Deutsche Drogenpolitik und ihr Scheitern
Endlich ist es so weit – Bubatz legal! Ab jetzt können alle, die in Cannabis-Vereinen aktive Mitglieder sind, komplett legal Brokkoli auf der Couch knuspern und selber anbauen. Der Konsum von sämtlichen Drogen ist immer mit Risiken verbunden und Cannabis, Kokain, Pilze, Meth und so weiter sind quasi auf der ganzen Welt verboten. Was macht die Legalisierung von Cannabis jetzt mit Deutschland und wer freut sich besonders (oder überhaupt nicht) darüber?
Bier, Gras und Brokkoli
„Nur weil Alkohol gefährlich ist, unbestritten, ist Cannabis kein Brokkoli, okay“ sagte 2021 die Drogenbeauftragte Deutschlands, Daniela Ludwig (CSU) und hat kurz davor einen Saufpost vom Kollegen mit ‚gefällt mir’ markiert. Auf die Frage, warum Cannabis noch illegal ist, antwortete Ludwig 2020, „weil Cannabis eine illegale Droge ist“. Dass die Parteienlandschaft in Deutschland fraglich ist und ob manche Politiker*innen überhaupt qualifiziert für ihr Amt sind, soll an dieser Stelle aber nicht Thema sein. Denn nicht nur die konservative Seite der deutschen Politik hat irgendwelche Beiträge zum Umgang mit Cannabis geleistet, schließlich gab es auch Stimmen, die für die Legalisierung der Droge sprachen. Zum Beispiel Karl Lauterbach, der letztendlich auch das Konzept für die Legalisierung vorgelegt hat, Zwischenfragen der AfD ablehnt und gegen die Konservativen argumentiert hat. Dabei hat Deutschland in nahezu allen anderen Ländern den Ruf, eine Brezel- und Bier-Gesellschaft zu sein und es gibt ein relativ großes Alkoholproblem in Deutschland. Alkohol ist ab sechzehn legal – irgendjemand hat nämlich mal entschieden, dass Bier und Sekt unter ‚nicht so harter Alkohol‘ fällt – und gab Jugendlichen die Möglichkeit, ihren sechzehnten Geburtstag auch richtig eskalieren zu lassen. Also was kann für die deutsche Politik so schlimm an Cannabis sein, wenn Alkohol scheinbar selbst für Jugendliche komplett unbedenklich ist und man das Saufgelage vom Kollegen mit ‚gefällt mir’ markiert?
Prohibition und warum sie nur noch ein Schein ist
Die Drogenpolitik, wie sie bis jetzt bestand, basierte immer auf einer Menge Denkfehlern und sorgte unter anderem auch dafür, dass diejenigen, die die Drogen konsumieren, stigmatisiert und teilweise auch diskriminiert werden. Der Begriff der ‚Junkies‘ wurde im Sinne von ‚menschlichem Abfall‘ eingeführt, für Menschen, die von bestimmten Drogen abhängig sind und/oder regelmäßig konsumieren. Interessanterweise wird der Begriff nie mit Alkohol, sondern häufiger mit anderen Drogen, wie Cannabis oder Meth in Verbindung gebracht. Die Position von vielen konservativen Politiker*innen war immer, dass sobald Gras legalisiert wird, auch Normalisierung besteht und viel mehr Menschen konsumieren würden. Sie vergessen dabei, dass nur weil Substanzen illegal sind, es nicht gleich heißt, dass sie auch nicht konsumiert werden.
Mittlerweile kennen alle die Geschichte von Christiane F. aus Wir Kinder vom Bahnhofzoo (Wenn nicht, nachholen!). Dass bestimmte Drogen illegal sind, macht die Lage eigentlich noch viel schlimmer für Konsumierende. Bei einer Überdosis oder einer Sucht wird sich eher weniger getraut, professionelle Hilfe zu suchen. Wenn man bei einer Polizeikontrolle mit Gras in der Tasche erwischt wird, gibt es je nach Situation Geld- oder sogar Gefängnisstrafen. Das Zeug, was ‚auf der Straße’ verkauft wird, ist tausendmal unsicherer als das, was man bei bestimmten Krankheiten in Apotheken erwerben kann. Um nur einige von den Nachteilen der Verbote zu nennen.
Die Prohibition – das systematische Verbieten von bestimmten Substanzen – ist gescheitert. Man bekommt überall Cannabis, jede*r kennt mindestens eine Person, die Kontakt zu Dealer*innen hat. Mittlerweile ist die Prohibition vergleichbar mit dem Weihnachtsmann – da glauben nur diejenigen dran, die uninformiert und nicht darüber aufgeklärt sind, dass es da ein ganz eigenes System gibt.
Lasst uns mit den Kiffer*innen sprechen
Es gibt viele verschiedene Sorten von Cannabis. Verschiedene Arten die Pflanze zu verwerten, noch mehr Arten die Blüten zu konsumieren und viele verschiedene Wirkungen, die der Konsum auslösen kann. Nicht alle reagieren gleich auf die Inhaltsstoffe der Blüten, besonders bestimmend für die Wirkung ist der THC-Gehalt. Bei einigen schlafen nur die Füße ein, andere spüren nichts, manche übergeben sich, andere fliegen auf Wolke 420. Und hier könnten jetzt noch viel mehr Details stehen, wenn richtige Profis öffentlich dazu Aufklärung geben dürften.
Die Profis sitzen nämlich nicht unbedingt im Bundestag, sondern in den Cannabis-Vereinen. Bei sämtlichen Fragen kann man sich an die Vereine wenden, in denen nämlich nicht nur abhängige Kiffer sitzen, sondern vor allem Leute, die über Sucht und verantwortungsvollen Konsum aufklären wollen. Auch in Kiel gibt es einen Cannabis Club. Sie stehen vor allem für Selbstbestimmung, vernünftigen Umgang mit Cannabis und bieten ein breites Beratungsangebot. „Es gibt so gut wie kein Thema, zu dem wir nichts sagen können”, so Vorstand Thorge Schlisio vom Cannabis-Social-Club Kiel (CSC-Kiel). Bei Interesse an Aufklärung oder gar einer Mitgliedschaft in dem Club, könnt ihr euch dort melden; auf ihrer Homepage sind Social Media und E-Mails hinterlegt.
Es wird gehofft, dass sich durch die Legalisierung eventuell nicht so eine Normalisierung wie beim Alkohol ergibt, sondern auch Chancen ergriffen werden. Es gibt jetzt die Chance, mehr aufzuklären, den Alkohol vielleicht auch mal kritischer anzugehen (schließlich können sich 16-Jährige in Deutschland komplett legal abschießen) und die Chance, einen komplett entspannten Abend mit komplett sauberem Brokkoli zu genießen.
Svea studiert Geschichte und Politikwissenschaft im Profil Fachergänzung. Sie ist seit November 2023 Teil des Albrechts und seit Januar 2024 übernimmt sie die Leitung für den Gesellschaftsteil. Neben Texten über aktuelle Politik, schreibt sie auch sehr gerne über historische Themen.