Beobachter*innen im wilden Getümmel des Auditorium Maximum

Ob Partyprofi oder Coffee-Clown wir kennen sie alle und finden uns in ihnen wieder, auch wenn wir das nicht zugeben wollen. Das neue Semester steht in den Startlöchern, genau wie unsere Selbstfindungsphase in den ersten Wochen, weil wir jetzt ‚bessere’ Studierende werden, klar. So individuell wir doch alle sind, lassen sich bestimmte Muster erkennen, die sich ‚auf die Schippe’ nehmen lassen. 

Begleitet mich in den folgenden Zeilen auf eine Reise. Eine fiktive Reise in die großen Hallen des Auditorium Maximum und setzt euch zu mir. Beobachtet mit mir das wilde Getümmel in den glorreichen, unfassbar grauen, ungeschmückten Hallen des Wissens. 

Die (planlose) Semesterplanung 

Wir treten gemeinsam ein, durch schwere Glastüren und lassen uns nieder auf einem der kalten Stühle, mit den viel zu kleinen Sitzflächen. Es sind schon viele Studierende unterwegs, obwohl es erst 12 Uhr morgens ist, für uns mitten in der Nacht, versteht sich. Da fällt uns auch schon das erste Geschöpf in den Blick. Mit eigenen Werkzeugen in den Klauen – den Terminplaner in der einen, das Smartphone in der anderen Pranke. Wir erhaschen einen Blick auf den Planer. Geöffnet ist die unbrauchbare Moin CAU-App, die niemals diesen verdammten ‚WR400’ finden wird. Ein verwirrter Blick in die eine, ein verzweifelter in die andere Richtung. Dabei ist dieses ‚WR400’ doch schon ganz nah. Im nächsten Augenblick wird der Terminplaner geöffnet und wir wissen, wir spüren es – vor uns steht ein (ziemlich planloses) Planungsgenie. Sind da etwa schon mögliche Masterstudiengänge zwischen den vier verschiedenen Textmarkerfarben zu erkennen?!? Genaueres können wir nicht erblicken, denn unser Organisationstalent verabschiedet sich in die richtige Richtung. Westring 400. Dieses Semester wird anders laufen. Es wird nicht nur wieder die erste Woche geplant, wie sonst immer – nein, es wird jedes To-Do-Kästchen ordnungsgemäß abgehakt. Sicher. 

Der Partyprofi 

Schon in der nächsten Sekunde wird uns ein Flyer in die Hand gedrückt. „WISO nüchtern?“. Ja, weil’s 12 Uhr morgens ist und ich erst bei meinem dritten Kaffee bin. „Samstag fette Party!“ Ah, ein berühmt-berüchtigter Partyprofi Mensch wusste schon, wo es am Wochenende richtig krass wird, bevor jemand ‚Wochenende’ buchstabieren konnte. Kurz frage ich mich auch, wieso ich das alles nüchtern ertrage. Wochentage existieren seit dem Wort ‚Immatrikulation’ in meiner Welt sowieso nicht mehr. Dieses Semester will der Partyprofi die dicksten Partys schmeißen und sich trotzdem ausreichend auf das Studium konzentrieren und bloß keine Abgabe verschlafen. Bevor wir reagieren können, stolziert unser Alexander Marcus auch schon davon. 

Der Coffee-Clown 

Bei einer Person will die Partywerbung wohl nicht so richtig funktionieren. In den Händen ist kein Platz für einen Flyer. Die Mate links, den Kaffee rechts. Wir riechen die abgebrühten Bohnen, sitzend auf den immer noch viel zu kleinen Stühlen. Jetzt bin ich mindestens sieben Tage wach, danke. Zu viel Koffein kann dem Coffee-Clown jedoch nichts anhaben, genauso wenig wie Uhrzeiten. Nach wie viel Kaffee ist Schluss? Dafür bräuchten wir eine investigative Recherche. Wir sehen genauer hin und spüren es. Wir spüren, dass unsere laufende Kaffeebohne spätestens nach 30 Minuten in der Bibliothek ein Kaffeepäuschen mit Kommiliton*innen anstrebt, denn bei mindestens vier Päuschen war es ein erfolgreicher Morgen. Dieses Semester wird es aber nur drei Pausen pro Morgen geben und dafür ausreichend Schlaf und Sport. Sicher. 

Die tägliche Termin-Trödelei 

12:15 Uhr. Vorlesungsbeginn – das Auditorium Maximum erscheint angesichts der wenigen Leute nun eher wie ein Somnium Minimum. Plötzlich erahnen wir semi-schnelle, kurze Schritte. Fast in Vergessenheit geraten: Der tägliche Termin-Trödler lässt sich blicken, wenn auch immer auf sich warten. Mittlerweile ist es 12:20 Uhr. Die Vorlesung hat begonnen, doch nicht für diesen Typus. Minuten haben 100 Sekunden, oder? Streng genommen wäre es somit erst 12:14 Uhr und 99 Sekunden – also pünktlich. Ein Blick auf den Gang und wir erkennen, die Gewissheit in den Augen, dass die 100-Sekunden-Regel nur im Kopf existiert. Doch dieses Exemplar ist Trödeln gewöhnt und bedient sich daher eher semi-schnellen Schrittes. Wir aktivieren unsere ausgeprägte Menschenkenntnis und sehen schon, welches Szenario sich gleich abspielen wird: nach einem lauten ‚SORRY’ wird die Tür des Hörsaals zuknallen. Und dann liegt der nicht validierte Studiausweis auch noch zu Hause. Dabei wird der für die Klausur heute unbedingt gebraucht. Dieses Semester sollte sich doch alles ändern – und tatsächlich! Heute waren es ja immerhin nur fünf vertüddelte Minuten. Und die nächsten Wochen werden besser. Sicher. 

Das Erwachen durch den Aufprall 

Noch einmal tief durchatmen. 

13:45 Uhr – Vorlesungsende. Wir hören einen lauten Knall, schauen auf. Eine Karambolage direkt vor unseren Augen – der (ziemlich planlose) Semesterplaner sammelt den Kalender auf, der Partyprofi die übrigen Flyer, Coffee-Clown hilft, denn der Kaffee ist natürlich schon leer und der Termin-Trödelnde reibt sich die Stirn. Nun stehen sie da, schauen einander an.  

Jetzt Spaß bei Seite – jede*r von ihnen hat etwas, was andere nicht haben. Gute und schlechte Seiten, die einen mehr im Vordergrund als die anderen. Alle wollen sich ändern, aber werden es wahrscheinlich nicht. Aber wisst ihr was? Das ist vollkommen in Ordnung! Wir sehen oft nur dahin, wo das Gras grüner wächst und wollen früher aufstehen, mehr planen, mehr lernen. Mehr, mehr, mehr. Aber wieso nicht einfach mal genug sein? Ohne die Typen, die ich in den letzten Zeilen stigmatisiert und frei erfunden habe, wäre es nur noch halb so witzig und erst recht nicht mehr individuell. Wir können immer voneinander lernen, uns Tipps geben, um besser durchs Leben und durchs Studium zu kommen. Aber am schönsten ist es, in den Spiegel zu schauen und zufrieden zu sein. Das ist wohl mit das Schwierigste am ganzen Studium. Viel schwieriger als früh aufzustehen und pünktlich zu sein oder weniger Kaffee zu trinken. Lasst uns dieses Semester einander an die Hände nehmen und genau das versuchen – mit uns zufrieden zu sein, anstatt uns ständig zu vergleichen und anders sein zu wollen. Denn wie wohl irgendein schlauer Mensch mal sagte: Comparison is the thief of joy. 

Autor*in

Sarah heißt zwar nicht Karla Kolumna, fährt auch keinen rasenden Roller (dafür Motorrad), schreibt aber seit Februar 2024 für den Albrecht. Achso, Sozio-Ökonomik studiert sie auch noch.

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