Die Tram kommt und plötzlich sind die Radwege weg
„Mobilitätswende jetzt! Die Stadtbahn kommt“, kündigt die Stadt Kiel an. Zwar nicht sofort oder in den nächsten Jahren, sondern frühstens 2033. Trotzdem ist es ein Kernpunkt in der Kieler Mobilitätswende, um dem Klimawandel, den vollen Straßen, dem vollen ÖPNV, der Feinstaubbelastung in der Luft und dem Stadtbild gerecht zu werden. Mittlerweile gibt es die Ergebnisse der Trassenstudie online zu sehen. Darin enthalten sind auch erste genauere Vorschläge, wie einzelne Straßenabschnitte in der Zukunft aussehen könnten. Wenn man sich diese anschaut, fällt schnell auf: An vielen Stellen ist der Fahrradstreifen weg und stattdessen durch Mischverkehr mit dem Auto oder einen gemeinsamen Fuß- und Radweg ersetzt.
Hört auf, das Auto mitzudenken
Zwei Sachen vorweg: Zum einen ist klar, dass von den Plänen noch nichts in Stein gemeißelt ist und noch Veränderungen stattfinden werden. Zum anderen ist klar, dass der Platz zwischen den Häusern nur begrenzt ist und wenn die Tram kommt, alle anderen Verkehrsteilnehmer*innen an Platz verlieren. Wie passt es dann zusammen, von Mobilitätswende zu sprechen und gleichzeitig kein Problem darin zu sehen, wenn der Fahrradweg auf einmal fehlt? Das selbst auferlegte Ziel der Stadt Kiel ist es, mehr Leute dazu zu bringen, den Bus und in Zukunft auch die Tram zu benutzen oder direkt mit dem Fahrrad durch Kiel zu fahren. Da wäre eine Verschlechterung der Infrastruktur für Radfahrer*innen kein Anreiz, zu wechseln. Insgesamt sollte sich die Frage gestellt werden, wo in Zukunft überhaupt noch Autos durch Kiel fahren sollen. Braucht es Autoverkehr beispielsweise im Bereich der Innenstadt oder am Hauptbahnhof? Straßen wie der Martensdamm, die Rathausstraße und die Bergstraße könnten in Zukunft auch ohne Autoverkehr auskommen. Der gewonnene Platz kann dafür benutzt werden, die Innenstadt zu einem ruhigeren, autofreien Bereich umzugestalten. Ein Naherholungsort, an dem man nicht durch die Geräusche und Gerüche von Autos gestört wird.
Mischverkehr ist nicht die Lösung
Aber was spricht eigentlich gegen einen Mischverkehr? Dadurch, dass weniger Platz durch die Tram vorhanden ist, können zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Klar, für erfahrene und sichere Radfahrer*innen ist das wahrscheinlich kein Problem. Für die Mehrheit der Fahrradfahrenden, wie zum Beispiel Kinder oder ältere Menschen, ist der Mischverkehr jedoch nicht die Lösung. Ein leider viel zu oft nicht eingehaltener Sicherheitsabstand beim Überholen verängstigt und gefährdet viele Menschen. Parkende Autos daneben helfen dem Ganzen nicht, weil sie durch unvorsichtiges Öffnen der Tür oder beim Herausfahren eine weitere Gefahrenquelle bilden. Bei einem Unfall ist der Mensch auf dem Fahrrad immer mehr gefährdet als der Mensch im Auto. Auch das Ausweichen auf verkehrsberuhigte Neben- oder Fahrradstraßen löst nicht das Problem. Auf diesen Straßen ist genauso das Auto unterwegs und durch parkende Autos auf beiden Seiten ist es noch uneinsichtiger, ob ein Auto aus einer Einfahrt kommt oder nicht.
Die Gestaltung liegt in eurer Hand
Damit die Stadtbahn und die Straßen in Zukunft so aussehen, wie sie benötigt werden, gibt es Möglichkeiten, sich aktiv in die Planung miteinzubringen. Dafür gibt es in Zukunft Trassenspaziergänge für einzelne Abschnitte und ein offenes Büro. Dort kann jede Person ihre eigenen Ideen für die Gestaltung der Kieler Straßen von morgen in die Diskussion einbringen.
Die Abschnittspläne für die Tram könnt ihr euch hier anschauen.
Joschka studiert seit dem Wintersemester 20/21 Soziologie und Politikwissenschaft und ist seit Ende 2022 Teil des Albrechtsteams. Dazu leitet er seit dem März 2023 das Layoutteam und ist seit Februar 2024 stellvertretende Chefredaktion.