Universität sollten sich nach den Bedürfnissen erkundigen und wissen, wie barrierefreie Gebäude aussehen.“  

Wenn ihr mit Jan-Niklas in Kontakt treten wollt, dann erreicht ihr ihn per Mail (inklusion@asta.uni-kiel.de) oder per Telefon unter 0431/880-1720. Seine Sprechstunden finden nach Vereinbarung statt. 

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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