Theresa Leinkauf (FDP) im Interview zur Landtagswahl 2022
Am 8. Mai findet in Schleswig-Holstein die Landtagswahl statt. Daher hat sich der ALBRECHT mit dem Campus Radio Kiel zusammengetan. Philipp Nyzik vom Radio und Eileen Linke vom ALBRECHT interviewen gemeinsam Politiker:innen aus Kiel, die Rede und Antwort zu hochschulbezogenen Themen stehen und euch dabei die Forderungen und Programme ihrer jeweiligen Partei näherbringen.
Dieses Mal hat Philipp mit Theresa Leinkauf von der FDP gesprochen. Sie hat 2017 an der CAU ihren Masterabschluss in Geophysik und Geochemie gemacht und ist danach direkt in die Politik gegangen. Zuerst arbeitete sie für eine Bundestagsabgeordnete in Kiel, dann hat es ihr so gut gefallen, dass sie jetzt selbst als Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen kandidiert, außerdem ist sie auf Listenplatz Nummer Neun.
Hinweis: Dieses Interview hat Philipp allein mit Theresa Leinkauf geführt. Wir haben das Gespräch für diese Reihe verschriftlicht.
Philipp: Du bist in einer Partei, die viele junge Wähler abholt, die tatsächlich sogar führend ist in der jungen Wählergruppe, knapp vor der Grünen Fraktion. Was unterscheidet euch von den Grünen?
Wir setzen andere Schwerpunkte in der Außendarstellung. Die FDP sagt bei vielen Fragen, dass wir auf ganzer Ebene nachhaltig sein müssen, und denkt in dem Sinne auch über das ganz große Thema Klimawandel nach. Es muss ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich sein. Es gibt aber auch viele andere Themen, bei denen im Zweifelsfall oftmals die Ziele übereinstimmen, aber die Wege, die eingeschlagen werden, unterschiedlich sind. Wenn wir jetzt beim Thema Energiewende bleiben, setzen wir auf neue Technologien und auf Investments in der Forschung. Die Grünen haben da andere Wege und arbeiten oftmals auch über Verzicht und Verbot.
Ist das dann auch der Grund, weshalb die FDP sagt, sie wolle keine neuen Flächen für Windkraftwerke ausweisen?
Wir wollen vor allem in Schleswig-Holstein mehr auf Offshore-Energie setzen. Eine Offshore-Windkraftanlage wirft im Jahr doppelt so viel ab wie eine an Land und wir wollen vor allem repowern. Es gibt viele alte Anlagen, die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen, die in den nächsten Jahren ausfallen würden. Da muss geschaut werden, wie sie weitergenutzt werden können. So, dass auch an diesen Standorten weiterhin Windenergie produziert werden kann. Man muss dazu sagen, dass neue Anlagen oftmals höher sind und entsprechend größere Rotoren haben.
Je größer die Rotoren, desto mehr Energie kann produziert werden. Die SPD wird immer fragen, wie viele Anlagen es vor und nach Jamaika gab und dann werden sie so tun, als hätte sich nichts getan. Das ist nicht so. Es muss auch geschaut werden, wie effektiv diese Anlagen sind. Wenn es neue größere Anlagen gibt, dann gibt es natürlich einen Zuwachs an der Menge der produzierten erneuerbaren Energie, bei einer unveränderten Anzahl von Anlagen.
Würde es denn ausreichen, alle bestehenden Anlagen einfach zu repowern?
Nein, deswegen auch der Offshore-Ausbau. Wir haben in Schleswig-Holstein als Land zwischen den Meeren mit viel Wind einen großen Fokus auf Windenergie. Das ist aber nicht das Einzige, was getan werden muss, um die Energiewende zu schaffen. Es gibt noch viele andere erneuerbare Formen, gerade die Solarenergie. Wir müssen auch schauen: Wie nutzen wir diese erneuerbaren Energien? Stichwort: Ausbau von Netzen. Stichwort: Speicherung.
Im Moment ist es so, dass wir Spitzen haben, wo wir so viel erneuerbare Energien produzieren, dass die abgeschaltet werden müssen. Das ist natürlich kompletter Nonsens. Das heißt, wir brauchen ein besseres Netz, müssen den Strom von den Produktionsorten besser dahinbringen, wo er gebraucht wird und müssen dafür sorgen, dass entsprechend gespeichert werden kann. Hier im Norden machen wir an der Westküste bereits einige Modellversuche zur Sektorenkopplung und der Produktion von Wasserstoff über Elektrolyse.
Da wir schon im Bereich Umwelt und Klimaschutz sind, lass uns doch mal in die Richtung Ausbau und Modernisierung des ÖPNV gehen. Wir haben jetzt ein Semesterticket, aber es gibt eigentlich nur drei Züge, die in Schleswig-Holstein wirklich relevant sind und fahren.
Die Bahn ist ein großes Thema, weil das zum einen auf Landesebene liegt. Vieles, was die Bahn angeht, ist aber auch Bundesthema. Wir haben einen Wirtschaftsminister, der da bei einigen Strecken ordentlich Tabula rasa gemacht hat, da gehört natürlich auch die Bundesebene zu. Ich habe aber nicht nur ein Problem damit, dass nur drei Züge fahren, ich habe auch ein Problem mit der Taktung und der Pünktlichkeit. Wenn ich einen Termin in Hamburg habe, dann nehme ich im Zweifelsfall den Zug so, dass ich eine Stunde und zwanzig Minuten Puffer habe, damit ich pünktlich ankomme.
Damit wirst du niemanden langfristig überzeugen, die Bahn zu nutzen, wenn du immer das Gefühl hast, dass du doppelt so viel Anfahrtszeit für einen Termin einplanen musst, als du im Zweifel mit dem Auto brauchen würdest. Ich glaube, der Weg dahin, dass mehr Menschen den ÖPNV nutzen, führt auch über die Attraktivität. Dass beispielsweise auch in den Zügen dank WLAN gearbeitet werden kann, da sind wir noch lange nicht.
Kommen wir zum Thema Hochschule: Jetzt haben wir ein neues Hochschulgesetz, woran die FDP auch beteiligt war. Und ich lese dieses Hochschulgesetz und – wenn ich das so provokant formulieren kann – habe das Gefühl, die FDP versucht, die Uni zur Fachhochschule umzubauen, indem sie versucht, die Kommunikation zwischen Uni und Unternehmen zu stärken und für mehr Verschulung an der Uni einzutreten.
Am Ende geht es mehr darum, dass man sagt: Wie kann man Studierende in Schleswig-Holstein und Unternehmen besser zusammenbringen, wie kann man voneinander profitieren? Ich bin nach meinem Studium direkt in die Politik gegangen und ein Grund dafür war, dass ich in Schleswig-Holstein nicht direkt einen anderen Job gefunden habe. Also war es nicht so, dass ich mit meinem Studium so viele Möglichkeiten gesehen hätte und überall anfangen konnte. Das kann natürlich unter anderem an dem Bereich Geowissenschaften liegen. Das liegt aber auch an der Struktur der Unternehmen hier.
Wir bilden in Schleswig-Holstein an den Universitäten unfassbar viele Fachkräfte aus und die gehen nach dem Studium wieder weg. Ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass Kiel so schrecklich sei, dass man sagen würde, man muss direkt nach dem Studium wieder aus der Stadt raus. Häufig gibt es keine Verknüpfung zwischen Unternehmen in der Region und den Studierenden hier. Tatsächlich ist es auch ein Punkt, dass viele zu einer Fachhochschule gehen, weil dort praxisnäher ausgebildet wird. Ich glaube, dass mehr Praxis schon im Studium und eine bessere Zusammenarbeit förderlich sind.
Ihr setzt euch auch für ein Gründungs-Semester ein. Kannst du uns erklären, was das ist?
Ein großes Thema ist die Förderung von Gründertum an Hochschulen. Deutschland ist Gründung gegenüber etwas verhalten. Junge Menschen sagen selten, dass sie Unternehmer werden und gründen möchten. Mit dem Gründungs-Semester soll jungen Menschen, die eine Gründungsidee haben und sich gerne selbstständig machen möchten, mit einem Projekt die Chance gegeben werden, das sie schon während ihres Studiums oder auch im Anschluss ihres Studiums angehen. Im Prinzip geht es darum, dass pausiert werden kann und man während des Studiums eine gewisse Geldsumme zur Verfügung gestellt bekommt, um sich voll auf die Gründung und die Idee konzentrieren zu können.
Es gibt zum Beispiel an der Fachhochschule Projekte, bei denen am Ende des Studiums im Rahmen einer Abschlussarbeit eine Gründung vollzogen wird. Da wird ein Businessplan geschrieben und es gibt am Ende ein fertiges Konzept. Damit kann dann im Zweifel auch durchgestartet werden. Das sind Ideen, wie Gründertum in der Region gefördert werden kann. Es gibt auch viele Menschen, die gerne gründen wollen, aber nicht wissen, wie. Dafür haben wir auch ein Mentoren-Netzwerk, das sie unterstützt und auch bei der Finanzierung hilft. Ich finde es super, dass wir so mehr Menschen die Möglichkeit geben, genau das zu machen, was sie gerne wollen.
Jetzt soll eine BAföG-Reform kommen. Die stößt teilweise auf Widerwillen, wenn nicht sogar Kritik.
Wir möchten, dass BAföG-Ämter besser ausgestattet werden, damit Studierende in Zukunft innerhalb von einem Monat ihren BAföG-Bescheid bekommen. Studierende können nicht einfach Monate überbrücken. Manche Eltern mögen das abfedern können, aber das können nicht viele. Und es kann nicht sein, dass Notsituationen entstehen, weil es zu wenig Personal gibt und keine Anträge bearbeitet werden können.
Trotzdem sinkt der Anteil an Studierenden, die mit BAföG ihr Studium finanzieren. Sollten mehr Studierende es bekommen können?
Unser Ziel auf Bundesebene ist ein elternunabhängiges BAföG. Bildung muss unabhängig werden vom Elternhaus. Es gibt immer wieder Leute, die studieren wollen und deren Eltern nicht alles offenlegen wollten und deswegen gab es kein BAföG. Du musst dich im Prinzip komplett nackig machen, wenn du eine Förderung benötigst. Natürlich sollte es so sein, dass mehr Menschen BAföG bekommen, und zwar elternunabhängig.
Für viele bleibt, wenn es keine Förderung gibt, nur der Nebenjob. Vielleicht sogar als Hiwi an der Uni. Dort werden die Forderungen nach Tarifverträgen laut. Wie steht ihr dazu?
Wir haben keine Forderung nach einem Tarifvertrag für Studierende in unserem Wahlprogramm stehen, es wird dann Gegenstand von Koalitionsverhandlungen sein. Ich war tatsächlich auch als Hiwi an der Uni und ich muss sagen, ich habe besser verdient als viele Leute außerhalb. Außerdem gibt es den Mindestlohn. Mein Vater hat früher gesagt, Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Natürlich muss es so sein, dass man als Student nicht unter der Armutsgrenze lebt. Das ist ganz klar, aber dafür brauchen wir entsprechend auch ein besseres elternunabhängiges BAföG. Es muss dafür gesorgt werden, dass Studierende ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ob das über einen Tariflohn an der Uni sein muss, darüber kann man sich streiten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wenn ihr noch mehr erfahren wollt – das ausführliche Interview gibt es als Podcast beim Campus Radio Kiel zu hören. Dort spricht Philipp mit Theresa noch eingehender über Windenergie, über den Wohnungsbau in Kiel, die Mietpreisbremse und wie sie zum Gendern steht.
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Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.