Shreck trifft auf ein kleines Dorf im Süden von Indien. Ein bolivianischer Fussballclub auf die Geschichte Südafrikas. Rumänische Streetdancer auf die chinesische Mauer und mittendrin ein englischsprachiges Video: „Ihr tut das nicht für uns, ihr tut das für euch”, sagt eine Stimme.
Der Mann, der den typischsten aller Lehrersätze sagt, ist Mircea Samoila. Der junge Rumäne hat das Projekt „Voices of the world“ 2006 ins Leben gerufen und ist Editor der gleichnamigen Onlinepublikation. Seine Idee dahinter ist, dass junge Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern durch Clubs und Workshops journalistisch geschult werden, um über ihre Erfahrungen und Meinungen zu schreiben. Die dabei entstandenen Artikel werden dann auf der Website unter den Rupriken Opinion, Politics & Economy, Community, Culture & Arts, Sports, Travel und Worldnews veröffentlicht. Finanziert wird das Projekt von der britischen Organisation „Projects abroad“, die weltweite Freiwilligenarbeit organisiert.
Schreiben macht Spaß – das sollen Jugendliche in den Workshops von „Voices of the World” auch merken. Foto: nr.Dabei sollen die Jugendlichen vor allem über Themen schreiben, die sie interessieren oder beschäftigen. Das führt zu interessanten Geschichten: Die Beeinflussung der Entwicklung der Medien durch die Demokratie in Südafrika, ein Reisebericht aus Rumänien und die Auswirkungen der englischen Prinzenhochzeit auf Südafrika. Sie können aber auch über sich selber schreiben, so wie die mongolischen Waisen Orchir und Rencen, die ihre Lebensgeschichte erzählen: Die eineiigen Zwillingen arbeiten nachts in einer Fabrik, tagsüber gehen sie zur Schule.
Hauptsächlich ist die Onlinepublikation für die Teilnehmer der Workshops bestimmt, generell können aber junge Menschen aus aller Welt ihre Artikel einreichen. Bis jetzt sind die meisten Berichte aber aus der Mongolei, Rumänien, Südafrika und Indien, da bis jetzt nur in diesen Ländern Workshops stattfinden und Clubs gegründet wurden.
Die für Indien zuständige Subeditorin ist Pooja. Die 24-jährige Inderin ist Journalistin beim „Madurai Messenger“, einem Magazin von „Projects abroad“. „Wenn die Schüler nach einem Workshop Gefallen am Schreiben gefunden haben, können sie in den Journalism Club eintreten“, sagt sie. In Indien sei es nicht üblich, dass Kinder in den Schulen kreatives Schreiben lernen. Deshalb sei das Feedback der Schüler überwältigend, erklärt sie. Einmal die Woche leitet Pooja einen Journalistenclub in einer Highschool, die Workshops finden monatlich an verschiedenen Schulen statt. „Es ist kompliziert, es zu organisieren“, sagt sie. „Aber wenn es einmal stattgefunden hat, wollen Lehrer und Eltern, dass es wiederholt wird.“
Warum „Voices of the world” doch nicht die Stimmen aller Länder, sondern hauptsächlich die „Voices” von jungen Menschen aus Entwicklungsländern wiedergeben will, erklärt der Editor und Kopf des Projekts Mircea Samoila: „Die Motivation die Welt zu verändern ist in reichen Ländern oft too much“. Viele würden das eigene System in Länder einbringen wollen, in die es einfach nicht reinpasse. „Die Veränderung muss vom Individuum zum System kommen und nicht andersherum“, sagt er. Zudem gebe es in den Industrienationen viele Möglichkeiten, um „eine Stimme zu haben“, in den Ländern der Subeditoren sei dies aber nicht der Fall.
Mirceas Motivation für das Projekt ist seine eigene Geschichte: Kindheit im kommunistischen Rumänien, seine Jugend war geprägt von der Überforderung des Landes vom plötzlichen Wechsel in den Kapitalismus. Heute sei Rumänien eine Scheindemokratie und das würde seine Mitbürger noch nicht einmal stören, erzählt er in einem von ihm verfassten Artikel auf der Internetseite. Deshalb will er, dass junge Menschen für ihre Rechte aufstehen und „ihre Freiheit nutzen“.
Das hört sich idealistisch an und das ist es auch: „Voices of the World“ sei längst nicht so populär, wie er es sich erhofft habe, erklärt Mircea. Zudem sind die Berichte, auch wenn die Themen interessant und gut gemischt sind, nicht so tiefgründig, wie er es in seiner Videoansprache auf der Website angekündigt hat.
Auch wenn das Projekt noch nicht die erwarteten Früchte trägt, Mircea bleibt positiv: „Solange auch nur eine junge Person etwas lernt, sich weiter entwickelt und die Freiheit nutzt, seine Weltsicht mit anderen zu teilen, ist es für mich ein Erfolg.“ Mirceas Website-Video endet mit dem Satz: „Don’t be quiet, don’t be unenvolved – be a Voice Of The World.” Es wird sich zeigen, ob das Projekt einfach Anlaufschwierigkeiten hatte oder ob die jungen Menschen, die durch das Projekt angesprochen werden sollen, keine Stimme dieser Welt sein wollen.
Nele leitete bis 2012 das Ressort Hochschule.