Im November liegt die Festivalsaison in der Regel längst sauber verschnürt in der Abstellkammer, irgendwo zwischen Sonnenschirm und dem alten Igluzelt, in das es seit zwei Jahren reinregnet. Die ganze Festivalsaison? Nein! Denn in der Ferienparkanlage Weissenhäuser Strand, eine halbe Autostunde südlich von Kiel, veranstaltet eine unbeugsame Musikzeitschrift am 11. und 12. November den „Rolling Stone Weekender“, eine Konzertveranstaltung die es sich seit zwei Jahren zur Aufgabe gemacht hat, das Musikfestival dem Würgegriff der Jugendkultur zu entreißen. Und das durchaus erfolgreich.

Typischer Anblick: Man reduziert sich auf das Wesentliche – die Musik. Foto: JD

So schaffte man es nicht nur, die typischen Konzertgänger anzusprechen, sondern auch ein verloren geglaubtes Publikum von Ü30 bis U65 aus ihren Sitzen in der ersten Reihe von ARD und ZDF an den Bühnengraben zu verfrachten – und das, ganz ohne auf der anderen Seite seniorenaffine Musiker zu platzieren. Stattdessen dominiert hier eine illustre wie geschmackssichere Schnittmenge aus Indierock, Folk und Singer/Songwriter, die die Alternativ-Americana-Heroen der Headliner Wilco ebenso einschließt, wie Tomte-Sänger Thees Uhlmann oder die teenageraffinen Death Cab for Cutie.

So gar nicht auf die Jugend zugeschnitten ist hingegen das Konzept des „Indoor Komfort Festivals“, das dem sommerlichen Zelten im Schlamm Hotelzimmer in Laufnähe entgegensetzt, dem Kampftrinken Weinproben und standardisierten Ansagen Lesungen namhafter Autoren wie Wladimir Kaminer.

Das Zirkuszelt, die „Center Stage“ am Weissenhäuser Strand. Foto: JD

„Rock & Roll ist nicht tot – er hat‘s nur im Kreuz.“ So viel zur Schau gestellte Kultiviertheit mag auf denjenigen, der weder Kinderwagen noch Bandscheibenvorfall sein Eigen nennt, abschreckend wirken. Doch auch wenn man auf dem Weekender zum Rauchen von der Bühne vor die Tür wechseln muss, bleibt das Standardgetränk Bier und das Hauptaugenmerk nicht die Einhaltung der Nachtruhe, sondern die Musik. Und die wird von Freitag Abend bis Samstag Nacht in 25 Konzerten auf drei sehr unterschiedlichen Bühnen zelebriert: Im geräumigen und beheizten Festzelt vor der Hotelanlage treten die Headliner auf, die zweite Garde spielt im Festsaal, der den Shows die Atmosphäre einer Club-Tour verleiht.

Der Nachwuchs muss hingegen im kleinen Rondell ran, einer besseren Blockhütte, deren Ambiente als „intim“ zu bezeichnen noch Understatement wäre. „Privat“ beschreibt die Auftritte vor ein paar hundert Nasen schon besser, auch wenn der Laden stets prall gefüllt ist. All dies verleiht dem Weekender einen eigenen Charakter, den man auf den immer austauschbarer werdenden Sommerfestivals mittlerweile vergeblich sucht. Ein willkommener Anlass, die Festivalsaison noch einmal aus der Rumpelkammer zu zerren, ist er auf jeden Fall. Im Sommer unverzichtbares Zubehör, wie die Regensachen, kann man hier ja getrost zu Hause lassen. Und die Bierbong am Besten auch, denn selbst das komfortabelste Festival kann einen katerfreien Morgen nicht garantieren.

Rolling Stone Weekender, 11.-12. November, Freizeitanlage Weissenhäuser Strand. Line-Up: Freitag: Wilco, Fleet Foxes, Death Cab for Cutie, Archive, Nada Surf, Anna Calvi, Portugal. The Man, Seasick Steve, Josh T. Pearson, Timber Timbre, Jonathan Wilson. Samstag: Elbow, Notwist, Cake, Heather Nova, Explosions in the Sky, Thees Uhlmann & Band, An Horse, Amy Lavere, Ed Sheeran, Marcus Foster, Howling Bells, Other Lives, Susanne Sundfor, Monta. Festivaltickets (inkl. zwei Übernachtungen) ab 129 Euro; Tagestickets (ohne Übernachtung): 69 Euro.

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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