Der ein oder anderen mag die Situation bekannt vorkommen: Der Streit mit dem Partner oder dem Mitbewohner um den Abwasch, den Müll, die Wäsche. Und so manche Frau stellt sich trotz Gleichberechtigung und Emanzipation vielleicht doch insgeheim die Frage: Muss ich das jetzt machen, weil ich eine Frau bin? Gedanken wie diese zeigen, dass wir uns in einem Zwiespalt befinden. Zwischen traditionellen Denkmustern und dem Bewusstsein einer modernen Karrierefrau versuchen wir unseren Alltag zu gestalten und geraten dabei leicht zwischen die Fronten.

Das war jedoch nicht immer so. Vor der Industrialisierung waren Frauen als Bäuerinnen für Hauswirtschaft, Feld- und Vieharbeit zuständig. In bürgerlichen Familien kamen oft auch kaufmännische Tätigkeiten hinzu. Das Haus war öffentlicher Versammlungsort, Arbeits- und Wohnstätte zugleich. Mit der Industrialisierung im 18./19. Jahrhundert setzte ein Prozess ein, der Erwerbswirtschaft und Familie zunehmend voneinander trennte und sich im Laufe der Zeit auf alle Gesellschaftsschichten übertrug. Die Kernfamilie, bestehend aus Mutter, Vater und Kind, basierend auf romantischer Liebe, wurde zum gesellschaftlichen Ideal, das sich bis heute kaum verändert hat. Und mit diesem Ideal verknüpften sich spezifische Rollenbilder. Die Frau war Ehefrau, Hausfrau und Mutter. Körperliche Arbeit wurde abgewertet und als negativ angesehen. Durch die emotionalisierte Beziehung zum Kind kam der Mutterschaft, als auch der Erziehung, eine herausragende Stellung zu. Der Mann hingegen ging einem Beruf nach und finanzierte die Familie.

„Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung.“

Diese gesellschaftliche Rollenzuschreibung fand auch gesetzlichen Niederschlag. Das Bürgerliche Gesetzbuch vom 1. Januar 1900 legte in Paragraph 1356 Absatz eins fest: „Die Frau ist, […], berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten.“ Noch schärfer hieß es nach der Gesetzesänderung vom 1. Juli 1958: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Arbeiten durften Frauen in dieser Zeit nur mit der Zustimmung ihres Ehegatten. Eine heute unvorstellbare Situation. Erst am 1. Juli 1977 kam auch Frauen das Recht zu, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Entscheidend für diese Wandlung waren die Frauenbewegung, der technische Fortschritt und die Bildungsexpansion in den 60er- und 70er- Jahren, von der hauptsächlich Mädchen profitierten. Immer mehr Frauen erlangten einen höheren Bildungsabschluss und waren häufiger berufstätig. Wie eine aktuelle Studie der OECD zur Gleichstellung der Geschlechter herausfand, erwerben 27 Prozent der Frauen zwischen 25 und 37 Jahren in Deutschland einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss. 68 Prozent der Frauen sind erwerbstätig. Allerdings arbeiten vor allem Mütter häufig in Teilzeit. Dies betrifft 62 Prozent der 25- bis 54-Jährigen. In Frankreich sind es beispielsweise nur 26 Prozent. Auch in Bezug auf die ungeliebte Hausarbeit hat sich in den vergangenen Jahren nur wenig getan. Im Schnitt sind Frauen täglich zwei Stunden mehr im Haushalt beschäftigt als Männer.

Schubladendenken im Alltag.

Aus dieser gesellschaftlichen Entwicklung resultiert allerdings folgendes Problem: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Viele junge Frauen wollen sich nicht für das eine oder das andere entscheiden, sondern an beidem teilhaben. Dadurch lässt sich auch die hohe Teilzeitarbeit erklären. Ursache dieses Problems ist, dass es zwar eine starke Entwicklung im Berufs- und Bildungsbereich gab, aber sich die familiären Strukturen und traditionellen Muster wenig verändert haben. Somit änderte sich zwar die Stellung der Frau, aber die Erschaffung eines neuen Leitbildes blieb aus. Und fehlende Leitbilder führen wiederum zu Verhaltensunsicherheit und Entscheidungskonflikten. Frauen in der heutigen Gesellschaft befinden sich also in einem Spannungsverhältnis zwischen der traditionellen Vorstellung familiären Lebens, die stark durch Sozialisation geprägt ist, und dem Wunsch nach beruflichen Erfolg. Und auf unterster Ebene beginnt dieser Zwiespalt bereits mit der Streitfrage, wer denn nun für den Haushalt zuständig sei.

Der Staat trägt mit Frauenquote und Betreuungsgeld zum Konflikt bei.

Mitschuld an diesem Dilemma trägt auch der Staat, der eine Politik zwischen Frauenquote und Betreuungsgeld verfolgt. Auf der einen Seite steht die gesetzliche Beförderung von Frauen in deutschen Chefetagen, die zu mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern beitragen soll. Auf der anderen Seite bewirkt die Politik mit der Einführung des Betreuungsgeldes, und somit der Förderung heimischer Kindererziehung, womöglich den entgegengesetzten Effekt und trägt damit nicht gerade zur Lösung des Problems bei.

Allerdings sollte bei all diesen Ausführungen nicht unbetrachtet bleiben, dass viele Mütter voll berufstätig sind und für Haushalt als auch Kindererziehung entweder gemeinschaftlich gesorgt wird oder auch ganz dem Mann obliegen. Und auch das Betreuungsgeld muss nicht dazu führen, dass mehr Frauen daheim bleiben. Es kann auch vom Vater des Kindes, den Großeltern oder der Tagesmutter bezogen werden.

Wie und ob der Konflikt auch in Zukunft noch bestehen wird und welche gesellschaftlichen und politischen Bestrebungen erfolgreich oder nicht sein werden, bleibt abzuwarten. Im Endeffekt muss jedoch jeder für sich eine Entscheidung treffen, wie er sein Leben und seinen Alltag gestalten möchte. Und auch, wer in Zukunft den Abwasch übernehmen wird.

Jasmin studiert Soziologie und Germanistik an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und ist seit April 2012 Mitglied der Redaktion. Von Januar bis April 2013 war sie für das Gesellschaftsressort tätig. Von Mai 2013 bis April 2014 hat sie die Chefredaktion der Printausgabe übernommen.

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