Eine Ausstellung zu queerer Identität in der Ansgarkirche

„Komm wie du bist!” – ein Aufruf, der oft mit Einladungen in religiöse Räume verknüpft ist. Diese Einladung suggeriert, dass jede Person Platz in einem Glaubenshaus einnehmen darf. Gelegentlich ist aber festzustellen, dass die Aussage bröckelt, sobald tatsächlich ein Anderssein praktiziert wird. Insbesondere jenen Personen, die von dem Konzept der Heteronormativität abweichen, wird ein Ausleben der Eigenidentität in sakralen Räumen erschwert. Umso bezeichnender ist es daher, wenn eine Kirche dafür Raum schafft. 

Meine anfänglichen Erwartungen an die Ausstellung This is me – queer und religiös? waren erstaunlich niedrig. Ich sage deshalb erstaunlich, weil ich die Kieler Ansgarkirche sehr wohl als liberale, queerfreundliche Umgebung kennengelernt habe. Seit einiger Zeit enden die Kieler CSD-Tage mit einem offenen Gottesdienst dort. Allerdings erschien mir fraglich, ob das ‚Ausstellen’ von Menschen der richtige Weg ist. Queere Personen sind ohnehin häufig in der Bredouille, sich wiederholt vor fremden Menschen erklären zu müssen. 

Schirmherr der Ausstellung ist das Jüdische Museum Rendsburg. Eine einseitig christliche Betrachtungsweise findet somit glücklicherweise nicht statt, eine ökumenische Idee begleitet das Projekt. Bei mir löste das eine kleine Euphorie aus. Denn Ökumene verbinde ich ganz persönlich mit weitreichender Toleranz und gewinnbringendem Austausch. Besucher*innen dürfen Satzanfänge beenden und somit ihre eigene Identität und ihren Glauben auf einer Pinnwand verorten. Schnipsel mit „Ich bin…” wurden dabei ähnlich divers vervollständigt wie „Ich glaube…”. Ein Gefühl der Verbundenheit keimt auf. Einige Sätze haben sich festgebrannt, aber beweisen auch den Freiraum, der von This is me erzeugt wurde. So zum Beispiel dieser: „Ich glaube nicht mehr und das ist sehr befreiend.” 

Die Personen sind übergroß dargestellt und je Teil einer Bildcollage, die sehr individuelle Lebens- und Glaubenswege nachzeichnet. Jedes Bild ist begleitet von einem persönlichen Zitat. Für eine Person, die nicht queer ist und auch mit Glauben nicht viel am Hut hat, könnten diese Bilder und Aussagen wenig bedeutsam sein. Doch ich bin queer und gläubig. Repräsentation von Queerness im Glaubenskontext ist selten und noch immer unfassbar schwer. Doch hier ist glaubhaft vermittelt worden, dass „Komm wie du bist!” zu einer realistischen Maxime werden könnte. 

Die Ausstellung This is me – queer und religiös? kann noch bis zum 18. Juni besucht werden und kommt um 18:00 Uhr mit einem interreligiösen queeren Gottesdienst zum Abschluss. Eintritt frei. 

Öffnungszeiten der Ansgarkirche, Holtenauer Str. 89-91: Mo-Fr 10-12 und 14-16 Uhr. 

Autor*in
Ressortleitung Kultur

Lena studiert Medienwissenschaft und Anglistik und leitet seit Januar 2024 das Kultur-Ressort. Seit November 2020 ist sie Teil der Albrecht-Redaktion, wo sie über Theater, Kino, Oper, Literatur schreibt. Selten verirrt sie sich auch in Themen der Hochschule und Gesellschaft.

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