Alte Schienennetze sollen wiederbelebt und neue Trassen gebaut werden: Nach dem Vorbild der Städte Karlsruhe und Saarbrücken plant die Landeshauptstadt Kiel die StadtRegionalBahn (SRB), die die Kieler Innenstadt mit den Umlandgebieten Plön, Rendsburg-Eckernförde und Neumünster verbindet.
Die Gesamtkosten werden derzeit mit 400 Millionen Euro veranschlagt. Finanziert würde das Projekt durch öffentliche Mittel von Land und Bund, sowie Gelder privater Investoren. Auf die Landeshauptstadt Kiel kämen in den nächsten 30 Jahren jährlich etwa 8,3 Millionen Euro Betriebskosten zu.
Viele alteingesessene Kieler, wie Sabine und Peter aus Dietrichsdorf, können sich noch gut an die
alte Kieler Straßenbahn erinnern, die 1985 eingestellt wurde. Mit den Erinnerungen fällt gleichzeitig der Satz: „Die hätten sie nie abschaffen sollen. Völlige Fehlplanung, die Busse haben den Stadtverkehr nie gut abgedeckt.“
Also alles nur kalter Kaffee? Alte Konzepte, nur neu entdeckt? Die Regierungsfraktionen der Kieler Ratsversammlung sehen in der SRB ein erfolgreiches Zukunftsprojekt: Es ist die Antwort auf die stetig wachsenden Belastungen im öffentlichen Nahverkehr ‒ vor allem durch Berufspendler aus den Umlandgebieten.
Wohin führen die Wege der Kieler Eisenbahnpolitik? foto: aloMit der neuen Bahn können die Regionen abgedeckt werden, die bisher vom Busverkehr nicht ausreichend bedient werden konnten. Kiel würde noch schneller und leichter zu erreichen sein. Die neue Bahn gilt gleichzeitig als wichtiger Baustein des Kieler Klimaschutzkonzeptes von 2008. Bei gut ausgebauten Bahnstrecken, hofft die Stadt Kiel, ließen viele Pendler das Auto stehen.
Die SRB soll also mehr können, als die alte Kieler Straßenbahn, die nur den Innenstadtbereich abdeckte. 2008 stimmten SPD, Grüne, Linke und der SSW für den Antrag, konkrete Schritte für eine Stadt- RegionalBahn einzuleiten ‒ nachdem sich bereits der Kreis Plön und das Land Schleswig-Holstein für die Bahn ausgesprochen hatten.
Dezember letzten Jahres stellte die Landeshauptstadt 250 000 Euro Planungsmittel für die SRB bereit. Die Befürworter wollen nun eine Planungsgesellschaft gründen. Den Planungen stehen im Rat vor allem die FDP und die CDU kritisch gegenüber. Solange auf Kiel die Schuldenlast liegt, sei das Projekt nicht finanzierbar. Schon die Planungsausgaben fehlten an anderer Stelle. Die beiden Fraktionen machen sich hingegen dafür stark, den schon vorhandenen Bus- und Schiffsverkehr auszubauen. Uneinheitlich ist auch die Unterstützung der Umlandkreise, die das Projekt finanziell mittragen müssten.
In der „Woche der Mobilität“ im September 2010 konnten sich die Kieler von den neuen Konzepten überzeugen. Im Umsteiger am Hauptbahnhof Kiel, der Service- und Radzentrale der KVG, gab es Stadtbahnmodelle zu besichtigen und Videos zu den Planungen. Im August des letzen Jahres radelten Kieler mit Bürgermeister Peter Todeskino auf den Spuren der SRB von Kiel Richtung Schönberger Strand.
Unter dem Motto „Mobilität und Umweltschutz“ lassen die Stadt Kiel und der Verein Pro StadtRegionalBahn die Bevölkerung an dem Projekt teilhaben. Seit einigen Jahren gibt es die konkrete Idee, wie sich eine SRB für Kiel gestalten könnte. Seitdem wurde vor allem Geld in Planungskomitees und Gutachten gesteckt. In den Köpfen mancher Kieler tauchen da Bilder von Stuttgart 21 auf.
„Damit es in Kiel kein Stuttgart 21 geben wird, sollte eine umfassende Bürgerbefragung stattfinden.“ Diese Forderung stellte eine Kielerin in einem Leserbrief an die Kieler Nachrichten und drückt damit die Unsicherheit über das Projekt in der Kieler Bevölkerung aus. Denn ob die Kieler und Umlandbewohner hinter dem Vorhaben stehen, weiß keiner so richtig.
Erhöhte Lärmbelästigung, Umsatzeinbußen für den Einzelhandel durch Baustellen oder die Zerstörung von Naturräumen und Parkanlagen sind einige Sorgen. Wie viele Planungsgelder stattdessen in den städtischen Schuldenabbau oder die Renovierung von Schulen hätten fließen können, bleibt offen. Trotz Informationskonzepten der Stadt Kiel ist für die meisten Kieler Studierenden die SRB kein Thema.
Sollte es aber schon 2014 zum geplanten Baubeginn kommen, erhalten die Begriffe „Bahn“ und „Bauvorhaben“ auch für Kiel eine gewichtige Bedeutung ‒ und lassen die vorsichtigen Fragen zu: Wie weit entfernt sind wir von Kiel 21? Kommt es bald zum Schlichterspruch an der Förde?
Cathrin war bis 2011 stellvertretende Chefredakteurin des Albrechts und für Anzeigen und Finanzen verantwortlich. Sie leitete das Lektorat und wirkte am Layout der Print-Ausgabe mit.
Ein Kommentar
Als ehemaliger CAU-Student (1984-90), der jetzt seit 17 Jahren in Kassel lebt, wundere ich mich über Eure zurückhaltende Zustimmung
zur SRBKiel !
Während ich auch der Meinung bin, dass es sich bei S21 überwiegend
um ein teures Prestige-Objekt handelt, dessen Kosten vielleicht
sinnvoller eingesetzt werden könnten, ist es in Kiel doch anders
gelagert, da das Projekt unmittelbar den Kieler Bürgern zugute
kommt, die täglich im ÖPNV unterwegs sind!
Ich empfehle Euch mal einen Besuch in Karlsruhe, Kassel oder
Saarbrücken ,um zu erleben, wie genial dort die Verknüpfung von
Eisen- und Straßenbahnnetz funktioniert. Ehemals (fast) stillgelegte
Eisenbahnstrecken werden mittlerweile sogar elektrifiziert, da die
Fahrgastzahlen seit Realisierung stetig angestiegen sind.
Besonders in einer alternden Gesellschaft, deren körperliche
Mobilität abnehmen wird, ist eine umsteigefreie, schnelle
Verbindung (z.B. aus Felde, Schönkirchen, Gettorf oder Flintbek)
sehr attraktiv. Außerdem ist es auch eine soziale Frage, denn
zunehmende Altersarmut korrelliert nicht gerade mit der Fähigkeit,
sich ein Auto leisten zu können, von der Umweltfrage mal ganz
abgesehen!
Gruß aus Kassel und eine erfolgreiche Landtagswahl im Sinne der
Weichenstellung für die SRBKiel wünscht
Dirk Johannsen