Der umweltfreundliche Schneckenschutz Schnexagon
Schnecken sind für viele Gärtner ein Ärgernis, vor allem wenn sie den Salat schneller essen als der Gärtner selbst. In den letzten Jahren sind Nacktschnecken im Garten zu einer Plage geworden. Die Tiere werden mit Salz und Chemie bekämpft oder durchgeschnitten, obwohl sie einen wichtigen Teil des Ökosystems darstellen, da sie der Fressfeind vieler Gräser und Kräuter sind und so die Artenvielfalt unter den Pflanzen bewahren.
„Es gibt Millionen von Versuchen, die Leute unternehmen, um sich gegen Schnecken durchzusetzen, aber nichts davon setzt sich durch, außer das [Schnecken-] Korn“, deswegen hat die frühere Biologie- und derzeitige Agrarwissenschaftsstudentin Nadine Sydow 2014 im Zuge ihrer Masterarbeit begonnen, nach alternativen Methoden der Schneckenbekämpfung zu forschen. Die Idee dabei war, auf umweltschonende und ethische Art und Weise zu verhindern, dass die Schnecken überhaupt in die Blumentöpfe und Beete gelangen. Dafür wollte sie einen Anstrich für Blumentöpfe entwickeln, den die Schnecken nicht überqueren können und ihnen so den Weg ins saftige Grün versperrt – Schnexagon.
Die Suche nach einem Stoff, an welchem Schnecken nicht haften können, stellte sich als schwieriger heraus als Nadine und ihr Professor vom biologischem Institut vermutet hatten: Schnecken können den Schleim ihres Sekrets vom Untergrund abhängig zusammensetzen, wodurch sie sogar an antihaftenden Substanzen wie Teflon oder Lotus kleben können. Zudem benötigen die Tiere nur wenige Quadratmillimeter um ihr gesamtes Körpergewicht zu tragen, wodurch sie sich an einem einzigen Schleimfaden abseilen können.
„Wenn ein winziger Punkt [zum Haften] ausreicht, ist es egal wie zackig, oder wie spitz man die Oberfläche macht, das wurde mir irgendwann klar. Es kann nichts mit der Struktur zu tun haben, es muss strukturunabhängig sein“, nach dieser Erkenntnis wandte sich Nadine den antihaftenden Materialien zu. Nachdem über 400 ausprobierte Materialien keine Schnecke am Haften hinderte, erkannte sie, dass das endgültige Produkt durchaus patent- und marktfähig sein könnte. Durch Zufall entdeckte Nadine nach vielen Fehlversuchen im Jahr 2014, dass Schnecken nicht an Seife haften, da diese sowohl hydrophil als auch hydrophob ist, und entwickelte den ersten Prototypen von Schnexagon, welcher den Ideenwettbewerb Schleswig-Holstein 2014 gewann. Dem Wunsch, das fertige Produkt 2015 auf den Markt zu bringen, stellten sich jedoch viele Finanzierungsschwierigkeiten in den Weg. Nadine machte sich selbstständig und zog mit ihrer Firma in die, von der Universität gestellten, Hexagonbauten am Biologieinstitut ein, woher auch der Name abgeleitet wurde. Durch Crowdfunding konnte schließlich das nötige Geld gesammelt werden, um Patentrechte für Schnexagon anzumelden und die erste Version auf den Markt zu bringen, welche von 500 Testgärtnern rezensiert wurde. Diese bestand aus zwei Komponenten, die zu einem gräulichen Gips aushärteten. Die erste Probe erzielte den gewünschten Effekt, aber mit dem Kritikpunkt, dass das ausgehärtete Mittel nicht schön anzusehen war. Nadine kehrte zurück ins Labor und tat sich schließlich mit Lugato, einem schleswig-holsteinerischen Farbhersteller, zusammen und entwickelte so einen Anstrich, der nun durchsichtig und unauffällig ist. Unter der Firma Lugato wird Schnexagon nun vertrieben. Mittlerweile ist die aktuelle Version, bestehend aus Holz-, Lein- und Rizinusölen, welche die wirkenden Tenside bilden, in vielen Baumärkten für 23 Euro zu finden.
Damit vergreift sich die Schnecke nicht mehr an Salat und Tomaten, bleibt am Leben, und muss sich nun mit dem Unkraut neben dem Beet oder dem Gemüse aus dem Nachbarsgarten begnügen.Das nächste Produkt, an dem Nadine arbeitet, wird jedoch nichts mit Schnecken zu tun haben: Um gegen Schiffsunterwasserbewuchs wie Muscheln und Seepocken vorgehen zu können, werden viele Schiffe mit hochgiftiger Farbe bestrichen, die durchaus ins Meer gelangt und deshalb schädlich für alle Meeresbewohner ist. Durch eine Farbe mit Antihaft-Funktion, die nicht umweltschädlich ist, möchte Nadine ihr Sortiment an grünen Abwehrmitteln erweitern. Den Namen weiß sie auch schon: Poxagon.
Bild: Solvoluta
Alina studiert seit dem Wintersemester 2016 Politikwissenschaft und Soziologie in Kiel und war seitdem bis 2017 Teil der ALBRECHT-Redaktion.