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Ein Abriss Kieler Kulturschocks

Das Wintersemester neigt sich dem Ende zu und für alle Erstis waren es Monate voller Aufregung und Umstellungen. Vor allem für diejenigen, die frisch nach Kiel gekommen sind und daher die große weite Welt der Kieler Sprotten noch für sich zu entdecken haben. Sprotten? Ist das nicht ein Fisch? Über dieses Wort mag so manche*r Neu-Kieler*in schon gestolpert sein. 

Für alle Nicht-Sprotten hier eine kleine Aufklärung:  So werden die Kieler*innen genannt, die hier geboren wurden und sich nicht erst später angesiedelt haben.  

Wie ist es dann also, sich als zugezogene*r Ersti unter den Schwarm zu mischen und sich in fremdem Terrain wiederzufinden? 

Zumal gerade zu Beginn des Studiums immer die gleichen drei Fragen gestellt werden: Wie alt bist du? Wie heißt du? Was studierst du? Und vor allem: Woher kommst du? Letztere Frage ist dabei besonders problematisch, denn auf die Antwort, man sei neu im Norden, folgt nicht selten dieselbe Reaktion von Verwunderung und die Frage: „Aber du bist nicht für Kiel nach Kiel gezogen, oder?“.  

Zugegebenermaßen bin ich persönlich das nicht. Es ändert aber nichts daran, dass man Kiel dennoch ganz schön liebgewinnen kann. Mit so einigen Kulturschocks muss dann aber trotzdem gerechnet werden. Vor allem, wenn man wie ich aus Süddeutschland stammt. Dabei ist anzumerken, dass selbst Nordrheinwestfalen in diesen Breitengraden als Süddeutschland angesehen wird. Schließlich ist ja auch alles, was unter der Elbe liegt, der Süden Deutschlands

Bist du aus Zucker? 

Der erste Kulturschock wird die meisten Dazugezogenen vermutlich schon gleich bei ihrem Umzug getroffen haben: Du kommst in Kiel an und es regnet. Du schleppst deine Möbel zehn Stockwerke hoch und es regnet. Du richtest deine neue Altbauwohnung ein und – es regnet immer noch. Legenden besagen, dass Kiel vom Regen heimgesucht wird. Umso bemerkenswerter ist dann aber, wie die Kieler*innen mit diesem Schietwetter umgehen. Regen hin oder her, das, was geplant wird, wird auch durchgezogen, beinahe, als würde der Regen schon gar nicht mehr stören. Kleiner Tipp an alle Neulinge im Norden: schafft euch einen Regenmantel oder Poncho an. In Gelb. Schließlich ist es bekannt, dass es hier ja auch kein schlechtes Wetter gibt, sondern nur falsche Kleidung. Mit all dem schlechten Wetter lässt sich die These aufstellen, dass dieses wohl maßgeblich für die positive Stimmung der Kieler*innen (die sich oftmals in Grenzen hält) ist. Dreht sich Smalltalk eben immer um das elende Nasskalt und Böen, die den Schafen die Locken aus dem Fell pusten, sieht es auch um das sonnigste Gemüt bei Zeiten düster aus. Nichtsdestotrotz ist diese Hürde allerdings erst einmal überwunden, nehmen einen die Sprotten doch ganz schön herzlich in ihren Schwarm auf, sodass der gemeinsamen Zeit nichts im Wege steht – wären da nicht so manche Begriffe, die zur Misskommunikation führen. 

Mensch versteht nur Bahnhof  

Diese Sprachbarrieren können schon beim ersten Date in einem Restaurant oder einer Bar auftreten. So würde ich euch beispielsweise davon abraten „auch ein Wasser“ zu bestellen, wenn dein Gegenüber nach einem Alsterwasser fragt.  Das ‚Radler’ müsst ihr erst gar nicht auf der Getränkekarte suchen. Das ist direkt ein Köpper ins Fettnäpfchen, bei dem man schnell als etwas döschig (dämlich, verwirrt) abgestempelt wird. Dann bloß nicht muksch (beleidigt) sein, das hilft einem auch nicht weiter. Ihr werdet garantiert noch über so manche Begriffe stolpern, zum Beispiel wenn ihr beim Putzen mit den Jungs und Deerns (weiblich gelesene Personen) in euerer Wohngemeinschaft schnackt (reden, tratschen) und diese euch nach einem Feudel (Wischmopp) fragen. Aber ob Naschis (Süßigkeiten), die Büx (Hose), luschern (neugierig/heimlich gucken) oder nicht zuletzt das legendäre Moin – der norddeutsche Slang mag für so Manche etwas gewöhnungsbedürftig sein, ist dafür aber auch einzigartig. 

Nur Meer und sonst nichts 

Aber wie antwortet man nun am besten auf skeptische Fragen wie: „Aber was gefällt dir an Kiel so wirklich?“. 

Von den Leuten, denen ich diese Frage gestellt habe, antworteten die meisten fast immer schlagartig mit „das Meer!“.  

Für gebürtige Kieler*innen mag dies eine banale Antwort sein. Für die meisten Zugezogenen ist es dafür ein wahres Highlight: jegliche Wassersportarten, Segelboote, die GEOMAR-Seehunde und die frische Seeluft sind dann doch nicht überall in Deutschland zu finden und machen Kiel somit zu etwas ganz Besonderem. Die Stadt krönt sich schließlich als ‚Sailing City’ und dem Segeln ist in Kiel gleich eine ganze Woche gewidmet. Die sogenannte ‚KiWo’ (kurz für ‚Kieler Woche’), begeistert nicht nur die Sprotten mit ihren Aktionen, ihrer Musik, ihren Segelbooten und vielem mehr, sondern ist auch für uns Neu-Kieler*innen jedes Mal ein wahres Must-Do. 

Abgesehen von dem maritimen Charme der Stadt überrascht Kiel außerdem auch immer aufs Neue mit den zahlreichen Restaurants, Veranstaltungen und Kulturorten. Kleiner Tipp am Rande: Vergesst nicht, dass ihr mit dem Kulturticket, was in eurem Semesterbeitrag mitinbegriffen ist, die Veranstaltungen des Kieler Theaters, der Oper und des Balletts ab drei Tage vor Beginn kostenlos besuchen könnt! Es gibt in Kiel immer gut was zu tun, man muss nur wissen, wann und wo. 

Und wenn es dann doch mal juckt und die Schleswig-Holsteinische Landeshauptstadt einfach nicht mehr genug ist, dann bietet Kiel noch einen Vorteil: Ob mit dem Semesterticket nach Hamburg, der A7 durch ganz Deutschland oder mit der Fähre gleich nach Skandinavien – Kiel bietet nicht nur die Möglichkeit zu bleiben, sondern auch zu gehen.  

Kiel hat also Meer (schlechter Wortwitz, sorry) zu bieten. Auch wenn die Stadt selbst euch vielleicht noch nicht überzeugen konnte, dann werden es spätestens die Kieler Sprotten tun. Und fragt bei Gelegenheit eure Kieler Komiliton*innen doch einfach mal zurück, was ihnen an ihrer Heimat gefällt. Vielleicht lernt ihr so ja auch noch etwas Neues über die Stadt. 

Magdalena ist 19 Jahre alt und studiert Kunstgeschichte und Französisch im Profil Fachergänzung. Sie ist seit Beginn des Wintersemesters 2023 beim Albrecht dabei.

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