Die Einigung von YouTube und GEMA bedeutet einen Sieg für das Urheberrecht – aber was gewinnt die Videoplattform dabei?

Musikvideos von Eminem, Lady Gaga oder Justin Bieber anzuschauen, war in Deutschland bisher nicht über YouTube möglich. Seit 2009 stritten die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) und der YouTube-Mutterkonzern Google über die Vergütung von Musikvideos im Internet. Musikfans wendeten sich verärgert von YouTube ab, Streamingdienste gewannen an Zuwachs und der Rechtsstreit zwischen Google und der Vergütungsgesellschaft GEMA ging weiter, eine Annäherung der Parteien war nicht in Sicht. Umso überraschender, dass seit dem 1. November 2016 keine roten Sperrtafeln mehr auf der Onlineplattform erscheinen. Die GEMA gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass es zu einer außergerichtlichen Einigung gekommen sei und mit YouTube ein neuer Lizenzvertrag abgeschlossen wurde. Weiterhin bestünden unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, wer für die hochgeladene Musik verantwortlich sei. Erstaunlich also, dass YouTube nach sieben Jahren Streit bereit ist, einen Lizenzvertrag mit der GEMA abzuschließen.

Für das Abspielen der Musikvideos der etwa 70 000 von der Vergütungsgesellschaft vertretenen Künstler, verlangte die GEMA von YouTube eine Abgabe von 0,375 Euro pro angeklicktem Musikvideo. Diese Forderung wollte die GEMA in einem Lizenzvertrag festhalten und dem Lizenznehmer im Gegenzug die Nutzung und Veröffentlichung von Musikvideos erlauben. Zum Schutz des Urheberrechts sei der Musikdienst YouTube als Lizenznehmer verpflichtet, die Künstler am Gewinn zu beteiligen. Allerdings sieht die Onlineplattform die Nutzer in der Verantwortung, da YouTube als Hostprovider nicht unmittelbar für die hochgeladenen Inhalte haftbar gemacht werden könne. Damit sei jeder, der Videos hochlädt, für diese vernatwortlich und müsse daher Geld an die GEMA zahlen. In mehreren gerichtlichen Instanzen konnte die GEMA ihre Forderungen nach Entschädigungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro nicht durchsetzen. Zum einen wurde eine Einigung durch unterschiedliche Auffassungen bezüglich des Lizenznehmers verhindert. Zum anderen waren die Forderungen der GEMA deutlich höher als vergleichbare Vereinbarungen mit Vergütungsgesellschaften anderer Länder, mit denen YouTube bereits Verträge abgeschlossen hat. Einzelheiten über den neu abgeschlossenen Lizenzvertrag und mögliche Entschädigungszahlungen sind nicht bekannt gegeben worden. Die GEMA feiert die Einigung als einen Gewinn für das Urheberrecht und freue sich, die Musiker, Komponisten und Texter am Gewinn beteiligen zu können. Die Vorteile für YouTube fallen auf den ersten Blick jedoch weitaus bescheidener aus.

YouTube erreicht durch den Lizenzvertrag nicht unbedingt einen Marktvorteil, schafft es aber mit anderen Anbietern gleichzuziehen. Zumindest was das Angebot angeht. Seit fast zwei Monaten kann nun auf Musikvideos zugegriffen werden, die zuvor in Deutschland nicht verfügbar waren. Ausgehungert stürzte sich der ein oder andere Musikfan auf die endlich verfügbaren Werke seiner Lieblinge. Vielleicht wurden noch ein paar Songs zur Party-Hits-Playlist vom vorletzten Jahr hinzugefügt, aber was kam dann? Die auf YouTube neu verfügbare Musik lässt sich längst über Musikstreamingdienste wie Spotify, Apple Music, Deezer und Co. einfach und unproblematisch überall hören. Ohne dass die Musik ausgeht, sobald eine andere App auf dem Smartphone geöffnet wird, und teilweise auch ganz ohne Werbung. Doch am wichtigsten: Die Musik war von Anfang an verfügbar. YouTube bietet den Nutzern also nicht mehr als andere Anbieter auch, sondern schafft es lediglich, eine gleichwertige Auswahl zu präsentieren – nach sieben Jahren. Sieben Jahre, in denen andere Musikdienste bereits Lizenzverträge mit der GEMA abgeschlossen haben und Streaming-Apps auf jedem Smartphone angekommen sind.

Doch ganz ideenlos ist YouTube nicht, was die Zurückgewinnung von Nutzern betrifft. In den USA, Mexiko, Australien und in Neuseeland bereits eingeführt, könnte das Bezahlangebot YouTube Red ab dem kommenden Jahr auch nach Deutschland kommen. YouTube Red soll vereinen, was Spotify und Netflix bieten können: Musik hören, Filme und Serien schauen und zwar werbefrei, online und offline. Zusätzlich bietet die Premiumvariante von YouTube Gamingangebote sowie die Kanäle bekannter und beliebter YouTuber werbefrei und mit zusätzlichen Videos. Seit Oktober 2015 können Nutzer in den USA für zehn US-Dollar pro Monat YouTube Red abonnieren und der Bezahldient erfreut sich wachsender Beliebtheit. Allerdings sind auch die kritischen Stimmen nicht leiser geworden: Erklären sich Youtuber, die über das Schalten von Werbung Geld verdienen, nicht einverstanden an der werbefreien Version teilzunehmen, riskieren sie, dass ihr Kanal komplett gesperrt wird. Auch für die Vergütungsgesellschaften gilt es, die Verträge zu erneuern, damit die Videos der vertretenen Künstler auf YouTube Red erscheinen und um zu verhindern, dass diese auf der kostenfreien Plattform mit Sperrtafeln versehen werden.

Die Einigung mit der GEMA enthält bereits die Erlaubnis, die Musik auf YouTube Red zur Verfügung zu stellen. Für den Mutterkonzern Google war der neue Lizenzvertrag somit ein notwendiger Schritt, um auf dem deutschen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Daher ist die Einigung mit der GEMA für YouTube ein dringender Schritt in einer Zeit, in der Spotify weiter an Zuwachs gewinnt und Amazon Music plant, sein Angebot auszubauen.

Autor*in

Alexandra studiert Biochemie und Molekularbiologie. Sie ist seit Oktober 2016 beim Albrecht als Redakteurin aktiv, schreibt über Hochschulforschung oder gibt im Gesellschaftsressort ihre Meinung zum Besten und beim Layout und Design der Zeitung hilft sie gerne aus.

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