Immer dabei, die ‚deutsche Identität‘ zu verteidigen – die Identitäre Bewegung

„Ihr liebt und fördert das Fremde und hasst und bekämpft das Eigene”, sagt die junge Frau in dem Video, das den Titel ‚Zukunft für Europa – Identitäre Bewegung‘ trägt. Was für eine Zukunft sich die Identitäre Bewegung für Europa wünscht, wird auf der Website der Gruppe deutlich. Vom „Großen Austausch“ ist da die Rede, von „Remigration“ und „Reconquista“. Die Identitäre Bewegung präsentiert sich als letzte Rettung der „deutschen bzw. europäischen Identität“. Während „die Politik“ dabei sei, die selbige zu bekämpfen.

Entstanden ist die Identitäre Bewegung 2003 in Frankreich, seit 2014 ist sie auch in Deutschland vertreten. Wie viele Personen sich bundesweit bei der Identitären Bewegung engagieren, lässt sich schwer sagen. Zahlen dazu schwanken zwischen 100 und 400, je nachdem, ob Mitglieder des Vereins oder an Aktionen und Treffen Beteiligte gezählt werden. In Schleswig-Holstein seien es um die 30 Aktive, schätzt Volker Zierke. DER ALBRECHT hat sich mit ihm zum Gespräch getroffen. Zierke ist selbst bei der Identitären Bewegung aktiv.

Er erzählt im Gespräch, dass er nach seinem Umzug von Bayern nach Schleswig-Holstein Anschluss suchte. Da er politisch interessiert sei, schaute er sich zuerst bei der AfD um, die habe ihn aber eher abgeschreckt, er wurde dann auf die Identitäre Bewegung aufmerksam. Seit 2016 ist er Mitglied.

Im Gespräch wird deutlich, dass Zierke Wert auf den „intellektuellen Unterbau” der Gruppe legt. Damit ist er in der Identitären Bewegung nicht allein, auf der Website gibt es einen eigenen Reiter mit der Überschrift „Theorie”, unter den FAQs werden Begriffe wie ‚Großer Austausch‘ oder ‚Ethnopluralismus‘ erklärt.

Unter dem Begriff ‚Großer Austausch‘ versteht die Identitäre Bewegung dabei die Auswechslung der „heimisch angestammten Bevölkerung” durch Zuwanderung. Da sich Europa in einer wachsenden demographischen Krise befinde, während gleichzeitig eine Masseneinwanderung stattfinde, würde das dazu führen, dass die europäischen Völker zur Minderheit im eigenen Land würden und in „wenigen Jahrzehnten völlig verschwunden sein könnten”. Um das zu verhindern, plädiert die Identitäre Bewegung nicht nur für eine „familienfreundliche Politik”, um die „demographische Krise zu lösen”, sondern auch für den ‚Ethnopluralismus‘. „Unter Ethnopluralismus verstehen wir die Vielfalt der Völker, wie sie sich über Jahrtausende entwickelt hat.” Vielfalt versteht die Identitäre Bewegung dabei als strikte Trennung von verschiedenen Kulturen, jede Kultur habe das Recht zu existieren, aber nur innerhalb ihrer jeweiligen Landesgrenzen. Die deutsche ethnokulturelle Identität hält sie gar für so erhaltenswert, dass sie sie im Grundgesetz verankern will. Durch Abgrenzung kulturelle Identität erhalten – das zieht sich als roter Faden durch die Theorie der Identitären Bewegung.

Mit der Betonung ihres theoretischen Grundgerüsts möchte sich die Identitäre Bewegung auch von anderen rechten Gruppen abgrenzen. Wer Stammtischparolen verbreiten wolle, sei in der Identitären Bewegung falsch, sagt Zierke. Dem Bild des gewalttätigen, „Ausländer raus” schreienden Rechten setzt die Identitäre Bewegung ganz bewusst das Bild eines seine Heimat und Identität „verteidigenden“, gewaltfreien Aktivisten entgegen. Auf dieses Bild ist sie sehr bedacht. So bat sie zur Demonstration am 17. Juni 2017 die Teilnehmer um ein gepflegtes Erscheinungsbild, denn man wolle sich als eine „attraktive und offene Jugendbewegung präsentieren”. Ihre Außenwirkung ist der Identitären Bewegung wichtig. Für eine Organisation ihrer Größe ist ihre Öffentlichkeitsarbeit sehr professionell. Um öffentlich wahrgenommen zu werden, setzt die Identitäre Bewegung auf provokante Aktionen an den verschiedensten Orten. Ob sie das Brandenburger Tor oder das Funkhaus des WDR nutzen, um dort Transparente zu befestigen oder ihre eigene Mission im Mittelmeer starten um die angebliche Zusammenarbeit von NGOs mit Schleppern zu beweisen: Die Identitäre Bewegung möchte öffentlich wahrgenommen werden. Während die Aktionen selbst nur wenige Menschen erreichen, werden die Videos dazu tausendfach aufgerufen.

Aktionen wie in Berlin und Konstanz gab es in Schleswig-Holstein noch nicht. Öffentlich sichtbar wurde die Identitäre Bewegung in Schleswig-Holstein zum ersten Mal im Frühling dieses Jahres. Sie demonstrierte gegen die Friedensdemonstration Unternehmen Petticoat, deren ursprüngliche Idee es war, das U-Boot in Laboe pink anzumalen. Die Aktion spielte auf den gleichnamigen Film aus den Fünfzigern an. Die Identitäre Bewegung Schleswig-Holstein störte sich an der angeblichen Instrumentalisierung des Denkmals durch die Aktion und protestierte mit einem Transparent, auf dem unter anderem „Linken Zeitgeist torpedieren” stand. Die grundsätzlich geringe Präsenz in Schleswig-Holstein sei der Tatsache geschuldet, dass die Identitäre Bewegung hier noch in den Kinderschuhen stecke, sagt Volker Zierke, man sei gerade dabei, eine Stammtruppe aufzubauen.

Ob durch Demonstrationen gegen pinke U-Boote oder durch Transparente, die Identitäre Bewegung will den öffentlichen Diskurs in Deutschland verändern. Es gehe ihr nicht um eine konkrete politische Umsetzung, „Metapolitik“ nennt die Identitäre Bewegung das. „Wenn ich Politik machen wollte, wäre ich zur AfD gegangen, sagt Volker Zierke, „wir wollen ein Umdenken erreichen, den Diskurs wieder mehr nach rechts verschieben.”

Ob der Identitären Bewegung das gelingt, oder ob sie ihre eigene Größe überschätzt, wird sich zeigen.


Quelle Titelbild: Volker Zierke (Identitäre Bewegung Schleswig-Holstein)

Janika studiert Politik- und Islamwissenschaft an der CAU. Sie ist seit November 2016 beim Albrecht dabei.

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