Als sich Johan Mitte dieses Jahres online immatrikulieren wollte, staunte er nicht schlecht, denn statt einer Bestätigung erhielt er die Fehlermeldung, dass sein Geburtsdatum nicht korrekt wäre. Doch er hatte alles richtig eingegeben. Mit gerade einmal 15 Jahren hatte er Anfang des Jahres als einer der Jüngsten in Deutschland sein Abitur bestanden und war motiviert sein Lieblingsfach Physik in Kiel zu studieren. In seiner Schulzeit war ihm häufig langweilig, da er unterfordert war, sodass er insgesamt vier Klassen übersprungen hatte. Das Computersystem akzeptiert jedoch nur ein Mindestalter von 16 Jahren. Bei einem Telefonat mit der Universität wurde ihm dann dazu geraten, sein Geburtsjahr zu ändern, die Uni-Verwaltung würde dies im Nachhinein wieder korrigieren. So konnte die Fehlermeldung umgangen werden.

Dabei ist dies nicht die einzige Hürde, die er als einer der nicht volljährigen Studierenden an der Christian-Albrechts-Universität überwinden musste. Alleine ist er damit aber nicht, denn zum Wintersemester 2013/14 waren insgesamt zehn Studierende eingeschrieben, die zum Zeitpunkt ihrer Immatrikulation das 18. Lebensjahr noch nicht abgeschlossen hatten. Aufgrund der Aussetzung der Wehrpflicht und dem Abitur nach häufig nur acht Jahren, steigen in ganz Deutschland die Zahlen minderjähriger Abiturientinnen und Abiturienten an. Laut Schätzungen des Deutschen Studentenwerks sind es dieses Jahr bundesweit 3000 bis 4000 Schülerinnen und Schüler, die ihre Hochschulreife vor der Volljährigkeit erreicht haben. Nicht wenige von ihnen wollen studieren – unter anderem auch deshalb, da ihnen häufig keine andere Wahl bleibt: Nur die wenigsten der beliebten Möglichkeiten nach dem Abi wie Auslandsreisen oder -aufenthalte sind für minderjährige Teilnehmer zugänglich. So bleibt oft nur ein FSJ  (Freiwilliges Soziales Jahr) oder eben ein Studium übrig. Sonja (18), diesjährige Abiturientin, entschied sich klar gegen den Start eines Studiums und für ein FSJ: „Davon abgesehen, dass ich nicht mal wusste, was ich studieren sollte, fühlte ich mich einfach noch viel zu jung.“

Louisa (17) dagegen fühlt sich an der Uni sehr wohl. Sie fing dieses Wintersemester ein Studium der Mathematik und Philosophie an und hält ihr Alter generell für kein Hindernis: „Ob 17 oder 18, so groß ist der Unterschied ja auch nicht.“ Einer ihrer 18-jährigen Kommilitonen ist Alexander, der ebenfalls im ersten Semester Mathe studiert. Auch er kommt gut zurecht, auch wenn er betont, dass für ein erfolgreiches Studium eine gewisse Persönlichkeitsentwicklung nötig sei, die bei Minderjährigen nicht unbedingt vorhanden sei. Er ist froh, dass er vor Semesterbeginn noch volljährig wurde, sodass sein Alter kein Problem im Studienalltag darstellt. Im Gegensatz zu seinen minderjährigen Kommilitonen: Rechtlich gesehen haben sie nur eingeschränkte Rechte und dürften offiziell nicht einmal ihre Anwesenheit selbst bescheinigen oder einen Bibliotheksausweis beantragen. Daher gibt es für die Eltern von minderjährigen Studierenden eine Generaleinwilligung. Diese ermöglicht es den Eltern, ihren Kindern die Rechte und Pflichten als Mitglied der Universität zu übertragen, sodass sie eigenständig studieren können und der Uni-Verwaltung viel Bürokratie erspart wird.

In allen anderen Lebensbereichen ist diese Möglichkeit jedoch nicht gegeben, so dass Jasmin (Mathe und Latein), die ihr Abitur 2012 mit 16 Jahren absolvierte und inzwischen im dritten Semester in Kiel studiert, sehr froh darüber ist, diesen Sommer endlich 18 geworden zu sein. Auf die eigenen Studentenpartys zu gehen, hochprozentigen Alkohol zu trinken oder nach 24 Uhr unterwegs zu sein, all das ist Studierenden unter 18 Jahren ohne Ausnahmeregelung gesetzlich nicht erlaubt. Auch im FiZ zu trainieren ist nur dann möglich, wenn zuerst drei Monate ein spezieller Jugendkurs besucht wird, der zusätzlich 100 Euro kostet. Eine Einverständniserklärung der Eltern ist bei allem natürlich vorausgesetzt.

„Feiern gehen ist eben nicht möglich.“ So erklärt Johan die Situation und Louisa stimmt ihm dabei zu. Auch alleine Autofahren ist ihnen nicht erlaubt und ist damit für Frederike (17), die mit Johan zusammen Physik sowie Mathematik studiert, ein Problem.

Die größte Sorge minderjähriger Studierender stellt jedoch das Ausziehen aus dem Elternhaus dar, denn kaum ein Vermieter akzeptiert minderjährige Mieter. Johan dagegen, dessen Eltern in Schleswig wohnen, hat gar keine Möglichkeit nach Kiel zu ziehen: Solange er nicht 16 ist, darf er nur bei seinen Eltern wohnen. Nach der Uni und in längeren Pausen geht er oft in die WG seiner Freunde, wo er glücklicherweise ein eigenes Zimmer hat, abends muss er aber mit dem Zug wieder nach Schleswig pendeln. Zufrieden mit seiner Situation ist er trotzdem, denn er fühlt sich durch sein Studium endlich gefordert.

Auf die Frage, ob sich die minderjährigen Studierenden wohl fühlen, antworten alle einstimmig mit Ja. Trotz einiger formaler Probleme, sind doch alle froh, sich fürs Studium entschieden zu haben und die meisten von ihnen würden es sogar ihren Gleichaltrigen empfehlen.

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